Ein klares Ja zum Impfen in Apotheken |
Christina Hohmann-Jeddi |
20.01.2020 13:26 Uhr |
Durch keine Impfung können so viele Todesfälle verhindert werden wie durch die Grippeimpfung, betonte der Referent. / Foto: PZ/Alois Müller
Impfungen sind die effektivste Präventionsmaßnahme, um Erkrankungen und Todesfälle durch Infektionskrankheiten zu verhindern. Und mit keiner Impfung ließen sich so viele Todesfälle in Deutschland verhindern wie mit der Grippeimpfung, machte Weinke, ärztlicher Direktor des Ernst-von-Bergmann-Klinikums in Potsdam deutlich. Auch wenn die Effektivität der Impfung mäßig sei, liege die Krankheitslast doch sehr hoch. In der schweren Grippesaison 2017/2018 habe die Influenza etwa 9 Millionen Arztbesuche und etwa 25.000 Todesfälle verursacht. Das habe die Übersterblichkeits-Abschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ergeben. Auch wenn nicht jede Saison so schwer verläuft, habe es über die vergangenen Jahre gemittelt in jeder Grippesaison etwa 10.000 grippebedingte Todesfälle in Deutschland gegeben. »Bei einer Impfstoffeffektivität von 50 bis 70 Prozent sind dies 5000 bis 7000 verhinderte Todesfälle«, sagte Weinke.
Empfohlen ist die Impfung etwa für medizinisches Personal und andere Heilberufler, um die Ausbreitung einzudämmen, sowie für Schwangere, alle Personen über 65 Jahren und chronisch Kranke, weil diese ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben. Gerade bei den Senioren und bei Risikopatienten gebe es bei den Impfquoten noch »deutlich Luft nach oben«, sagte Weinke. Verständlich sei daher der politische Wille, mit der Möglichkeit, in der Apotheke gegen Grippe zu impfen, ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen. »Apotheker sollten die Chance nutzen und in diese Lücke stoßen«, sagte der Arzt. »Wir müssen die Impfakzeptanz weiter erhöhen.«
Professor Dr. Thomas Weinke / Foto: PZ/Alois Mueller
Mit der Impfung werden nicht nur Grippeerkrankungen verhindert, sondern auch die gefährlichen sekundären Pneumokokken-Pneumonien, die sich auf eine Influenza-Infektion häufig draufsatteln. Die Impfung senkt außerdem die Zahl der Myokardinfarkte bei Patienten mit Herzerkrankungen, wie aktuelle Studien zeigen. Speziell für Senioren ist in Deutschland mit Fluad® ein adjuvantierter Grippeimpfstoff zugelassen. In den USA verfolgt man einen anderen Ansatz: Dort ist eine hochdosierte Influenza-Vakzine für Senioren auf dem Markt, die statt 15 µg Antigen pro Stamm 60 µg enthält (Fluzone® High-Dose). In Deutschland ist sie noch nicht zugelassen. Man wolle auch klare klinische Daten für eine Überlegenheit sehen, bevor man sie empfehle, sagte Weinke.
Gegen Streptococcus pneumoniae gebe es zwei verschiedene Impfstoffe, erklärte Weinke. Das ist der 13-valente Konjugatimpfstoff Prevenar® 13 und der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff (Pneumovax® 23). »Der Konjugatimpfstoff wird für die im Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) vorgesehene Grundimmunisierung aller Säuglinge empfohlen«, sagte Weinke. Denn diese Vakzine verhindere schon die Kolonisation mit den Bakterien und verändere somit die Epidemiologie. Wenn die Kolonisationsrate bei den Kindern aufgrund der Impfung sinkt, gehen nachweislich auch die Erkrankungszahlen in nicht geimpften Gruppen zurück – zumindest bei den 13 enthaltenen Pneumokokkenstämmen. Der Polysaccharid-Impfstoff hat eine höhere Abdeckung, setzt aber nicht bei der Kolonisation an, sondern verhindert lediglich schwere Verläufe. Er wird daher für den Individualschutz von Risikopersonen empfohlen. Dies sind laut STIKO alle Personen über 60 Jahre. Für chronisch Kranke wird eine Impfung mit dem Konjugatimpfstoff gefolgt von einer mit der Polysaccharid-Vakzine empfohlen.
Zuletzt ging Weinke noch auf die relativ neue STIKO-Empfehlung ein, alle Über-60-Jährigen gegen Herpes Zoster (Gürtelrose) impfen zu lassen. Die Impfung stelle ein neues Prinzip dar, denn statt vor einer Infektion zu schützen, verhindere sie eine Reaktivierung des Varicella-zoster-Virus aus Nervenzellen, in denen es nach erfolgter Infektion lebenslang persistiert. Die Grundimmunisierung aller Säuglinge gegen den Windpockenerreger wurde erst 2004 eingeführt. Wer vorher geboren wurde, trägt das Virus mit hoher Sicherheit in sich und kann daher bei schlechter Immunlage oder starkem Stress eine Reaktivierung des Virus erleiden und eine Gürtelrose entwickeln. »Dies wird durch die Herpes-Zoster-Impfung effektiv verhindert«, sagte Weinke. Dabei wird ausdrücklich nur der Totimpfstoff Shingrix® empfohlen. Personen, die aufgrund von Grunderkrankungen ein erhöhtes Risiko für Gürtelrose haben, können die Impfung schon ab einem Alter von 50 Jahren erhalten.