Die doppelte Doppelhelix |
Laura Rudolph |
11.02.2022 10:30 Uhr |
Die klassische Doppelhelix-Struktur der Erbinformation ist schon seit Jahrzehnten bekannt, seltenere DNA-Strukturen hat man erst kürzlich entdeckt. / Foto: Fotolia/Serg Nvns
Bereits 1953 entdeckten Molekularbiologen die DNA-Doppelhelix. Heute ist bekannt, dass DNA auch andere Konformationen wie etwa eine Vierfachhelix-Struktur einnehmen kann. Diese sogenannten G-Quadruplexe (G4) sind guaninreiche Nukleinsäure-Abschnitte, die bisher in vitro und vereinzelt in lebenden Zellen beobachtet wurden. Allerdings unterlag der In-vivo-Nachweis bisher zahlreichen Störfaktoren – entweder führte die Detektionsmethode zum Zelltod oder hohe Konzentrationen der Detektionssubstanzen störten die natürliche G4-Bildung der Zelle. Einem Forscherteam um Dr. Marco Di Antonio von der University of Cambridge in Großbritannien gelang es 2020 erstmals, G4 in einzelnen Zellen mithilfe eines hocheffektiven Fluoreszenzmarkers in Echtzeit zu detektieren. Seine Ergebnisse veröffentlichte es im Juli 2020 im Fachjournal »Nature Chemistry« (DOI: 10.1038/s41557-020-0506-4).
Der Einsatz des Fluoreszenzmarkers, von dem nur nanomolare Konzentrationen benötigt werden, erlaubt die Lokalisation und die Beobachtung der Dynamik zwischen Bildung und Auflösung der G4 in der Zelle. Im menschlichen Genom sind diese Strukturen häufig in regulatorischen Sequenzen und in den für die Zellteilung essenziellen Schutzkappen der Chromosomen, den Telomeren, zu finden. Die Forschenden konnten beobachten, dass sich die Strukturen in der Zelle sehr schnell bildeten und ebenso schnell auflösten. Diese Dynamik deute darauf hin, dass sich G4 nur bilden, um eine bestimmte Funktion in der Zelle zu erfüllen, und dass sie sich »nach getaner Arbeit« wieder zurückbildeten, so die Forscherinnen und Forscher.
Guaninreiche DNA-Regionen können quadratische Strukturen, sogenannte Quadruplexe, bilden. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Sie vermuten, dass die biologische Funktion der G4-Strukturen unter anderem im Offenhalten eines DNA-Stranges liegen könnte, um wichtige Stoffwechselprozesse wie die Transkription räumlich zu erleichtern. Ein zu langes Existieren der G4-Stuktur könnte dagegen toxisch für die Zelle sein. Auffällig ist, dass die Quadruplexe vermehrt in Krebszellen zu finden sind, was sie zu einem interessanten onkologischen Forschungstarget macht. »Wir wissen, dass G-Quadruplexe in Krebszellen häufiger vorkommen. Jetzt können wir untersuchen, welche Rolle sie spielen und wie man sie blockieren kann, um möglicherweise neue Therapien zu entwickeln«, erklärt Di Antonio in einer Pressemitteilung des Imperial College London.