Filternetz und Polizei des Körpers |
Die oberflächlichen Lymphknoten liegen direkt unter der Haut, vor allem in den Achselhöhlen, am Hals und in der Leiste, und sind leicht zu ertasten. / © Adobe Stock/M. Dörr & M. Frommherz
Während der Blutkreislauf ein geschlossenes System bildet, ist das lymphatische System offen. Bedingt durch den Blutdruck tritt Flüssigkeit aus den Blutkapillaren in den Zwischenzellraum (Interstitium) aus. Diese wird zum Teil von Blutgefäßen resorbiert; ein anderer Teil wird von den Wänden dünner Lymphkapillaren aufgenommen und in immer größeren Gefäßen weitertransportiert. Das ist die Lymphflüssigkeit.
Durch Muskelkontraktion und Atembewegung angetrieben, fließt die gelblich weiße Lymphflüssigkeit in die Hauptlymphgänge »Ductus lymphaticus dexter« und »Ductus thoracicus« (Milchbrustgang). Dort wird die Lymphe ans Venensystem weitergeben.
Die Lymphgefäße haben einen dreischichtigen Aufbau. Die muskuläre Schicht unterstützt den Transport; Klappen ähnlich den Venenklappen verhindern den Rückfluss. Der Abschnitt zwischen zwei Klappen wird als Lymphangion bezeichnet.
Zum Lymphsystem gehören neben den Lymphgefäßen die lymphatischen Organe. In den primären lymphatischen Organen Thymus und Knochenmark erfolgen Bildung und Reifung der B- und T-Lymphozyten. Diese gelangen über den Blutkreislauf und das Lymphsystem in die sekundären lymphatischen Organe: Lymphknoten, Milz und Lymphfollikel. Dort erfolgen Antigenkontakt, Aktivierung und Differenzierung.
500 bis 600 etwa erbsengroße Lymphknoten mit einer Größe von 5 bis 25 mm sind einzeln, in Gruppen oder Ketten in den Verlauf der Lymphgefäße eingegliedert. Oberflächliche Lymphknoten direkt unter der Haut finden sich am ganzen Körper, vor allem in Achselhöhlen, Hals und Leiste.
Die tiefen Lymphknoten liegen vor allem in Bauch- und Brusthöhle. Sie sind wichtige Filterstationen für Krankheitserreger, Zelltrümmer, Tumorzellen sowie andere Fremd- und Schadstoffe.
Lymphfollikel sind in der Submukosa aller Schleimhäute eingelagert (Mukosa-assoziiertes Lymphgewebe, MALT), so im Nasen-Rachen-Raum, in den Bronchien, im Urogenitaltrakt und im Darm. Sie verhindern die Anheftung von Erregern an das Epithel.
Ähnlich wie bei Blutgefäßen können sich auch nach der Embryogenese neue Lymphgefäße bilden (Lymph-angiogenese). Unter physiologischen Bedingungen ist die Lymphangiogenese ein Zeichen von Entzündungsprozessen, Reparaturvorgängen, Erkrankungen oder Tumorwachstum. Es kommt dabei zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Zytokinen und Wachstumsfaktoren. Durch Bindung an die Oberfläche von Endothelzellen wird die Gefäßneubildung aktiviert.
Das Lymphsystem ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems und unterstützt die Entgiftung des Körpers. Flüssigkeit aus dem Interstitium wird mit Proteinen und Elektrolyten ins Lymphsystem transportiert, gelangt ins Venensystem und erneut in den Blutkreislauf. So stabilisiert sich die Flüssigkeitsbalance des Körpers. Bei Störungen verbleibt Wasser im Gewebe.
Täglich bilden sich etwa zwei bis drei Liter Lymphflüssigkeit. Bei der Fettverdauung entstehen im Darm Chylomikronen, die einen Großteil der Fette und fettlöslichen Vitamine über die Lymphe in den Blutkreislauf und zu den Körperzellen transportieren. Mit ihrem Gehalt an Fibrinogen und Gerinnungsfaktoren ist Lymphe gerinnungsfähig.
