Erhöhter Blutdruck schon ab 120/70 mmHg |
Christina Hohmann-Jeddi |
04.09.2024 12:00 Uhr |
In den neuen europäischen Bluthochdruck-Leitlinien gibt es jetzt die Kategorie »erhöhter Blutdruck«, die bereits bei Werten von 120/70 mmHg erreicht ist. / Foto: Getty Images/macniak
Beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), der vom 30. August bis 2. September in London stattfand, stellten Professor Dr. John William McEvoy von der University of Galway in Irland und Professor Dr. Rhian Touyz der McGill University in Kanada eine aktualisierte Leitlinie zur Behandlung »von erhöhtem Blutdruck und Hypertension« vor. Schon dieser Titel macht klar, dass die Leitlinie sich nicht auf manifeste Hypertonie beschränkt, sondern auch erhöhte Blutdruckwerte im Fokus hat.
In der Leitlinie wird als neue Blutdruckkategorie »Erhöhter Blutdruck« eingeführt, der als Bereich von 120 bis 139 mmHg systolisch und 70 bis 89 mmHg diastolisch definiert ist. Die Definition von Bluthochdruck (Hypertonie) bleibt dabei unverändert bei Werten ab 140/90 mmHg.
Die neue Kategorie sei eingeführt worden, um bei Personen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem Schlaganfall und Herzinfarkt, eine intensivere Blutdruckbehandlung in Betracht zu ziehen, heißt es in einer Mitteilung der ESC. »Diese neue Kategorie des erhöhten Blutdrucks trägt der Tatsache Rechnung, dass Menschen nicht von heute auf morgen von normalem Blutdruck zu Bluthochdruck wechseln«, sagt darin McEvoy. Es sei vielmehr ein stetiger Anstieg der Werte. Zudem könnten verschiedene Untergruppen von Patienten in dieser Kategorie, etwa solche mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schon von einer Behandlung von profitieren, bevor sie die Schwelle zur Hypertonie überschritten haben.
Wie sind also Personen mit »erhöhtem Blutdruck« zu behandeln? Hier differenziert die Leitlinie abhängig vom Herz-Kreislauf-Risiko. Personen mit Erkrankungen, die ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko bedingen, wie moderate bis schwere Nierenerkrankungen, diagnostizierte kardiovaskuläre Erkrankungen, Typ-1- und Typ-2-Diabetes (außer alleiniger Typ-2-Diabetes bei Personen unter 60 Jahren), familiäre Hypercholesterolämie und bereits vorliegende Bluthochdruck-bedingte Endorganschäden, sollten zunächst Lebensstiländerungen vornehmen. Liegt der Blutdruck nach drei Monaten mit verändertem Lebensstil noch bei über 130/80 mmHg, sollte eine medikamentöse blutdrucksenkende Therapie begonnen werden.
Bei allen anderen Personen mit erhöhtem Blutdruck, bei denen diese hinreichenden Bedingungen nicht erfüllt sind, sollte mittels SCORE2 oder SCORE-OP das Zehn-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ermittelt werden. Liegt dieses bei 10 Prozent oder darüber, sollte wie bei den oben genannten Risikopersonen vorgegangen werden und ebenfalls Lebensstiländerungen eingeführt und gegebenenfalls mit einer Medikation begonnen werden. Bei einem SCORE2-Wert unter 5 Prozent sind Lebensstiländerungen zu empfehlen.
Im Zwischenbereich von 5 bis 10 Prozent Zehn-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sollen der Leitlinie zufolge weitere risikomodifizierende Faktoren wie Ethnie, Autoimmunerkrankungen, HIV-Infektion und geschlechtsspezifische Faktoren wie Gestationsdiabetes oder Frühgeburten mit berücksichtigt werden, um das Herz-Kreislauf-Risiko besser einschätzen zu können.