Erhöhter Blutdruck schon ab 120/70 mmHg |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 04.09.2024 12:00 Uhr |
Als weitere wichtige Neuerung führt die ESC-Leitlinie einen neuen Zielbereich für den systolischen Blutdruck ein, nämlich 120 bis 129 mmHg für die meisten Patienten, die eine blutdrucksenkende Medikation erhalten. Dies gilt für alle Personen, die die Behandlung gut vertragen. Für den Rest sollte der systolische Blutdruckzielwert »so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar« liegen. Dieser auch als ALARA-Prinzip bekannte Ansatz gilt insbesondere für gebrechliche und ältere Menschen.
Das neue Behandlungsziel von 120 bis 129 mmHg für den systolischen Blutdruck »stellt einen Paradigmenwechsel gegenüber früheren europäischen Leitlinien dar«, so die ESC. Bisher wurde empfohlen, den Blutdruck zunächst auf unter 140/90 mmHg zu senken und erst danach eine weitere Senkung auf unter 130/80 mmHg in Betracht zu ziehen. »Diese Änderung beruht auf neuen Studienergebnissen, die bestätigen, dass eine intensivere Blutdruckbehandlung bei einem breiten Spektrum infrage kommender Patienten zu einer Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt«, erklärt McEvoy.
Die Vorgabe liegt damit deutlich unter der der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie von 2023, in der ein Blutdruck-Zielwert von 140/90 mmHg als ideal angesehen wird. Diese Leitlinie empfiehlt insgesamt eine Individualisierung des Zielwerts in einem Korridor von 120/70 mmHg bis 160/90 mmHg.
In der aktualisierten ESC-Leitlinie wird erstmals auch die renale Denervation zur Behandlung von Bluthochdruck empfohlen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem minimalinvasiv die Nervenbahnen zwischen Gehirn und Nieren verödet werden. Der Hintergrund: Bei einer durch das Gehirn gesteuerten erhöhten Aktivität der Nieren werden vermehrt die blutdruckerhöhenden Botenstoffe Renin und Adrenalin gebildet. Das Veröden der Nerven soll die Nierenaktivität reduzieren. Das Verfahren wird aber nicht als Erstbehandlung empfohlen und auch nicht für Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion oder sekundären Ursachen für Bluthochdruck.
Es soll laut Leitlinie »bei Patienten mit resistenter Hypertonie in Betracht gezogen werden, deren Blutdruck trotz einer Kombination aus drei blutdrucksenkenden Medikamenten (einschließlich eines Thiazids oder thiazidähnlichen Diuretikums) nicht kontrolliert werden kann und die sich nach einer gemeinsamen Nutzen-Risiko-Diskussion und einer multidisziplinären Bewertung für eine renale Denervation aussprechen.«
Neuerungen gibt es in dem Dokument auch zu den Ernährungsempfehlungen: So sollten alle Erwachsenen mit erhöhtem Blutdruck oder Hypertonie die tägliche Natriumaufnahme auf maximal 2 g beschränken, was 5 g (knapp ein Teelöffel) Kochsalz pro Tag entspricht. Die Kaliumaufnahme über Obst und Gemüse (etwa Trockenobst, Sojabohnen, grünes Gemüse, Feldsalat und Bananen) und eventuell über kaliumangereichertes Speisesalz sollte um 0,5 bis 1 g pro Tag erhöht werden, wenn keine Nierenerkrankungen vorliegen. Es sei sinnvoll, einer ausgewogenen Ernährungsform wie der Mittelmeerdiät oder DASH-Diät zu folgen. Weiterhin wird empfohlen, den Konsum von zuckergesüßten Getränken und Alkohol möglichst zu reduzieren.
Ein Rauchverzicht wird ebenso angeraten wie eine Steigerung der körperlichen Aktivität, um den Blutdruck zu senken. Mehr als 150 Minuten pro Woche moderate sportliche Aktivität (30 Minuten an fünf bis sieben Tagen pro Woche) sollten es laut Leitlinie sein oder 75 Minuten hochintensives Training verteilt auf drei Tage pro Woche.