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Dosierung bei Adipositas

Ein schwerer Fall

Fettleibigkeit kann bei der Arzneimittelanwendung pharmakokinetische Parameter beeinflussen. Dabei spielen neben einem erhöhten Körperfettanteil zahlreiche weitere Parameter eine Rolle. Pauschale Aussagen zur Dosisanpassung sind kaum möglich.
AutorKontaktNicole Schuster
Datum 13.02.2024  18:00 Uhr

Obwohl adipöse Menschen einen Großteil der Weltbevölkerung ausmachen, mangelt es an Daten, wie Arzneimittel bei ihnen optimal zu dosieren sind. Hilfreich wären spezifische Dosierungshinweise in den Fachinformationen. Diese fehlen jedoch, da klinische Studien üblicherweise mit normalgewichtigen Patienten durchgeführt werden, um statistisch auswertbare Daten zu bekommen.

Viele fettleibige Patienten leiden zudem an kardiovaskulären Erkrankungen sowie an Leber- und Nierenerkrankungen, die zusätzlich zur Fettansammlung Auswirkungen auf das pharmakokinetische Profil von Arzneimitteln haben können. Untersuchungen bestätigen, dass pharmakokinetische Parameter bei Adipösen eine große Variabilität aufweisen und Verallgemeinerungen schwierig sind. Für adipöse Kinder gibt es noch weniger Daten.

Von Adipositas spricht man, wenn der Body-Mass-Index (BMI) mehr als 30 kg/m2 beträgt. Da adipöse Menschen im Vergleich zu Normalgewichtigen einen höheren Anteil an Fettgewebe haben, können sich Wirkstoffe anders verhalten. Zudem sind das Blut- und Herzzeitvolumen erhöht, um das zusätzliche Gewebe zu versorgen. Besser durchblutet werden dadurch vor allem die Nieren sowie die Leber und der Gastrointestinaltrakt. Diese Veränderungen können sich auf die Absorption und Verteilung sowie die Metabolisierung und Elimination von Arzneimitteln auswirken.

Beschleunigte Magen-Darm-Passage

Orale Arzneistoffe werden im Magen-Darm-Trakt resorbiert. Bei Adipösen können die Magen-Darm-Passage beschleunigt und die Magenentleerungszeit verkürzt sein. Hinzu kommt eine erhöhte Darmmotilität, die die Aufnahmekapazität im Dünndarm verringern kann. Das ist vor allem bedeutsam für Medikamente, die ohnehin nur in geringem Umfang resorbiert werden.

Des Weiteren kann der mittlere Magen-pH-Wert bei übergewichtigen Menschen höher sein als bei Normalgewichtigen. Zu bedenken ist zudem, dass Adipöse häufiger unter der gastroösophagealen Refluxkrankheit leiden und zur Symptombehandlung Protonenpumpenhemmer oder Antazida einnehmen. Ein dadurch angehobener pH-Wert kann sich auf die Löslichkeit einiger Arzneistoffe auswirken und somit auf deren Resorption.

Hinsichtlich des Verteilungsvolumens ist zu berücksichtigen, dass für hydrophile Arzneistoffe wie Aminoglykoside bei Übergewichtigen das Verteilungsvolumen im Verhältnis zur Körpermasse verringert ist. Werden diese Wirkstoffe bei adipösen Patienten gewichtsbasiert nach dem totalen Körpergewicht dosiert, besteht das Risiko einer Überdosierung.

Das Verteilungsvolumen von lipophilen Molekülen hingegen steigt bei Adipösen an. Fettlösliche Wirkstoffe wie Benzodiazepine, Verapamil, Sufentanil oder Carbamazepin können dadurch im Steady-State unterdosiert sein, weil bei verabreichter Standarddosis niedrigere Wirkstoffkonzentration im Blut erreicht werden. Sehr lipophile Arzneistoffe können im Fettgewebe akkumulieren. Bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite wie Digitalisglykosiden, Vancomycin oder Phenytoin ist daher zur Dosisfindung ein therapeutisches Drug Monitoring zu empfehlen.

