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B.1.617.2

Erste Impfdosis wenig wirksam gegen indische Variante

Der Schutz der ersten Dosis einer Coronaimpfung gegen die zuerst in Indien aufgetauchte SARS-CoV-2-Variante B.1.617.2 ist offenbar sehr lückenhaft. Das ist besonders in England problematisch, wo sich B.1.617.2 ausbreitet und viele Menschen erst einmal geimpft sind.
Annette Rößler
27.05.2021  18:00 Uhr

Ein wichtiger Treiber der hohen Covid-19-Fallzahlen, die derzeit aus Indien gemeldet werden, ist die SARS-CoV-2-Variante B.1.617, genauer gesagt die Unterklade B.1.617.2. Weil sie noch nicht so lange zirkuliert, herrscht über einige wichtige Eigenschaften dieser Variante noch Unklarheit. Dazu gehört die Frage nach der Wirksamkeit der verfügbaren Coronaimpfstoffe gegen sie. Hierzu haben jetzt Mitarbeiter der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) um Jamie Lopez Bernal erste, noch nicht begutachtete Daten auf dem Preprintserver »Medrxiv« veröffentlicht.

Großbritannien hat ein Problem mit B.1.617.2, weil das Virus vielfach aus Indien eingetragen wurde und sich im Königreich nun stark ausbreitet. Die PHE-Forscher analysierten die Wirksamkeit der beiden Coronaimpfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Astra-Zeneca (Vaxzevria®) gegen die Variante im Design einer Test-negativen Fallkontrollstudie. Dabei konnten sie alle Personen mit positivem PCR-Test in England und Sequenzanalysen des Erregers zwischen dem 26. Oktober 2020 und dem 16. Mai 2021 berücksichtigen, insgesamt 12.675 Patienten. Von diesen waren 11.621 mit der SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 (englische Variante) infiziert und 1054 mit B.1.617.2. Angaben zum Impfstatus der Patienten entnahmen die Forscher dem nationalen Impfregister.

Bei beiden Impfstoffen war die Schutzwirkung gegen B.1.617.2 mit 33,5 Prozent nach der ersten Dosis deutlich geringer als gegen B.1.1.7 mit 51,1 Prozent. Hatten die Patienten zuvor beide Impfstoffdosen erhalten, war die Wirksamkeit besser: Sie betrug für Comirnaty 93,4 Prozent gegenüber B.1.1.7 und 87,9 Prozent gegenüber B.1.617.2 und für Vaxzevria 66,1 Prozent gegenüber B.1.1.7 und 59,8 Prozent gegenüber B.1.617.2. Verglichen mit Personen, die bislang noch gar nicht geimpft worden waren, war bei Geimpften die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie sich mit der indischen Variante des Coronavirus infiziert hatten, unabhängig davon, ob sie erst einmal oder schon vollständig geimpft worden waren.

Zweitimpfungen beschleunigen

Ob sich diese doch sehr bescheidene Wirksamkeit insbesondere der Astra-Zeneca-Vakzine anhand größerer Datensätze bestätigen wird, bleibt abzuwarten. Gegenüber dem »Science Media Center« wies Professor Dr. Paul Hunter von der University of East Anglia, der nicht an der Studie beteiligt war, darauf hin, dass die hier beobachtete Wirksamkeit von Vaxzevria auch gegen B.1.1.7 niedriger war als in einem anderen Bericht von PHE. Demnach habe die Wirksamkeit der ersten Dosis für Comirnaty und Vaxzevria zwischen 55 und 70 Prozent gelegen und die der zweiten Dosis zwischen 85 und 90 Prozent. Unstrittig sei jedoch, dass die Vervollständigung der Impfung durch die zweite Dosis wichtig sei, um die weitere Verbreitung der Variante B.1.617.2 einzudämmen.

Hier ist Großbritannien allerdings noch nicht so weit wie bei den Erstimpfungen. Die Regierung verfolgte mit der Impfkampagne von Anfang an das Ziel, möglichst schnell möglichst viele Menschen einmal zu impfen. Die Zweitimpfung, die die Immunisierung erst vervollständigt, war bislang weniger hoch priorisiert. Mittlerweile sind in Großbritannien 73 Prozent der Bevölkerung einmal geimpft und 45 Prozent zweimal (Stand 25. Mai).

Ob sich eine Variante gegen andere durchsetzt, hängt jedoch nicht nur davon ab, wie gut sie der Immunreaktion entkommen kann (Immunescape), sondern auch von ihrer Ansteckungsfähigkeit (Fitness). Diesbezüglich hat B.1.1.7 einen klaren Vorteil gegenüber anderen Varianten, weshalb sie sich zunächst in Großbritannien und anschließend auch in Deutschland durchsetzen konnte. Dafür gibt es bei B.1.1.7 keinen Immunescape. Das andere Extrem sind die Varianten B.1.351 (südafrikanische Variante) und P.1 (brasilianische Variante). Sie weisen einen deutlichen Immunescape auf, aber dafür keine erhöhte Fitness. Das erklärte Professor Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité im NDR-Podcast »Coronavirus-Update« am 25. Mai. Anhand der bisherigen, noch sehr begrenzten Evidenz gehe er davon aus, dass bei B.1.617.2 eine Mischung aus beidem vorliege: ein leichter Fitnessvorteil gepaart mit einem Immunescape, der aber weniger stark ausgeprägt sei als bei B.1.351.

In Deutschland vor allem B.1.1.7

In Deutschland gehen weiterhin die meisten SARS-CoV-2-Infektionen auf das Konto von B.1.1.7. Laut dem aktuellen »Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland« des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 26. Mai wurde diese Variante bei neun von zehn Infizierten, bei denen der Erreger zwischen dem 10. und 16 Mai sequenziert wurde, nachgewiesen. Der Anteil von B.1.617.2 lag bei 2,2 Prozent, der von B.1.351 bei 1,1 Prozent und der von P.1 bei 0,3 Prozent.

Möglicherweise beruht die ungebrochen starke Dominanz von B.1.1.7 hierzulande auch darauf, dass nach wie vor vergleichsweise wenige Menschen geimpft sind. Am 26. Mai hatten laut RKI 41,2 Prozent der Menschen in Deutschland eine erste Impfdosis erhalten und 15,7 Prozent bereits beide. In dieser Situation kann sich B.1.1.7 mit seinem Fitnessvorteil durchsetzen. Virusvarianten mit Immunescape wie die Südafrika-, Brasilien- und weniger stark auch die Indien-Variante sind dagegen laut Drosten praktisch nur dann im Vorteil, wenn die Bevölkerung schon eine Hintergrundimmunität hat. Es kann also durchaus sein, dass mit fortschreitender Impfkampagne B.1.617.2 auch hierzulande B.1.1.7 zurückdrängen wird.

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