dm geht bei Gesundheitsvorsorge in die Offensive |
Cornelia Dölger |
25.08.2025 14:00 Uhr |
Haut-, Augen- oder Blutchecks sowie Prävention über Eigenmarken-Selbsttests: Drogerieriese dm stößt in die Gesundheitsversorgung vor. / © Imago/NurPhoto
Schon länger war klar, dass dm stärker in den Gesundheitsmarkt einsteigen möchte, etwa will er ab Herbst von Tschechien aus OTC-Artikel versenden – den angepeilten Termin bestätigte dm jetzt gegenüber der PZ. Ausgewählte dm-Mitarbeitende hätten bereits erste Testpäckchen erhalten. »Damit testen und prüfen wir die Prozesse und Abläufe. Den offiziellen Starttermin planen wir weiterhin für die zweite Jahreshälfte«, so Sebastian Bayer, dm-Geschäftsführer Marketing und Beschaffung. Auch dm-Konzernchef Christoph Werner sagte im Interview mit dem Manager Magazin, dass es im Herbst losgeht.
Bayer hatte bereits 2023 angekündigt, dass das Unternehmen auch in der Gesundheitsvorsorge ein zukunftsträchtiges Feld sieht. Angesichts des Wandels im Gesundheitswesen und einer immer älter werdenden Gesellschaft steige die Relevanz von Produkten und Dienstleistungen, die einen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge leisteten, so Bayer damals. Vorige Woche machte der Drogerieriese nun öffentlich, dass er über seine Eigenmarke Mivolis stärker in der Prävention mitmischen möchte.
Das Sortiment der dm-Marke werde ab sofort um fünf Selbsttests mit Laboranalyse ergänzt, ließ das Unternehmen wissen. Analysiert werden Vitamin D, Vitamin B12, Lebensmittel-Reaktionen, Blutzucker und Eisen. Dm verlangt für die Tests 19,95 Euro bis 49,95 Euro (für die Lebensmittel-Reaktion) und arbeitet mit dem Labor Krone zusammen, einem Dienstleister für medizinische Laboranalysen.
Kunden können demnach einen Eigenmarken-Selbsttest in einer dm-Filiale beziehungsweise online kaufen, ihre Probe entnehmen, diese per Post an das Labor schicken und ihr Ergebnis über ein Online-Portal des Labors abrufen. Spätestens nach fünf Werktagen solle ein Ergebnis vorliegen, heißt es. »Mit den neuen Selbsttests unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden bei der eigenverantwortlichen Gesundheitsvorsorge«, so Kerstin Erbe, dm-Geschäftsführerin Produktmanagement, in einer Mitteilung.
Offen lässt dm, an wen Kundinnen und Kunden sich wenden können, wenn ihre Laborergebnisse auffällig sind und eine medizinische Behandlung erfordern. Dieses Problem sehen Ärzteverbände auch bei weiteren neuen Angeboten des Drogeriemarkts. Seit August bewirbt dm auf seiner Website Augen- und Blutchecks sowie eine KI-gestützte Hautanalyse. Derzeit läuft die Pilotphase in ausgewählten dm-Märkten.
Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) warnt vor dem Angebot. »Schon die vermeintlich KI-generierte Hautanalyse sollte mit großer Vorsicht betrachtet werden«, so BVDD-Präsident Ralph von Kiedrowski. Ein Selbsttest mit eingereichtem Foto habe eine falsche Diagnose geliefert und gleich vermeintlich passende dm-Produkte offeriert. »So eine Werbe-Verkaufsmasche hat mit Dermatologie nichts zu tun.«
Für »unverantwortlich« hält der Verbandspräsident die zusätzliche Bewerbung des Teledermatologie-Angebots von Dermanostic. Er kritisiert, dass nach einer digitalen Hautanalyse in bis zu 30 Prozent der Fälle eine – analoge – medizinische Behandlung erforderlich werde. Diese lasse das Angebot aber völlig offen. Und: »Mindestens acht bis zehn Prozent der Anfragen sind überhaupt nicht für eine telemedizinische Konsultation geeignet.« Grundsätzlich stünden die Ärzte innovativen Versorgungsmodellen und digitalen Lösungen offen gegenüber, »aber dieses Projekt hilft nicht, die Versorgung Hautkranker zu verbessern«, betont der BVDD-Präsident.
Ähnlich skeptisch sind die Augenärzte. Sie sehen unter anderem die Bewerbung des KI-Einsatzes bei den angebotenen »Augenscreenings« kritisch; dieser werde unzureichend definiert. »Wie genau die Auswertung verläuft, auf welche Metadaten die KI zurückgreift und in welcher Weise diese die Auswertung prägen, ist so nicht zu beurteilen. Fakt ist: KI-Unterstützung kann hilfreich sein, ist jedoch kein Garant für korrekte Ergebnisse und kein validierter Standard in der Medizin und bei Screenings«, so Daniel Pleger, erster Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA).
Eine Entlastung des Gesundheitssystems böten die Angebote hingegen nicht, denn spätestens bei auffälligen – oder fehlerhaften – Testergebnissen würden Patientinnen und Patienten »zusätzliche Termine in den Augenarztpraxen in Anspruch nehmen, die für andere Patienten wichtiger sein könnten«. Pleger mutmaßt, man möchte hier »anscheinend schnell einen wirtschaftlichen Markt erschließen«.
Dm seinerseits pocht auf die Expertise seiner Partner. Neben Dermanostic für die Hautanalyse sind das Aware Health, ein Healthtech-Unternehmen, das sich auf Blutanalysen spezialisiert hat, sowie Skleo Health, ein Startup mit dem Schwerpunkt KI-gestütztes Screening zur Früherkennung von Augenerkrankungen. Dm-Geschäftsführer Bayer betont: »Uns ist die Qualität aller Gesundheitsdienstleistungen besonders wichtig.« Die Blutabnahme erfolge »durch medizinisch versierte Fachkräfte unseres Partners Aware Health«. Für das Augenscreening würden dm-Mitarbeitende durch Fachkräfte von Skleo Health geschult.
Die Auswertung und Zusendung der Ergebnisse erfolge ebenfalls durch Skleo Health. Die KI-Hautanalyse führten Kundinnen und Kunden eigenständig in der Dermanostic-App oder am Self Service-Terminal im dm-Markt durch. Der telemedizinische Online-Service werde von Dermatologinnen und Dermatologen von Dermanostic durchgeführt. Die Ergebnisse würden von Ärztinnen und Ärzten der Partner sowie qualifizierten medizinischen Fachkräften ausgewertet beziehungsweise beraten, betont Bayer. »Sie geben Kundinnen und Kunden eine Empfehlung und verweisen bei Bedarf auf die Vorstellung bei dem/der Haus- oder Facharzt/ -ärztin.«
Während von Ärzteseite also viel Kritik an den neuen Angeboten aufkommt, sehen andere die dm-Pläne als willkommene Gegenbewegung, um »die Medizin-Kartelle« zu »zerschlagen«. Ärzte und Apotheker seien »vom Staat beschützte Unternehmer - auf Kosten der Bürger«. Und: »Statt kritisiert, gehören Wettbewerbstreiber wie dm gefeiert – es braucht mehr Wettbewerb um die Gesundheit der Deutschen. Nicht weniger«, heißt es in einem Meinungsbeitrag für die »Welt am Sonntag«. Schließlich hätten die strikten Regulierungen, die stets mit dem Schutz der Versorgung gerechtfertigt würden, nicht verhindert, dass es immer weniger Ärzte und Apotheken gebe. Mehr Deregulierung und Angebote wie von dm seien die Lösung, meint der Autor.