Veränderte Aktivität von Leberenzymen

Der Einfluss von Fettleibigkeit auf den Arzneimittelmetabolismus und die Elimination ist je nach Stoffwechsel- oder Ausscheidungsweg unterschiedlich. Grundsätzlich scheinen die glomeruläre Filtrationsrate und renale Perfusion bei Normalgewichtigen und Menschen mit Übergewicht ähnlich zu sein. Das erhöhte Blutvolumen kann die renale Clearance jedoch steigern. Bei einer diabetischen oder hypertensiven Nephropathie als Komorbidität sinkt dagegen die Ausscheiderate über die Niere.

Veränderungen in der Leber betreffen vor allem unverändert hepatisch ausgeschiedene Wirkstoffe mit hoher Extraktionsrate und hohem First-pass-Effekt. Dazu zählen unter anderem Metoprolol, Propranolol, Verapamil, Levodopa, Morphin, Naloxon oder Lidocain.

Neben der Durchblutung beeinflusst die Enzymaktivität, zum Beispiel der Cytochrom-P450-Enzyme die Metabolisierungskapazität der Leber. Die Clearance von CYP3A4-Substraten ist bei adipösen Patienten meist geringer als bei Normalgewichtigen. Nach einem Gewichtsverlust kann das reversibel sein. Im Gegensatz dazu scheint die Clearance von Arzneimitteln, die hauptsächlich durch Uridindiphosphat-Glucuronosyltransferase, N-Acetyltransferase oder andere CYP-Enzyme wie CYP2E1 und CYP2D6 metabolisiert werden, bei adipösen Patienten erhöht zu sein. Zu bedenken ist ferner, dass viele fettleibige Menschen am metabolischen Syndrom leiden und ein erhöhtes Risiko für die nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) haben. Eine fortgeschrittene NAFLD beeinträchtigt den Leberstoffwechsel.

Dosis individuell prüfen

Wie lässt sich eine Fettleibigkeit nun bei der Dosierung berücksichtigen? Eine einfache Lösung wäre, die Dosierung an das reale Körpergewicht anzupassen. Die Dosis für den angenommenen Durchschnittspatienten von 80 kg wird dazu auf das Körpergewicht des Adipösen hochgerechnet. Dabei ergeben sich allerdings mitunter sehr hohe Arzneistoffmengen. Verhält sich die benötigte Dosis nicht linear zum realen Körpergewicht, drohen Überdosierungen und toxische Wirkungen.

Die Körperoberfläche ist in der Regel bei Zytostatika die Bezugsgröße für die Dosierung. Sie beruht auf dem realen Körpergewicht und kann daher bei Fettleibigkeit ebenfalls zu Überdosierungen führen.

In vielen Fällen ist es bei Arzneimitteln, die sich vor allem im fettfreien Gewebe verteilen, sinnvoll, die Dosis nach der fettfreien Masse oder dem angepassten Idealgewicht (AIBW) zu berechnen (siehe Kasten). Bei einem lipophilen Wirkstoff mit hohem Verteilungsvolumen kann für die Dosierung das aktuelle, totale Körpergewicht herangezogen werden.

Wenn hydrophile Wirkstoffe unverändert renal eliminiert werden, können sie anhand der Nierenfunktion dosiert werden. Bei der Berechnung der Nierenfunktion wird das Gewicht berücksichtigt, da größere Menschen mit mehr Muskelmasse eine erhöhte Kreatinin-Konzentration aufweisen. Fettgewebe produziert aber kein Kreatinin. Das kann dazu führen, dass die Nierenfunktion eines Übergewichtigen überschätzt wird, wenn mit dem tatsächlichen Körpergewicht gerechnet wird. Sinnvoller kann es sein, das AIBW in die Formel einzusetzen (»Biomedicine & Pharmacotherapy« 2023, DOI: 10.1016/j.biopha.2023.115281).

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