„Ein fatales Signal an die Apothekerschaft“ |
Ev Tebroke |
30.06.2022 14:00 Uhr |
Für die Apotheke vor Ort stehen viele Veränderungen ins Haus. Welche das sind, darüber diskutierte die ABDA-Mitglieder auf ihrer Versammlung am 29. Juni in Berlin / Foto: imago images/Future Image
Haushaltsplan 2023, ABDA-Strukturanalyse, pharmazeutische Dienstleistungen und das GKV-Spargesetz: Es gab viel zu diskutieren auf der ABDA-Mitgliederversammlung (MV), die am 29. Juni in Berlin stattfand – erstmals wieder in Präsenz. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zeigte sich im Nachgang erfreut, über die mehrheitliche Zustimmung der Mitglieder zum Haushalt und dem Entwurf für 2023. Es sei insgesamt eine sehr transparente Darstellung und intensive Diskussion der Positionen und Projekte gewesen, für die im kommenden Jahr Finanzbedarf besteht. »Eine überwältigend große Mehrheit hat dem Haushaltsansatz heute zugestimmt«, unterstrich sie gegenüber der Presse im Anschluss an die Gremiensitzung. Das gebe der ABDA-Arbeit eine gute Rückendeckung.
Was den zweiten Themenkomplex, die ABDA-Strukturanalyse, betrifft, verwies Overwiening auf einen ABDA-Konvent vom 18. Mai dieses Jahres. In der damals besprochenen Version waren bereits Vorschläge und Kritikpunkte aus der ersten Präsentation im Jahr 2021 berücksichtigt. Nun gehe das Ganze in die Gremienberatung, wo die Inhalte zur ABDA-Reform erneut modelliert und optimiert werden sollen. Ziel sei es, eine schlankere und agilere Organisationsstruktur der ABDA zu schaffen, »damit wir künftig schneller politisch reagieren können«, so Overwiening. Der Gremienprozess soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, so der Plan. Die veränderte Organisationsstruktur soll dann ab der nächsten Amtsperiode, also in 2,5 Jahren, greifen.
Hinsichtlich der pharmazeutischen Dienstleistungen, die die Apotheken seit dem 10.Juni aufgrund des Schiedsspruchs anbieten dürfen, sprach Overwiening von einem »Quantensprung« für die Apothekerschaft und die Patientenversorgung. Apotheken könnten damit deutlich mehr Patientennähe erzeugen. Um die abgesegneten fünf Dienstleistungen optimal umsetzen zu können, bedürfe es nun noch viel Engagement, insbesondere der ABDA, aber auch der Kammern und Verbände, damit es in der Apotheke vor Ort zum Erfolg geführt werden kann, so die ABDA-Präsidentin.
Einen sehr großen Diskussionsanteil in der Mitgliederversammlung hatten laut Overwiening dann vor allem die nun vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) veröffentlichten ersten Eckpunkte für ein geplantes Sparprogramm zugunsten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ausgehend von einem geschätzten GKV-Finanzdefizit von 17 Milliarden Euro will Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) an zahlreichen Stellschrauben im Gesundheitswesen drehen. Demnach sind im Pharmabereich insgesamt Einsparungen in Höhe von 3 Milliarden Euro vorgesehen. Auch bei den Apotheken sollen »Effizienzreserven« gehoben werden, so der Minister. Auf Nachfrage beim BMG-Pressetermin hatte Lauterbach die »Leistungserbringer« zwar explizit von Honorarkürzungen ausgenommen, hier sei kein »Spielraum«. Er hatte aber nur Ärzte und Kliniken zu dieser Gruppe gezählt. Von den Apotheken würde er »im Gegensatz« einen »entsprechenden Beitrag« erwarten. Details gab es aber noch keine.
Overwiening zeigte sich empört über dieses »fatale Signal an die Apothekerschaft«. Apotheken seien Heilberufler und Leistungserbringer. In der MV habe sie Lauterbach nun direkt angesprochen. »Herr Lauterbach, wir Apotheken gehören zu den Leistungserbringern. Wir gehören zur versorgenden Infrastruktur.« Die Apotheken seien weitestgehend von der Preisdynamik der Arzneimittel abgekoppelt. Sie für den Ausgabenanstieg in der GKV mitverantwortlich zu machen, zeuge von einer »nicht differenzierten Betrachtung«. Die Apotheker erhielten einen festen Honorarbetrag je Rx-Arzneimittel, seien aber seit Langem von jeder Kostenentwicklung abgekoppelt, die Einnahmen aus dem Topf der GKV seit Jahren »zu Unrecht« eingefroren. Mittlerweile sei der Wertschöpfungsanteil der Apotheken am GKV-Kuchen nur noch bei 1,9 Prozent. »Herr Minister, was wollen Sie da noch kürzen?«, so die ABDA-Präsidentin.
In Zusammenarbeit mit den Mitgliedern habe man nun einen Brief an Lauterbach formuliert, in dem die Apothekerschaft genau diese Botschaften übermitteln wolle. »Es ist schwer zu ertragen, dass ein Gesundheitsminister so mit einem Heilberufler umgeht«, sagte Overwiening.
Für Unmut sorgt demnach auch die Tatsache, dass es bislang trotz mehrfacher Anfragen der ABDA-Spitze noch kein persönliches »Kennenlern-Gespräch« mit dem Minister gab. Lauterbach sehe die ABDA offenbar lediglich als Lobbyorganisation, die nur an ihre wirtschaftlichen Interessen denkt und nicht als Verband, der die Gesundheitsversorgung im Fokus hat.