Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Weihnachtsvorlesung zu Demenz
-
Die Beach Boys vom Main

Fortbildung mit Entertainment-Faktor: Dafür steht seit zwanzig Jahren die »Weihnachtsvorlesung« an der Universität Frankfurt am Main. Diesmal beleuchteten die Pharmazieprofessoren Dr. Theo Dingermann und Dr. Dieter Steinhilber die Demenzerkrankung von Beach Boy Brian Wilson.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 22.12.2025  18:00 Uhr

Brian Wilson, kreativer Kopf und charakteristischer Stimmgeber der Beach Boys, ist im vergangenen Sommer 82-jährig verstorben. Seit Jahren litt er an neurokognitiven Störungen. »Wilson war aber vermutlich nicht an Alzheimer erkrankt, also jene Ausprägungsvariante, die den Hauptteil der Demenzformen ausmacht. Denn während er die Namen von Familienmitgliedern vergessen hatte, konnte er sämtliche Akkorde seiner berühmtesten Hits und Alben nach wie vor spielen. Und das ist für eine Alzheimer-Demenz eher ungewöhnlich«, erklärte Steinhilber die biografischen Eckdaten »eines der bedeutendsten Songwriter und Musikproduzenten des 20. Jahrhunderts«.

Eine Alzheimer-Demenz entwickelt sich kaskadenartig. Sie macht sich durch leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns bemerkbar und wird in diesem Anfangsstadium als leichte kognitive Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI) bezeichnet. »Das Problem: Kommt es zu ersten neurokognitiven Leistungseinbußen, sind bereits 70 Prozent der Neuronen abgestorben. Die pathologischen Prozesse im Hirn gehen der Symptomatik um 15 bis 20 Jahre voraus«, machte Dingermann auf die Tatsache aufmerksam, dass bislang Diagnostik und Therapie den ablaufenden Ablagerungsprozessen im Hirn kräftig hinterherhinken.

Deshalb sind bereits in dieser ersten Symptomphase der MCI im Gehirn der Betroffenen Ablagerungen von β-Amyloid-(Aβ-)Plaques nachweisbar. Diese sind, ebenso wie Fibrillen aus hyperphosphoryliertem τ-Protein, typisch für die Alzheimer-Krankheit. Aβ und τ scheinen zusammen den fortschreitenden Gedächtnisverlust der Patienten wesentlich zu verursachen. Allerdings machte Dingermann auch klar, dass die genauen Mechanismen zwar immer besser verstanden, aber noch längst nicht aufgeklärt sind.

Bisherige Therapien – bestehend aus den Cholinesterasehemmern Donepezil und Rivastigmin sowie dem Glutamat-Antagonisten Memantin – seien bestenfalls eingeschränkt wirksam. »Weil sie nur Symptome behandeln, kommt ihr Einsatz viel zu spät«, so der Referent. »Bisher hatten wir keine Möglichkeiten, den fortschreitenden Untergang der Neuronen zu detektieren. Das ist eine vertane Chance, dieses Zeitfenster zwischen Akkumulation der Proteine bis zu einsetzenden Symptomen nicht zu nutzen. Hier ist die Forschung gefordert.«

Mehr von Avoxa