Das Zentralnervensystem ist nicht an das Lymphsystem des Körpers angeschlossen. 2013 wurde das vor allem im Schlaf aktive glymphatische System im Gehirn entdeckt. Es umspült mit feinen Kanälchen die Gliazellen im ZNS und dient der Entsorgung zellulärer Abfallstoffe.
Die akute Lymphangitis (Entzündung von Lymphgefäßen) wird verursacht durch verschiedene Erreger und Noxen wie Pilze, Bakterien (Streptokokken, Staphylokokken), Parasiten (Filarien, Erreger der Elefantiasis), Insektentoxine, Schlangengift oder Chemotherapeutika. Eintrittspforte können Hautrisse, Insektenstiche, Injektions- oder Nagelverletzungen sein. Die betroffene Stelle wird heiß und schwillt an.
In diesem Fall liegt ein akutes Lymphödem vor. Die Schwellung entsteht, wenn sich im Gewebe mehr Flüssigkeit ansammelt als abtransportiert werden kann. Das Erythem und die Schwellung erreichen ihren Höhepunkt nach 48 Stunden, können eine Woche anhalten und sich über die gesamte Extremität ausbreiten. Das Apothekenpersonal kann zur Kühlung und zum Hochlagern der betroffenen Gliedmaße raten. Mit Abklingen der Entzündung geht auch die Gewebeschwellung zurück.
Durch kleine Hautrisse und Wunden können Infektionserreger eindringen, die eine Entzündung der Lymphgefäße auslösen können. / © Adobe Stock/Sentello
Mit kleineren Infektionen wird das Immunsystem nach kurzer Zeit fertig. Bei Komplikationen dagegen nimmt die Schwellung zu, die Stelle verfärbt sich und umgebende Lymphknoten sind vergrößert. Begleitsymptome können Fieber und Schüttelfrost sein. Innerhalb kurzer Zeit kann sich ein typischer, unscharf begrenzter, schmerzhafter roter Streifen entlang des Lymphgefäßes von der Wunde in Richtung der lokalen Lymphknoten entwickeln. Fälschlicherweise vermuten Laien oft eine Blutvergiftung, aber oft kann das Apothekenpersonal die Patienten beruhigen.
Zur Linderung können lokal oder systemisch Antihistaminika oder Antiphlogistika empfohlen werden. In leichteren Fällen helfen lokale Antiseptika wie Octenidin und Povidon-Jod. Eine Streptokokken-Infektion, die in ein Erysipel münden kann, wird antibiotisch mit Penicillin, Amoxicillin oder Ampicillin behandelt, die seltenere Staphylokokken-Infektion mit Penicillinase-festen Penicillinen, zum Beispiel Flucloxacillin, sowie Cephalosporinen der ersten Generation.
Wird eine ausgeprägtere Lymphangitis nicht behandelt, steigt das Risiko für eine Sepsis. Bedingt durch Schäden des Lymphsystems (operative Entfernung von Lymphgefäßen) oder infolge einer akuten Lymphangitis kann sich eine chronische Lymphgefäßentzündung entwickeln, die in ein chronisches Lymphödem münden kann.
Beim Filtrationsprozess in den Lymphknoten kommt es zu einer Immunreaktion auf angeschwemmte Erreger oder Antigene. Dies löst eine Zellproliferation aus. Dabei können sich Lymphknoten auf mehr als 1 cm vergrößern. Diese Lymphadenopathie kann vereinzelt auf einen Körperbereich begrenzt sein oder generalisiert mehrere nicht zusammenhängende Regionen betreffen.
Die lokale Lymphadenopathie ist am häufigsten und wird oft von Symptomen wie Fieber, Schmerzen, Gelenkproblemen und Ermüdung begleitet. Seltener ist die Lymphknotenschwellung auf maligne oder chronische systemische Erkrankungen zurückzuführen. Die Ursachen sind vielfältig: Infektionen durch Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilze, Autoimmunerkrankungen oder Arzneimittelnebenwirkungen.
Zu den Virusinfektionen zählen »Kinderkrankheiten« wie Windpocken (Varizellen-Infektion), Masern, Mumps und Röteln. Da sie gefährliche Spätfolgen verursachen können, ist in der Apotheke auf den Impfschutz nach den Vorgaben der Ständigen Impfkommission (Stiko) hinzuweisen.
