EuGH hat nichts gegen Klebeetiketten |
Jennifer Evans |
28.11.2022 15:00 Uhr |
Den EuGH beschäftigten kürzlich gleich zwei Verfahren, in denen es darum ging, ob ein Parallelimporteur Arzneimitteln neu verpacken darf. / Foto: Adobe Stock/Tyler Olson
Für einen Rechtsstreit, der seinen Ausgangspunkt am Landgericht Hamburg nimmt, haben die deutschen Richter den EuGH ins Boot geholt. Denn es ging unter anderem um die Auslegung der Delegierten Verordnung der EU 2016/161, die sich unter anderem mit den Sicherheitsmerkmalen auf Arzneimittelpackungen befasst.
Der ursprüngliche Zwist war zwischen dem Unternehmen Novartis Pharma und dem dänischen Parallelimporteur Abacus Medicine entbrannt. Letzter hatte Novartis darüber in Kenntnis gesetzt, dass er die Originalumhüllung des Präparats Votrient® gegen eine neue ersetzt. Das Pharmaunternehmen war wenig begeistert und wollte gerichtlich erwirken, dass der Parallelimporteur die neuverpackten Medikamente in Deutschland weder bewerben noch in Verkehr bringen darf. Als Grund für seinen Antrag beim LG Hamburg hatte Novartis seine Markenrechte an dem Produkt ins Feld geführt.
Aus Sicht des Pharmaunternehmens ist eine neue Umverpackung ohnehin unnötig. Schließlich sei allen Anforderungen an den Manipulationsschutz damit genüge getan, wenn für den Parallelimport eine deutschsprachige Packungsbeilage eingelegt und der Data-Matrix-Code samt dem individuellen Erkennungsmerkmal dann als Etikett auf die Schachtel geklebt wird und so etwaige Öffnungsspuren abdeckt sind. Abacus Medicine war hingegen der Meinung, dass die Schäden der Öffnung irreversible und sichtbar bleiben und einige Verbraucher die Arzneimittel nicht mehr akzeptieren würden.
Daraufhin fragten die Hamburger Richter beim EuGH nach, wie er das Problem bewertet. Im Kern ging es darum, wie er die Delegierte Verordnung auslegt, die unter anderem die Richtlinien für die sicheren Arzneimittelpackungen definiert. Muss also der Code mit dem individuellen Erkennungsmerkmal direkt auf der äußeren Verpackung aufgedruckt sein? Und ist es überhaupt zulässig, wenn ein Parallelimporteur später ein Klebeetikett auf der Originalschachtel anbringt?
In seiner Entscheidung entkräfte der EuGH zunächst das Argument von Novartis und stellte klar, dass sich ein Markeninhaber grundsätzlich nicht dagegen wehren kann, sollte ein Parallelimporteur ein Arzneimittel neu verpacken, weil andernfalls Spuren auf der Schachtel sichtbar wären, die einige Verbraucher abschrecken oder verunsichern könnten und damit womöglich Nachteile auf dem Markt des Einfuhrstaates entstehen. Allerdings ist die Angelegenheit nach Auffassung der Brüssler Richter jeweils im Einzelfall zu klären.
Gleichzeitig hatte der EuGH aber nichts gegen Klebeetikette einzuwenden, auf denen das individuelle Erkennungsmerkmal mit dem Code zu sehen ist. Schließlich gehe es in der Praxis darum, den Code schnell zu scannen und das sei mit einem Aufkleber gleichermaßen möglich – sofern dieser während der gesamten Lieferkette unbeschädigt bleibe, so der EuGH.
Neben dem LG Hamburg hatte sich auch ein dänisches Gericht mit dem Thema befasst, ob das Umpacken parallelimportierter Medikamente zulässig ist und eine Einschätzung aus Brüssel erbeten. Dabei kam der EuGH zu dem Schluss, dass der Markeninhaber dem sehr wohl widersprechen könne, wenn auf der Originalverpackung sichtbare oder tastbare Spuren verblieben, die eindeutig der Parallelimporteur zu verantworten habe.
Anhand der EuGH-Reaktion auf die beiden Vorabentscheide der Gerichte aus Deutschaland und Dänemark wird klarer, wie er die Delegierte Verordnung ausgelegt wissen will. Letztlich bleibt es aber weiterhin Aufgabe des jeweiligen Mitgliedsstaates jeden Fall einzeln zu bewerten.
Zum Hintergrund: Seit dem 9. Februar 2019 dürfen in der EU verschreibungspflichtige Arzneimittel nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn sie auf ihrer Packung ein individuelles Erkennungsmerkmal tragen und die Schachtel unversehrt ist. Ziel ist es, die Sicherheit im legalen Arzneimittelhandel zu wahren. Apotheken sind seitdem vor der Abgabe jedes Rx-Präparats dazu verspflichtet, den Data-Matrix-Code auf der Packung zu scannen, um diese Echtheit zu überprüfen. Hierzulande setzt den europaweiten Überwachungsmechanismus die Organisation Securpharm um.