Eszopiclon im Handel |
| Sven Siebenand |
| 05.05.2021 14:00 Uhr |
Viele Menschen klagen über Ein- und/oder Durchschlafstörungen. / Foto: Adobe Stock/amenic181
Grundsätzlich entspricht der Wirkmechanismus von Eszopiclon jenem von Zopiclon und anderen Z-Substanzen. Die Wirkstoffe erhöhen durch Bindung an den Gamma-Aminobuttersäure A-Rezeptor (GABAA) die durch GABA hervorgerufene Chlorid-Leitfähigkeit, was die neuronale Transmission hemmt und Schlaf herbeiführt.
Das (R)- und das (S)-Enantiomer racemisieren im Fall von Zopiclon in vivo nicht und Eutomer sowie Distomer weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Seit den 1990er-Jahren weiß man zum Beispiel, dass Eszopiclon in vitro eine etwa 50-fach höhere Affinität zur Benzodiazepin-Bindungsstelle des GABAA-Rezeptors aufweist als (R)-Zopiclon. Der GABAA-Rezeptor besitzt verschiedene Untereinheiten. Eszopiclon hat dabei eine große Affinität zur α2- und α3-Untereinheit und nur eine geringe Affinität zur α1-Untereinheit. Letzteres könnte das Abhängigkeitspotenzial reduzieren, der Agonismus an der α2-Untereinheit könnte zusätzliche anxiolytische und antidepressive Wirkkomponenten mit sich bringen. Vorteile bietet Eszopiclon auch hinsichtlich der Pharmakokinetik. Eine schnellere Aufnahme ins Blut kann die Schlaflatenz verkürzen, das heißt der Schlaf setzt früher ein.
Eine 2016 publizierte Phase-III-Studie verglich Eszopiclon 3 mg mit Zopiclon 7,5 mg. Nach vier Wochen zeigte Eszopiclon gegenüber Zopiclon eine vergleichbare Wirksamkeit bei der Behandlung von Schlaflosigkeit sowie eine Erhöhung der Gesamtschlafzeit und der Schlafqualität. Beide Studienbehandlungen waren ähnlich gut verträglich. Eine bereits 2005 publizierte Studie belegte, dass Patienten, die nach einer sechsmonatigen Behandlung mit Placebo (verblindet) auf eine Open-Label-Behandlung mit Eszopiclon umgestellt wurden, nach weiteren sechs Monaten signifikante Verbesserungen des Schlafs und der Tagesfunktion zeigten. Bei Patienten, die nach sechsmonatiger Behandlung mit Eszopiclon (verblindet) weitere sechs Monate mit Eszopiclon (open Label) behandelt wurden, blieben die Verbesserungen des Schlafs und der Tagesfunktion aufrechterhalten.
Da in Lunivia das (R)-Enantiomer von Zopiclon nicht mehr enthalten ist, wundert es nicht, dass es das Präparat nur in den Wirkstärken 1, 2 oder 3 mg gibt, während in Zopiclon-Medikamenten 3,75 oder 7,5 mg Wirkstoff enthalten sind. Zugelassen ist das neue Präparat zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen, üblicherweise als Kurzzeitbehandlung.
Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 1 mg. Sofern klinisch angezeigt, kann die Dosis auf 2 oder 3 mg erhöht werden. Bei Über-65-Jährigen liegt das Tagesmaximum jedoch bei 2 mg. Ebenso ist es bei stark eingeschränkter Nierenfunktion. Eszopiclon ist als Einmalgabe unmittelbar vor dem Zubettgehen einzunehmen. Der Wirkstoff hat einen bitteren Geschmack, sodass die Filmtabletten nicht zerstoßen oder zerbrochen werden dürfen.
Die Patienten sollen in derselben Nacht keine weitere Lunivia-Tablette schlucken. In allen Fällen soll die Therapiedauer so kurz wie für eine effektive Behandlung nötig sein und einschließlich einer schrittweisen Absetzphase vier Wochen nicht überschreiten. In speziellen Fällen, zum Beispiel bei Patienten mit chronischen Schlafstörungen, kann es notwendig sein, den Behandlungszeitraum auf höchstens sechs Monate auszudehnen. Dies erfordert regelmäßige Kontrollen und Beurteilungen des Zustandes des Patienten, da mit zunehmender Behandlungsdauer das Risiko für Missbrauch und Abhängigkeit steigt.
