Experten warnen vor »zweiter Welle« |
Es sei nicht sinnvoll, »von einer sogenannten Verdopplungszeit zu sprechen und von dieser Maßzahl politische Entscheidungen abhängig zu machen«. Und: »Die Darstellung in exponentiell ansteigenden Kurven der kumulativen Häufigkeit führt zu einer überzeichneten Wahrnehmung, sie sollte um die Gesamtzahl der asymptomatischen Träger und Genesenen korrigiert werden.« Auch die Zahlen zur Sterblichkeit, so die Autoren, »überschätzen derzeit das Problem und können nicht valide interpretiert werden«. Am häufigsten verbreite sich SARS-CoV-2 derzeit in Krankenhäusern und in Pflege- sowie Betreuungseinrichtungen, der Aufenthalt in Risikogebieten und der individuelle Kontakt werde an Bedeutung abnehmen.
In der zweiten These geht es um die Prävention. Die Autoren schreiben: »Die allgemeinen Präventionsmaßnahmen wie social distancing sind theoretisch schlecht abgesichert, ihre Wirksamkeit ist beschränkt und zudem paradox (…) und sie sind hinsichtlich ihrer Kollateralschäden nicht effizient.« Je wirksamer die Strategien seien, desto größer sei die Gefahr einer »zweiten Welle«. Die Autoren schlagen deshalb vor, sich an anderen Epidemien wie HIV zu orientieren und auf Zielgruppen-orientierte Maßnahmen umzuschwenken. Diese sollten sich auf die Risikogruppen beziehen, also hohes Alter, Multimorbidität, institutioneller Kontakt und Zugehörigkeit zu einem lokalen Cluster berücksichtigen.
In ihrer dritten These geht es den Autoren um die Bedeutung für die Gesellschaft. Demnach könne der Shutdown in der anfangs unübersichtlichen Situation das richtige Mittel gewesen sein. Er berge jedoch die Gefahr, die soziale Ungleichheit und andere Konflikte zu verstärken. »Demokratische Grundsätze und Bürgerrechte dürfen nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden. Die Einbeziehung von Experten aus Wissenschaft und Praxis muss in einer Breite erfolgen, die einer solchen Entwicklung entgegenwirkt.« Allein die Bevölkerungs-bezogenen Maßnahmen träfen Personen mit niedrigem Einkommen und Selbstständige deutlich stärker als Personen mit größerem finanziellen Spielraum. Kritisch sehen die Autoren zudem Erwägungen, Handydaten zu nutzen, um das Infektionsgeschehen nachvollziehen zu können.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.