Das Anschwellen von Lymphknoten, die lokale Lymphadenopathie (links), ist meist eine Folge von Infektionen mit Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzen. Sie verschwindet mit Abklingen der Infektion. Es kann sich aber auch eine Lymphknotenentzündung (rechts) entwickeln; ist sie bakteriell bedingt, ist eine antibiotische Therapie angezeigt. / © Getty Images/Boy_Anupong, Adobe Stock/Bungon
Das Apothekenpersonal kann bei Herpes-simplex-Infektionen lokal Virustatika (Aciclovir, Pencivir) empfehlen. Das große Spektrum der Erkältungserkrankungen durch Rhino-, Adeno-, Influenza- oder Coronaviren, RSV, Otitis media oder Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (infektiöse Mononukleose) können symptomatisch mit Ibuprofen bei Fieber oder Halsschmerzen sowie mit systemischen oder lokalen Sympathomimetika zur Abschwellung der Nasenschleimhaut gelindert werden. Hilfreich sind zudem der patentierte Extrakt aus Ampfer, gelbem Enzian, Holunder, Eisenkraut, Schlüsselblume und definiertem Eucalyptusextrakt sowie Cineol zur Verflüssigung von Schleim. Bei Abgabe von OTC-Produkten sind Kontraindikationen und die Grenzen der Selbstmedikation immer zu beachten.
Bakterielle Infektionen wie Pharyngitis, Gingivitis und Parodontitis sind häufig durch Staphylokokken, seltener durch Streptokokken bedingt. Ist der Erreger nachgewiesen, werden Antibiotika eingesetzt.
Parasitäre Erkrankungen, die zur Lymphadenopathie führen können, sind Toxoplasmose (enger Kontakt mit Katzen), Borreliose (Zeckenstich) oder tropische Infektionen. Gegen Candida albicans als Verursacher von Mundsoor sind Azol- oder Polyen-Antimykotika lokal hilfreich. Das Apothekenteam sollte auf die möglichst lange Verweildauer des Arzneimittels im Mund hinweisen.
Zu den Autoimmunerkrankungen zählen der systemische Lupus erythematodes (SLE), die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) sowie das Sjögren-Syndrom. Systemische rheumatische Erkrankungen wie das Kawasaki-Syndrom oder die Sarkoidose verursachen ebenfalls vergrößerte Lymphknoten.
Auch eine Reihe von Medikamenten kann eine Lymphadenopathie bedingen. Dazu zählen Antikonvulsiva (wie Carbamazepin, Phenytoin, Lamotrigin), Antibiotika (wie Penicilline, Cephalosporine, Pyrimethamin und Sulfonamide) sowie andere Stoffe wie Allopurinol, Atenolol, Captopril und Chinidin.
Ebenso kommen Tätowierungen in Betracht. Durch das Einstechen der Nadeln können Erreger eingeschleppt werden, außerdem sammeln sich Pigmente in Lymphknoten oder Leber an (Kasten).
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Tätowierungen verblassen mit der Zeit durch den Abtransport der Farbpigmente. Stellen die Farbpigmente eine Gefahr für das Lymphsystem dar?
Tätowierungen sind in Europa auf dem Vormarsch und besonders bei jungen Menschen beliebt. Komplikationen wie bakterielle Infektionen oder allergische Reaktionen sind nicht meldepflichtig und werden kaum wahrgenommen (siehe auch hier).
Was passiert mit der Tätowierfarbe im Körper? Die Farbpigmente gelangen beim Einstechen durch die Epidermis in die darunterliegende Dermis. Nach kurzer Zeit verringert sich der Anteil der Pigmente um 80 Prozent. Die Tätowierung zeigt sich durch Partikel, die in der Dermis verbleiben; der Rest wird durch das Blutgefäß- oder Lymphsystem abtransportiert. So gelangen Pigmente in andere Organe, werden ausgeschieden oder färben umliegende Lymphknoten.
