Einsame nehmen mehr Hochrisiko-Medikamente ein |
Daniela Hüttemann |
03.08.2021 18:00 Uhr |
Einsamkeit und Multimorbidität sowie die damit verbundene Medikation kann sich gegenseitig begünstigen und verstärken. / Foto: Adobe Stock/Lightfield Studios
US-Mediziner und -Medizinerinnen haben eine repräsentative Kohorte von rund 6000 Menschen ab 65 Jahren in Bezug auf den Grad ihrer Einsamkeit und ihrer Medikation untersucht. Die Ergebnisse von Dr. Ashwin A. Kotwal und seinem Team von der geriatrischen Abteilung des medizinischen Instituts der University of California in San Franciso erschienen vor Kurzem in Form eines »Research Letters« im Fachjournal »JAMA Internal Medicine«.
Die Teilnehmer bewerteten zum einen den Grad ihrer Einsamkeit, zum anderen führte ein klinischer Pharmazeut eine Medikationsanalyse durch. Der Fokus lag dabei auf Medikamenten, die häufig bei physischen und psychologischen Symptomen verordnet werden, die mit Einsamkeit assoziiert sind, sowie auf den Beers-Kriterien potenziell inadäquater Medikamente (PIM) für ältere Menschen. Dazu gehören nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Opioide, Antidepressiva, Benzodiazepine sowie weitere Beruhigungs- und Schlafmittel. Auch nach Korrelationen mit anderen häufig verordneten Medikamenten, wo die Forschenden keine Assoziation mit Einsamkeit erwarteten, wie Statinen und Antihypertensiva, wurde gesucht.
40 Prozent der Teilnehmer wurden als wenig bis moderat einsam eingestuft und 7 Prozent als hochgradig einsam. Dabei berichteten die einsamen Menschen häufiger über Beschwerden wie Schmerzen, Schlaflosigkeit, Depressionen, Ängste und Multimorbidität.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Einsamkeit signifikant assoziiert war mit einem höheren Gebrauch von NSAR, Benzodiazepinen, Anxiolytika/Sedativa und Antidepressiva sowie mit einer Polymedikation allgemein. Einen nicht signfikanten Trend gab es bei den Opioiden. Einsame Menschen hatten einen doppelt so hohen Gebrauch von Antidepressiva, Benzodiazepinen und Schlafmitteln wie Personen, die sich nicht allein fühlten.
Die Studie lässt keine Rückschlüsse zu, ob die Einsamkeit die höhere Medikamenteneinnahme bedingt oder umgekehrt. Die Beziehung zwischen Einsamkeit und Symptomen wie Schmerzen, Schlaflosigkeit und Depressionen sei wahrscheinlich bidirektional, schreiben die Forscher. »In einigen Situationen wirkt Einsamkeit als Risikofaktor für die Symptome, in anderen ist sie die Folge der Symptome.« In jedem Fall bestehe für einsame ältere Erwachsene das Risiko, dass sie Hochrisiko-Medikamente einnehmen, die üblicherweise für körperliche oder psychische Symptome verschrieben werden.
»In Fällen, in denen Einsamkeit ein Risikofaktor für die Entwicklung körperlicher oder psychischer Symptome ist, können Medikamente die zugrunde liegende soziale Erfahrung der Einsamkeit nicht behandeln«, betonen die Autoren. »In Fällen, in denen Einsamkeit eine Folge von Symptomen wie Schmerzen oder Depressionen ist, kann Einsamkeit die Intensität dieser Symptome verstärken. In beiden Fällen sollten Ärzte die Einleitung sozialer Interventionen für einsame ältere Erwachsene oder die ›soziale Überweisung‹ an lokale gemeindebasierte Unterstützungsprogramme in Erwägung ziehen.« Bei einsamen Menschen sollten Ärzte bei der Verordnung von Hochrisiko-Medikamenten noch mehr als sonst ein Auge darauf haben, ob sie diese reduzieren oder vermeiden können.