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Weihnachtsvorlesung zu Demenz
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Die Beach Boys vom Main

Fortbildung mit Entertainment-Faktor: Dafür steht seit zwanzig Jahren die »Weihnachtsvorlesung« an der Universität Frankfurt am Main. Diesmal beleuchteten die Pharmazieprofessoren Dr. Theo Dingermann und Dr. Dieter Steinhilber die Demenzerkrankung von Beach Boy Brian Wilson.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 22.12.2025  18:00 Uhr

Therapien mit Perspektiven

Auch auf dem Gebiet der Behandlungsoptionen ist die Arzneimittelforschung ein gutes Stück vorangekommen. Die Zulassung zweier monoklonaler Antikörper vor wenigen Monaten zeugte laut Dingermann davon: Lecanemab (Leqembi®) und Donanemab (Kisunla®) zur Behandlung leichter kognitiver Störung und leichter Alzheimer-Krankheit. »Zwar bedeuten beide sicherlich nicht den ganz großen Durchbruch. So sieht etwa das IQWIG bei Lecanemab keinen nachgewiesenen Zusatznutzen zum bisherigen Therapiestandard. Dennoch orientiert sich der Therapieansatz mehr am eigentlichen Pathologiegeschehen.«

Beide gegen Aβ gerichteten Antikörper sind in der Lage, Plaques bei Patienten mit Alzheimer aufzulösen. Die Anwendung kann bei Patienten in der Frühphase der Erkrankung den kognitiven Abbau verlangsamen. Anders als Lecanemab greift Donanemab nicht an Aβ, sondern an dessen N3-Pyroglutamat (N3pG) an. Dieses ist Bestandteil der Plaques, weshalb sich die Ablagerungen unter Donanemab rasch auflösen. Dagegen verhindert Lecanemab in erster Linie die Neubildung von Plaques und führt nur sekundär zu deren Abbau. Donanemab räumt die Plaques somit schneller ab als Lecanemab.

Infolge des Abbaus der Aβ-Plaques kann es unter beiden Antikörpern zu Ödemen und potenziellen Blutungen im Gehirn kommen, die durch vaskuläre Entzündungen verursacht werden und tödlich sein können (Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien, ARIA-E beziehungsweise ARIA-H). Homozygote Träger des Gens ApoEε4, die ein besonders hohes Risiko für ARIA haben, sind von der Anwendung ausgeschlossen. Vor und während der Anwendung sind häufige Kontrollen im MRT vorgeschrieben. »Welche Patienten für die Antikörper überhaupt infrage kommen, ist so aufwendig zu selektieren, dass es ein Hinderungsgrund ist, solche Therapien im niedergelassenen Bereich zu etablieren«, ist Dingermann skeptisch.

Auch auf ein weiteres Problem machte er aufmerksam: Weil die Blut-Hirn-Schranke eine nahezu unüberwindbare Barriere darstellt, müssen die beiden therapeutischen Antikörper hoch dosiert gegeben werden und erreichen dennoch nur geringe Gewebskonzentrationen im Gehirn. Hier scheinen sich aber Fortschritte abzuzeichnen, wie er darlegte: Eine breit einsetzbare Plattform-Technologie erlaubt es seit Kurzem, die unzureichende Penetration durch die Blut-Hirn-Schranke zu verbessern und zugleich das Risiko für ARIA zu reduzieren. Eine Schlüsselrolle spielten dabei auf Hirnendothelzellen exprimierte Transferrin-Rezeptoren (TfR).

Die Zukunft der Alzheimer-Therapie sieht er in der regenerativen Medizin, bei der per Zelltherapie schadhafte Zellen ersetzt werden. Aktuelle Forschungsergebnisse deuteten jedenfalls daraufhin, dass eine gezielte Beeinflussung der Mikroglia einen gewissen Schutzfaktor vor Alzheimer bringen könnte. »Die Wissenschaftler vermuteten, dass bestimmte somatische Mutationen im Blutsystem, die bei Personen mit Trisomie 21 häufiger auftreten, die Mikroglia widerstandsfähiger gegen Alzheimer-typische τ-Proteine machen könnten. Und so war es dann auch: Bei Mäusen, denen die veränderte Mikroglia mit der mutierten Rezeptoruntereinheit eingesetzt wurde, konnten effizient τ-Proteine wie ein Staubsauger abgeräumt werden. Zusätzlich wurden auch die Umgebungszellen positiv konditioniert«, stellte Dingermann die aktuellen Studienergebnisse vor.

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