Die Studios verwenden fertige Farbmischungen, die meist nicht nach internationalen Standards hergestellt sind. Sie enthalten eine bunte Mischung von Pigmenten, Lösungsmitteln, Emulgatoren, Bindemitteln, Antischaummitteln (zum Beispiel Polydimethylsiloxan), Konservierungsmitteln (beispielsweise Parabene, Phenol, Methylisothiazolinon), Metallen (Nickel, Kobalt, Chrom) sowie Verunreinigungen (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Phthalate).
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine internationale Kommission für Tätowiermittel einberufen. Zur Minimierung von Risiken sollen Mindestanforderungen für die Sicherheit von Tätowierfarben sowie ein Prüfkatalog für Hersteller und Händler erarbeitet werden.
Eine schwedische Studie der Universität Lund ergab kürzlich, dass Menschen mit Tätowierungen häufiger ein malignes Lymphom entwickeln (DOI: 10.1016/j.eclinm.2024.102649). Das Risiko steigt bei der Entfernung einer Tätowierung: Azoverbindungen in der Tinte werden durch Laserbestrahlung in karzinogene aromatische Amine gespalten. Allerdings fehlen Nachweise einer Kausalität und die umfassende toxikologische Bewertung von Tätowiertinten.
Geschwollene Lymphknoten schrumpfen auf die normale Größe, wenn die Ursachen behandelt sind und abklingen. Das Apothekenpersonal sollte zum Arztbesuch raten, wenn Lymphknoten rot, warm und schmerzempfindlich sind, weiter anschwellen, sich hart anfühlen und nicht frei beweglich sind. Dies gilt auch bei Begleitsymptomen wie Fieber, Nachtschweiß oder unerklärlicher Gewichtsabnahme. Eine Biopsie ist indiziert, wenn die abnormale Schwellung eines Lymphknotens nach vier Wochen nicht abgeklungen ist.
Lymphknoten können über einige Monate bis Jahre ohne weitere Beschwerden geschwollen bleiben. Ursache hierfür sind Infektionskrankheiten, zum Beispiel eine infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber), die zu einer lang anhaltenden Gewebeverdichtung (Sklerosierung) führen.
Entzünden sich die Lymphknoten, so spricht man von einer Lymphadenitis; dies ist eine mögliche Begleiterscheinung einer Lymphadenopathie oder einer Lymphangitis.
Pathogene Erreger einer Infektion von Haut, Ohren, Nase oder Augen sowie der infektiösen Mononukleose, Zytomegalieviren und Streptokokken, Erreger von Tuberkulose oder Syphilis können einen oder mehrere Lymphknoten infizieren. Neben der Schwellung fühlen sich die Lymphknoten heiß und schmerzhaft an. Oft rötet sich die Haut über den Lymphknoten. Es kann Fieber hinzukommen oder ein Abszess, der operativ behandelt werden muss.
Bakterielle Infektionen erfordern eine antibiotische Therapie. Die Behandlung richtet sich nach dem Erreger. In der Apotheke kann man zu warmen feuchten Umschlägen raten, die die Schmerzen in den entzündeten Lymphknoten lindern.
Bei Störungen im Lymphabfluss oder den Lymphknoten verbleibt mehr Flüssigkeit im Gewebe und wird nicht mehr richtig abtransportiert: Ein Ödem entsteht. Abzugrenzen ist dieses Lymphödem von anderen Ödemen, bei denen sich bedingt durch verschiedene Erkrankungen (Herz-Kreislauf-, Lungen-, Stoffwechsel-, Nieren-, Venen- oder Lebererkrankungen) mehr Flüssigkeit im Interstitium sammelt. Es gibt Mischformen.
Ein akutes Lymphödem entsteht lokal durch eine Entzündung. Klingt diese ab, verschwindet das Lymphödem. Beim meist lebenslang bestehenden chronischen Lymphödem unterscheidet man das primäre vom sekundären (Tabelle).
