Drittes Fumarat im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
07.10.2025 07:00 Uhr |
Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass vorübergehendes Erröten der Haut oder Hitzegfühl (»Flush«) eintreten kann. Die Einnahme von 75 mg Acetylsalicylsäure (ASS) 30 Minuten vor der Anwendung von Tegomilfumarat kann das Flushing mindern. Eine langfristige Anwendung von ASS wird jedoch nicht empfohlen.
Nach der Markteinführung von Tecfidera wurden Fälle von Anaphylaxie beziehungsweise allergischen Reaktionen berichtet. Typische Symptome sind Atemnot, niedriger Blutdruck, Schwellungen (Angioödem), Ausschlag oder Nesselsucht. Zudem kam es unter der Behandlung zu Herpes zoster und anderen Infektionen. Die Patienten sind anzuweisen, bei Symptomen einer Infektion, auch mit Blick auf eine PML, sofort einen Arzt aufzusuchen.
Tegomilfumarat wurde nicht in Kombination mit immunsuppressiven oder antineoplastischen Therapien untersucht, weshalb hier Vorsicht geboten ist. Auch die gleichzeitige Anwendung anderer Fumarsäureester (systemisch oder topisch) sollte vermieden werden. Totimpfstoffe können unter der Behandlung mit Riulvy in Betracht gezogen werden; Lebendimpfstoffe sind hingegen nicht empfohlen. Vorsicht ist zudem bei gleichzeitiger Gabe nephrotoxischer Substanzen wie Aminoglykosiden, Lithium oder nicht steroidalen Antirheumatika geboten. Diese können das Risiko renaler Nebenwirkungen unter Tegomilfumarat erhöhen.
Während der Schwangerschaft sollte Tegomilfumarat aus Vorsichtsgründen nicht angewendet werden. Ob Tegomilfumarat in die Muttermilch übergeht, ist nicht bekannt. Bei der Entscheidung, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung mit Tegomilfumarat verzichtet werden soll, ist der jeweilige Nutzen gegeneinander abzuwägen.
Tegomilfumarat ist als Hybridarzneimittel zu Tecfidera zugelassen. Die Bioäquivalenz wurde in drei Studien unter nüchternen Bedingungen sowie zusammen mit fett- und kalorienarmen (leichte Mahlzeit oder Snack) sowie fett- und kalorienreichen Mahlzeiten nachgewiesen. Alle drei Studien hatten ein ähnliches Design und wurden an ähnlichen Studienpopulationen mit männlichen und weiblichen Probanden durchgeführt. Demnach entsprechen 174 mg Tegomilfumarat 120 mg Dimethylfumarat und 348 mg Tegomilfumarat 240 mg Dimethylfumarat.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Hitzegefühl sowie gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen, die vor allem zu Therapiebeginn auftreten.
Das Tegomilfumarat-haltige Präparat Riulvy® ist das nächste Fumarat für die MS-Therapie und ein Hybridarzneimittel von Tecfidera®, in dem Dimethylfumarat enthalten ist. Hinsichtlich des Einsatzgebiets bietet Tegomilfumarat keinen Vorteil gegenüber Dimethylfumarat. Auch der Wirkmechanismus beinhaltet nichts Neues. Wie Dimethylfumarat entfaltet auch Tegomilfumarat seine Wirkung über den aktiven Hauptmetaboliten Monomethylfumarat. Die Zulassung erfolgte aufgrund von Bioäquivalenzstudien. Es ist davon auszugehen, dass Tegomilfumarat eine ähnliche Wirksamkeit aufweist wie Dimethylfumarat. Das Prodrugdesign, das die Freisetzung von Methanol reduzieren soll, kann die gastrointestinale Verträglichkeit verbessern. Magen-Darm-Nebenwirkungen sind aber auch bei Tegomilfumarat immer noch sehr häufig. Ein wirklicher Therapiefortschritt ist nicht erkennbar und Tegomilfumarat damit vorläufig als Analogpräparat einzustufen.
Sven Siebenand, Chefredakteur