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Interdisziplinäres Forschungsprojekt

Die Sprache der Rezepte

Nach vier Jahren interdisziplinärer Forschungsarbeit wurde das Projekt »Durch das Artefakt zur infra structura« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) abgeschlossen. Verbundpartner aus drei Universitäten und dem Deutschen Apotheken-Museum untersuchten das Arzneimittelrezept vom 17. Jahrhundert bis heute.
Barbara Simon
19.10.2022  12:30 Uhr

Der Titel des Forschungsprojekts »Durch das Artefakt zur infra structura – Das Arzneimittelrezept als Zugang zur Gestaltung gesellschaftlicher Infrastruktur« war Programm. Vier Jahre lang haben sich Wirtschaftshistoriker und -informatiker der RWTH Aachen und der WWU Münster, das Institut für Pharmaziegeschichte der Philipps-Universität Marburg und das Deutsche Apotheken-Museum (DAM) Heidelberg mit dem Thema beschäftigt. Unter dem Titel »Die Sprache der Objekte« hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Förderung ­interdisziplinärer Forschung zwischen Universitäten und Museen finanziert und damit auch die Anregung für die Verbundpartner gegeben, das »Artefakt« Arzneimittelrezept und seinen gesellschaftlichen Kontext zu beleuchten.

Das DAM hat den Quellenpool als Grundlage für die Untersuchungen im Rahmen des Projekts zusammengetragen. Die Basis bildete die umfangreiche museumseigene Sammlung mit fast 2000 Einzelrezepten. Die Rezeptsammlungen von vier weiteren pharmaziehistorischen Museen erweiterten den Datenpool: die Sammlung der Winkler’schen Stadtapotheke in Innsbruck, das Pharmaziemuseum Brixen sowie die Sammlungen der Einhorn-Apotheke in Weissenburg in Bayern und des Museums Arzneyküche in Bönnigheim.

Das Rezept als Informations-Infrastruktur

Die digitalisierten Rezepte wurden für die weitere Forschung in eine Datenbank eingegeben, wodurch ein Datenpool mit circa 12.000 Datensätzen entstand. Regional ist die Datenbasis durchaus repräsentativ; chronologisch endet sie mit der Einführung der EDV-gestützten Verarbeitung der Apotheken, durch die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum noch Rezepte in der Apotheke verblieben.

Eine repräsentative Auswahl aus verschiedenen Jahrhunderten wurde im Institut für Pharmaziegeschichte in Marburg transkribiert und formal und inhaltlich weiter erforscht. Schwerpunkt der Untersuchungen von wirtschaftshistorischer Seite in Münster und Aachen war der gesellschaftliche Kontext des Arzneimittelrezepts.

Die formalen Veränderungen in den Rezepten wurden auch durch die wachsende Anzahl der Akteure bestimmt. Die Triade Arzt – Apotheker – Patient wurde durch Kostenträger wie kommunale Fürsorgeeinrichtungen, Krankenvereine und die Krankenversicherungen erweitert, sodass immer mehr Daten zu den Handelnden benötigt wurden. Die Bedürfnisse der Krankenkassen fanden bereits kurz nach deren Gründung 1883 ihren Niederschlag in den immer stärker formalisierten Rezeptformularen, die von den Kassen eingeführt wurden. Der Beginn der EDV-gestützten Verarbeitung der Arzneimittelrezepte brachte weitere Vorschriften zum Inhalt der ärztlichen Verschreibung mit sich, die vom Apotheker geprüft werden müssen.

Die Projektergebnisse werden in einer gemeinsamen Publikation zusammengefasst, deren Erscheinen 2023 im Govi-Verlag/Avoxa-Medien­gruppe geplant ist. Die entstandene Datenbasis soll außerdem Teil einer geplanten Forschungsdatenbank für Rezepte am Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin werden. Ausgewählte Beispiele werden demnächst auf der Website des Deutschen Apotheken-Museums veröffentlicht.

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