Erkrankung und Manifestationsalter | Symptome | Ursachen |
---|---|---|
Primäres Lymphödem | ||
kongenitales LymphödemManifestation direkt nach der Geburt | verschiedene Lymphödeme, vor allem an den Extremitäten | hereditäres Lymphödem Typ I (Nonne-Milroy-Syndrom) oder sporadische Form (nicht erblich bedingt) |
Lymphödem praecox (juveniles Lymphödem)2. bis 35. Lebensjahr, Manifestation in der Pubertät | unkontrollierbare Verkrampfungen der Kiefer-, Mund-, Zungen- und AugenlidmuskulaturÖdeme an den Extremitäten, Minderwuchs, Übergewicht | hereditäres Lymphödem Typ II (Meige-Syndrom) odersporadische Form (nicht erblich bedingt) |
Lymphödem tardumBeginn nach dem35. Lebensjahr | Lymphödeme am ganzen Körper | zunehmend eingeschränkte Transportkapazität des Lymphsystems |
Sekundäres Lymphödem | ||
Phlebolymphödem | Ödem der unteren Extremitäten | chronisch venöse Insuffizienz |
Lymphstau durch maligne Erkrankungen | Ödem im TumorgebietÖdem im Arm, Achsel- oder Leistenbereich | Störungen des lymphatischen Gefäßsystems durch Verlegung oder Unterbrechung von LymphwegenLymphknotendissektion, zum Beispiel bei BrustkrebsStrahlentherapie |
lymphatische Filariose | Fieber, Lymphödem, Elefantiasis | Infektion durch einen Mückenstich mit einer von drei Arten von Filarioidea |
Adipositas | Adipositas-bedingtes Lymphödem | Kompression von Lymphgefäßen mit Flüssigkeitsstau |
Das seltenere primäre Lymphödem ist genetisch oder durch eine lymphatische Hypoplasie verursacht. Es kann sich bereits im Säuglingsalter oder später im Leben bemerkbar machen. Neben den Extremitäten können alle Organe betroffen sein.
Das sekundäre Lymphödem ist deutlich häufiger und Folge von gefäßbedingten Störungen des Lymphflusses. Es wird verursacht durch andere Erkrankungen (Übergewicht, Verletzungen) oder eine Tumortherapie (Operation, Bestrahlung). Das sogenannte Phlebödem, häufige Begleiterscheinung einer venösen Insuffizienz, ist kein »echtes« Lymphödem. Es liegt keine Transportstörung, sondern eine Überforderung des Lymphsystems durch zu viel Gewebsflüssigkeit vor.
Müssen bei einer Brustkrebsoperation auch Lymphknoten entfernt werden, leiden die Frauen danach häufig unter Lymphödemen des gleichseitigen Arms. / © Adobe Stock/LioTou
Klagt ein Patient über geschwollene Beine, sollte das Apothekenteam auf die deutlich bessere Effizienz einer Kompressionstherapie im Vergleich zu Venensalben hinweisen. Die Anspannung der Muskulatur unterstützt den Transport der Lymphflüssigkeit. Bewegungsmangel stört den Transportfluss und erhöht daher das Risiko eines Staus im Lymphgewebe mit Bildung eines Lymphödems. Übergewicht verursacht ebenfalls einen Stau der Lymphflüssigkeit, da durch das vermehrte Fettgewebe die Lymphgefäße nicht frei zugänglich sind.
Typisch ist eine progredient, meist einseitig verlaufende Ödembildung vorwiegend in den Extremitäten, in deren Verlauf es zur Fibrosierung und Sklerosierung des Gewebes kommt. Weitere Symptome sind ein unbehagliches Schweregefühl und Schmerzen. Das Lymphödem wird in vier Schweregrade eingeteilt:
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Merkmal eines Lipödems ist eine Störung der Fettverteilung, die sich individuell unterschiedlich äußert. Die symmetrische Vermehrung des Unterhautfettgewebes kann sich am Oberschenkel (Reiterhosen), am gesamten Bein (Säulenhosen) oder von den Hüften bis zu den Sprunggelenken (Suavenhose) zeigen, seltener an den Armen. Rumpf und Kopf bleiben verschont. Betroffen sind überwiegend Frauen nach einer hormonellen Umstellung (Pubertät, Schwangerschaft).
Die Ursache eines Lipödems ist weitgehend unklar. Die genetische Disposition spielt eine Rolle, ungesunde Ernährung erhöht das Risiko. Pathologisch vermehrt sich die Zahl der Fettzellen im Unterhautfettgewebe. Umfang und Durchlässigkeit der Zellen nehmen zu und Flüssigkeit tritt aus: Ödeme sind die Folge. Weitere Symptome sind Spannungsgefühl, Neigung zu Hämatomen, Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen.