Einige Kontraindikationen gibt es zu berücksichtigen: Tabu ist Eszopiclon bei Patienten mit Myasthenia gravis, mit schwerer respiratorischer Insuffizienz, mit schwerer Leberinsuffizienz, schwerem Schlafapnoe-Syndrom und in einem Alter unter 18 Jahren. Ferner darf der Wirkstoff nicht bei älteren Patienten zum Einsatz kommen, die gleichzeitig potente CYP3A4-Hemmer erhalten. Denn dies führt möglicherweise zu einer Verstärkung der hypnotischen Wirkung von Eszopiclon, da der Wirkstoff durch das Enzym CYP3A4 metabolisiert wird. Bei jüngeren Patienten kann die gleichzeitige Einnahme eines potenten CYP3A4-Inhibitors eine Dosisreduzierung von Eszopiclon erforderlich machen. Die Tagesdosis darf 2 mg nicht übersteigen.
Lunivia® enthält den Wirkstoff Eszopiclon, der bereits seit 2005 in den USA auf dem Markt ist. / Foto: Hennig Arzneimittel
Ein besonderer Warnhinweis in der Fachinformation von Lunivia bezieht sich auf das Risiko durch eine gleichzeitige Einnahme von Opioiden. Diese kann zu Sedierung, Atemdepression, Koma und Tod führen. Aufgrund dieser Risiken ist die gleichzeitige Verordnung von Eszopiclon zusammen mit Opioiden nur bei Patienten angebracht, für die es keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten gibt. Wenn dennoch eine gleichzeitige Verordnung von Eszopiclon zusammen mit Opioiden für notwendig erachtet wird, ist die niedrigste wirksame Dosis anzuwenden und die Behandlungsdauer so kurz wie möglich zu halten. Die Patienten sind engmaschig auf Anzeichen und Symptome von Atemdepression und Sedierung zu überwachen.
Weitere Warnhinweise in der Fachinformation gibt es zum Beispiel zu den Punkten Abhängigkeitsrisiko sowie Absetzerscheinungen. Ein gleichzeitiger Alkoholkonsum ist bei allen Patienten zu vermeiden, da er die sedierende Wirkung des Arzneistoffs verstärken kann. Bei gleichzeitiger Anwendung mit anderen zentral dämpfenden Arzneimitteln, etwa Antipsychotika, Anxiolytika, Muskelrelaxanzien, Antiepileptika und sedierenden Antihistaminika, kann es zu einer Verstärkung der zentraldämpfenden Wirkung kommen. Daher ist in diesen Fällen möglicherweise eine Dosisreduktion von Eszopiclon erforderlich.
Unangenehmer Geschmack ist als Nebenwirkung sehr häufig. Häufig kommt es zum Beispiel zu Kopfschmerzen, Somnolenz, trockenem Mund, Benommenheit und Übelkeit.
Die Anwendung von Eszopiclon in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. In der Stillzeit soll der Arzneistoff ebenfalls nicht zum Einsatz kommen.
Auf das Distomer (R)-Zopiclon verzichten zu können, ist sicher kein Nachteil. Daher darf Eszopiclon als Schrittinnovation eingestuft werden. Das (S)-Enantiomer weist offenbar eine deutlich höhere Affinität zur Bindungsstelle am GABAA-Rezeptor auf. Zu berücksichtigen ist auch die größere Affinität zur α2-Untereinheit und die geringere Affinität zur α1-Untereinheit im Vergleich zu Zopiclon. Möglicherweise könnte Letzteres das Abhängigkeitspotenzial reduzieren und Ersteres auch anxiolytische und antidepressive Effekte haben. Dies muss aber noch weiter untersucht werden. Die Studienergebnisse zeigen zumindest, dass Wirksamkeit und Sicherheit von Eszopiclon im Vergleich zu Zopiclon mindestens ebenbürtig sind. Größere Vergleichsstudien wären aber sehr wünschenswert. Last but not least rechtfertigen auch die pharmakokinetischen Vorteile eine Einstufung bei den Schrittinnovationen. Die schnellere Aufnahme ins Blut von Eszopiclon kann helfen, die Schlaflatenz zu verkürzen.
Sven Siebenand, Chefredakteur