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Coronavirus-Pandemie

Experten warnen vor »zweiter Welle«

Ein neues Thesenpapier könnte die Diskussion um ein baldiges Ende des Shutdowns in Deutschland voranbringen, ohne die politisch Verantwortlichen zu diskreditieren. Ein Überblick.
Anja Köhler
07.04.2020  13:22 Uhr

Wann wird Deutschland seine Restriktionen zurückfahren? Diese Frage wird im Kampf gegen das Coronavirus zunehmend diskutiert. Zur Debatte beitragen könnte das neue »Thesenpapier zur Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19« mit dem Untertitel »Datenbasis verbessern, Prävention gezielt weiterentwickeln, Bürgerrechte wahren«. Einer der sechs Autoren ist Franz Knieps, seines Zeichens Jurist und Vorstand des BKK Dachverbands. Auf Nachfrage der PZ sagte er am Dienstag, was mit dem Papier nicht erreicht werden soll: »Wir wollen ausdrücklich nicht die Politik unter Druck setzen, oder Personen und Maßnahmen kritisieren, sondern abbilden, was aus unserer Sicht bisher gut und was weniger gut gelaufen ist. Denn inzwischen haben wir andere Zahlen vorliegen als noch vor vier Wochen.«

In der Präambel des 26-Seiten-langen Thesenpapiers heißt es: »Die Autoren bemühen sich um eine klare Benennung der Fakten und Probleme. (…) In jeder Beziehung sind die Ausführungen dieses Thesenpapiers als konstruktive Beiträge gedacht, die den Zweck verfolgen, die Entscheidungen der kommenden Wochen zu unterstützen.« Demnach sei wegen der Bedrohung durch SARS-CoV-2/Covid-19 ein Zusammenwirken von Politik und Wissenschaft notwendig. »Eine sinnvolle Beratung der politischen Entscheidungsträger muss mehrere wissenschaftliche Fachdisziplinen umfassen, wobei die diagnostischen Fächer (hier: Virologie), die klinischen Fächer (hier: Infektiologie, Intensivmedizin) und die Pflege ganz im Vordergrund stehen sollten.« Weil eine Epidemie jedoch nie allein ein medizinisch-pflegerisches Problem darstelle, sollen zusätzlich Vertretern der Sozialwissenschaften, Public Health, Ethik, Ökonomie, Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft mitwirken.

Die erste von drei Thesen der Autoren lautet, dass die zur Verfügung stehenden epidemiologischen Daten wie gemeldete Infektionen und Letalität nicht ausreichen, um Ausbreitung und Ausbreitungsmuster der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie zu beschreiben. Sie könnten daher nur eingeschränkt zur Absicherung weitreichender Entscheidungen dienen. Auch die Zahl der gemeldeten Infektionen habe nur eine geringe Aussagekraft, die Zahl der täglich beim Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Fälle werde in hohem Maße durch die Testverfügbarkeit und Anwendungshäufigkeit beeinflusst.

Die Zahlen »überschätzen das Problem«

Es sei nicht sinnvoll, »von einer sogenannten Verdopplungszeit zu sprechen und von dieser Maßzahl politische Entscheidungen abhängig zu machen«. Und: »Die Darstellung in exponentiell ansteigenden Kurven der kumulativen Häufigkeit führt zu einer überzeichneten Wahrnehmung, sie sollte um die Gesamtzahl der asymptomatischen Träger und Genesenen korrigiert werden.« Auch die Zahlen zur Sterblichkeit, so die Autoren, »überschätzen derzeit das Problem und können nicht valide interpretiert werden«. Am häufigsten verbreite sich SARS-CoV-2 derzeit in Krankenhäusern und in Pflege- sowie Betreuungseinrichtungen, der Aufenthalt in Risikogebieten und der individuelle Kontakt werde an Bedeutung abnehmen.

In der zweiten These geht es um die Prävention. Die Autoren schreiben: »Die allgemeinen Präventionsmaßnahmen wie social distancing sind theoretisch schlecht abgesichert, ihre Wirksamkeit ist beschränkt und zudem paradox (…) und sie sind hinsichtlich ihrer Kollateralschäden nicht effizient.« Je wirksamer die Strategien seien, desto größer sei die Gefahr einer »zweiten Welle«. Die Autoren schlagen deshalb vor, sich an anderen Epidemien wie HIV zu orientieren und auf Zielgruppen-orientierte Maßnahmen umzuschwenken. Diese sollten sich auf die Risikogruppen beziehen, also hohes Alter, Multimorbidität, institutioneller Kontakt und Zugehörigkeit zu einem lokalen Cluster berücksichtigen.

In ihrer dritten These geht es den Autoren um die Bedeutung für die Gesellschaft. Demnach könne der Shutdown in der anfangs unübersichtlichen Situation das richtige Mittel gewesen sein. Er berge jedoch die Gefahr, die soziale Ungleichheit und andere Konflikte zu verstärken. »Demokratische Grundsätze und Bürgerrechte dürfen nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden. Die Einbeziehung von Experten aus Wissenschaft und Praxis muss in einer Breite erfolgen, die einer solchen Entwicklung entgegenwirkt.« Allein die Bevölkerungs-bezogenen Maßnahmen träfen Personen mit niedrigem Einkommen und Selbstständige deutlich stärker als Personen mit größerem finanziellen Spielraum. Kritisch sehen die Autoren zudem Erwägungen, Handydaten zu nutzen, um das Infektionsgeschehen nachvollziehen zu können.

Die Autoren

Die Autoren des Thesenpapiers sind Professor Matthias Schrappe von der Universität Köln und ehemaliger Vize-Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit, die Berliner Pflegemanagerin und Beraterin Hedwig François-Kettner, ehemalige Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit, Matthias Gruhl, Arzt für Öffentliches Gesundheitswesen in Hamburg und Bremen, Franz Knieps aus Berlin, Jurist und Vorstand eines Krankenkassenverbands, Professor Holger Pfaff von der Universität Köln/ Zentrum für Versorgungsforschung und ehemaliger Vorsitzender des Expertenbeirats des Innovationsfonds und schließlich Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen, ehemals Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit.

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