Bleibt das Körpergewicht im Normalbereich, verschieben sich die Proportionen: ein schlanker Oberkörper und eine umfangreiche untere Körperhälfte. Dies führt zu erheblichen psychischen Belastungen. Die symptomfreie Vermehrung von Unterhautfettgewebe an den Beinen wird als Lipohypertrophie bezeichnet und gilt als Vorstufe eines Lipödems. Viele Frauen versuchen vergeblich, mit Diät und Sport die Fettvermehrung zu stoppen. Das Apothekenpersonal sollte zum Arztbesuch raten, denn die frühzeitige Therapie verlangsamt das Voranschreiten. Die Einteilung erfolgt in drei Stadien:
Das Lipödem verursacht selbst kein Lymphödem. Kommen zusätzliche Belastungen wie Übergewicht oder venöse Insuffizienz hinzu, kann sich ein sekundäres Lymphödem bilden.
Da ein Lipödem nicht geheilt werden kann, ist das oberste Therapieziel, ein Voranschreiten zu verhindern und die Symptome zu lindern. Mittel der Wahl ist die Kompressionstherapie; ist das Lymphsystem mitbetroffen, auch die manuelle Lymphdrainage. Empfehlenswert sind eine gesunde Ernährung, Normalgewicht und viel Bewegung, bevorzugt im Wasser. Operativ werden mit verschiedenen Techniken Fettzellen vom Gewebe gelöst und anschließend endoskopisch abgesaugt.
Die Diagnose erfolgt durch die Anamnese sowie Blutuntersuchungen, Ultraschall und bilddiagnostische Verfahren wie Computer- und Magnetresonanz-Tomografie (CT, MRT), Fluoreszenz-Mikrolymphografie oder Lymphszintigrafie. Ein Lymphödem ist nur im Anfangsstadium heilbar. Der Verlauf hängt ab von einer möglichst frühen Diagnose und Therapie sowie der Behandlung von Grunderkrankungen. Abzugrenzen ist das Lymph- vom Lipödem (Kasten).
Es gibt keine Arzneimittel für die Indikation Lymphödem. Diuretika sind kontraindiziert, da sie das klassische Lymphödem negativ beeinflussen: Sie erhöhen die Diurese in der Niere, Proteine verbleiben im Gewebe und dies führt zu einer erneuten Einlagerung von Flüssigkeit.
Therapie der ersten Wahl ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) mit einer Kombination von manueller Lymphdrainage, Hautpflege, Bewegungs- und Kompressionstherapie (mitunter auch maschinell: intermittierende pneumatische Kompression).
Zunächst beginnt man in Phase 1 (Entstauungsphase) mit der manuellen Lymphdrainage und einem mehrlagigen Kompressionsverband, der einen gleichmäßigen Druckverlauf von körperfern zu körpernah garantiert. Maßgefertigte flachgestrickte Kompressionsstrümpfe dienen – neben der Lymphdrainage – der Erhaltungstherapie (Phase 2). Übergewicht kann den Schweregrad und den Verlauf eines Lymphödems komplizieren.
Erforscht wird die Applikation von Wachstumsfaktoren zur Anregung der Lymphangiogenese, der Einsatz von nicht steroidalen Antirheumatika zur Entzündungshemmung und von antifibrotisch wirksamen Substanzen. In schweren Fällen versuchen Mikrochirurgen, Lymphgefäße und Lymphknoten operativ wiederherzustellen. Präventiv kann das Apothekenteam den Kunden empfehlen, zu große Hitzeeinwirkung, starke körperliche Betätigung, langes Sitzen und einengende Kleidungsstücke zu meiden.
Barbara Staufenbiel studierte Pharmazie in Münster. 16 Jahre lang leitete sie die Rabenfels-Apotheke in Rheinfelden. Seit ihrer Rückkehr nach Münster arbeitet sie in einer öffentlichen Apotheke und engagiert sich für die Fortbildung als Referentin und Autorin mit Schwerpunkt Apothekenpraxis.