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Männliche Verhütung

Enzym-Inhibitor legt Spermien lahm

Ein neu entwickelter Wirkstoff schaltet Spermien in Untersuchungen mit Mäusen rasch aus und macht vorübergehend unfruchtbar. Er eignet sich möglicherweise für die Entwicklung einer On-Demand-Antibabypille für den Mann, zeigt eine Publikation in »Nature Communications«.
Christina Hohmann-Jeddi
16.02.2023  16:00 Uhr

Bisher sind Verhütungsmethoden für Männer auf Kondome und Vasektomie beschränkt. Die Arbeit an einer Antibabypille für den Mann, die hauptsächlich auf einen hormonellen Stopp der Spermienproduktion abzielte, war wegen zu geringer Wirksamkeit und möglicher Nebenwirkungen ins Stocken geraten. Jetzt haben Forschende ein neues Ziel entdeckt: die Spermienfunktion.

Ein Team um Dr. Melanie Balbach von der Weill Cornell Medicine, New York, berichtet aktuell im Fachjournal »Nature Communications« von einem Wirkstoff, der die Spermienbeweglichkeit einschränkt. Die Forschenden entwickelten optimierte lösliche Inhibitoren des Enzyms Adenylylcyclase (sAC), das das Spermium für die Beweglichkeit und den letzten Reifungsschritt benötigt. Von diesen hatte die Substanz TDI-11861 die besten Eigenschaften, weshalb die Forschenden sie an Mäusen genauer testeten.

Eine einmalige Gabe des Inhibitors machte Männchen vorübergehend unfruchtbar, ohne Einfluss auf das Paarungsverhalten oder die Ejakulation zu haben, berichtet das Team. Die Wirksamkeit trat nach einer halben Stunde ein, lag bei 100 Prozent in den ersten zwei Stunden und 91 Prozent in den ersten drei Stunden nach der Gabe. Nach 24 Stunden war die Fruchtbarkeit wieder vollständig hergestellt. Negative Gesundheitseffekte wurden keine beobachtet, auch nicht bei einer Dauergabe eines ähnlichen sAC-Inhibitors über sechs Wochen.

In den meisten Untersuchungen wurde TDI-11861 per Injektion verabreicht. Der Wirkstoff kann aber auch oral gegeben werden, wie die Forschenden in weiteren Untersuchungen zeigten. So führte eine einmalige orale Applikation zu hohen Wirkstoffspiegeln im Blut und in den Nebenhoden, wo reife Spermien zwischengelagert werden, und in den Samenbläschen, die die im Sperma enthaltene Flüssigkeit produzieren. Im Hoden dagegen wurden keine hohen Konzentrationen gemessen, betonen die Forschenden. Auch die orale Gabe schränkte die Spermienfunktion effektiv ein.

Die Forschenden sehen in ihren Ergebnissen den Beleg, dass spezifische sAC-Inhibitoren zu sicheren, wirksamen, bei Bedarf einsetzbaren, nicht hormonellen Kontrazeptiva für den Mann weiterentwickelt werden können. Bei Verhütungsmethoden bestehe noch Bedarf – weltweit sei immer noch jede zweite Schwangerschaft ungeplant. Bevor ein solches Präparat auf den Markt kommen könnte, ist aber noch ein weiter Weg zu gehen. In weiteren Untersuchungen müssen die Sicherheit und die Wirksamkeit genauer untersucht werden.

Auch andere Forschergruppen arbeiten an ähnlichen Ansätzen: So hatte vor Kurzem ein Team aus St. Louis einen Wirkstoff im Fachjournal »PNAS« vorgestellt, der ebenfalls die Spermienbeweglichkeit vorübergehend ausschaltet. Er blockiert einen Kaliumkanal in Spermien, der für deren Aktivierung und Eindringen in die Eizelle wichtig ist.

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