»Die Apotheker bereiten uns weniger Sorgen als die Ärzte« |
Laut Gematik-Chef Markus Leyck Dieken sorgen insbesondere Verspätungen bei den Softwarehäusern der Ärzteschaft dafür, dass das E-Rezept-Modellprojekt erst im Spätsommer Fahrt aufnehmen kann. / Foto: PZ/Philipp Külker
PZ: Herr Leyck Dieken, die Gematik war gesetzlich dazu verpflichtet, bis zum heutigen Donnerstag die technischen Komponenten rund um das E-Rezept zur Verfügung zu stellen. Konnten Sie diesen Termin einhalten?
Leyck Dieken: Ja, wir sind kurz vor der Premiere fertig geworden. Die drei Komponenten, nämlich die App zur E-Rezept-Weiterleitung, der Fachdienst und der Fachdienst im Hintergrund sind pünktlich da. Wir können den technischen Ablauf des E-Rezepts seit vorgestern schon komplett durchlaufen.
PZ: Sie hatten ja ebenfalls für den heutigen Donnerstag den Start eines Modellprojekts angekündigt, an dem sich bis zu 120 Apotheken und Arztpraxen beteiligen. Nach unseren Informationen geht das Projekt aber zunächst nur mit Tests los, die ersten E-Rezepte werden dann Ende Juli/Anfang August erwartet. Wie kommt es zu dieser Verspätung?
Leyck Dieken: Wir werden das E-Rezept in der ersten Zeit mit Dummies testen. Das Ziel ist es, dass der gesamte Prozess von der Verordnung bis hin zur Abrechnung bei der Krankenkasse reibungslos läuft. Wir geben uns dafür gar nicht so viel Zeit und gehen davon aus, dass wir in der zweiten Julihälfte in das reelle Einlösen von E-Rezepten kommen. Im August wird es dann eine zweite Phase in der Fokusregion geben, in der wir gemeinsam mit 120 Apothekern und Ärzten das E-Rezept testen. Wir achten dabei darauf, dass sich die Apotheken in der Regel in der Nähe zur Arztpraxis befinden. Aber auch einige Versender, die Kunden in der Region haben, werden sich beteiligen. Denn wir wollen alle Szenarien, also auch komplette telemedizinische Szenarien, überprüfen können. Denn auch diese sind ein wichtiges Anwendungsfeld des E-Rezepts in der Zukunft.
PZ: Aber nochmal zurück: Die Apotheken aus der Region konnten sich in den vergangenen Wochen für die Projektteilnahme bewerben. Wann konkret können alle 120 Apotheken in das Projekt einsteigen? Und welche Hindernisse gibt es noch?
Leyck Dieken: Viel hängt noch mit den Software-Lösungen der ausstellenden Arztpraxen zusammen. Die Apothekerschaft ist für das Projekt bereit, das sehen wir mit großem Vergnügen. Die Softwarehäuser der Ärzteschaft brauchen allerdings noch etwas Unterstützung von uns. Wir gehen davon aus, dass Ende Juli/Anfang August immer mehr Software-Anbieter in der Lage sein werden. Hierfür brauchen wir aber von der KBV zertifizierte Software-Systeme.
PZ: Wie viele Arztpraxis-Softwareanbieter sind denn – Stand heute – bereit für das E-Rezept?
Leyck Dieken: Bis zum heutigen Tag wurde ein Arzt-Software-Hersteller zugelassen. Bis Ende Juli sollten es dann schon eine Handvoll von Anbietern sein. Mit großem Bedauern sehen wir aber, dass viele Softwarehäuser den Starttermin, also der 1. Januar, als Liefertermin betrachten. Dementsprechend werden die meisten großen Anbieter erst im Herbst bereit sein.
PZ: Wie sieht es bei den Apotheken-Dienstleistern aus? Sind die schneller bereit?
Leyck Dieken: Ja, schon kurz nach Start des E-Rezept-Modellprojekts werden beispielsweise acht Rechenzentren bereit sein. Wir machen uns um die Bereitschaft des Apothekenmarkts und der Apothekerschaft weit weniger Sorgen als um die Ärzte.
PZ: Für die digitale Weiterleitung der E-Rezepte soll die Smartphone-App der Gematik dienen. Allerdings werden diese nur wenige GKV-Versicherte komplett nutzen können, weil es ein sehr kompliziertes Identifizierungsverfahren dahinter gibt. Die Versender reagieren nun darauf und bieten ihren Kunden an, dass die Ausdrucke des E-Rezepts einfach per Foto an sie geschickt werden können. Wie kommentieren Sie es, dass die eigentliche, digitale Idee hinter dem neuen E-Rezept-System durch die Foto-Apps der Versender umgangen wird?
Leyck Dieken: Die Idee hinter dem E-Rezept ist, dass Versicherte eigenständig entscheiden können, wo sie ihre Rezepte einlösen. Sie können die Apotheke und auch den Weg – digital oder analog – frei wählen. Mit dieser Wahlfreiheit wird eine unsachgemäße Zuweisung an eine bestimmte Apotheke unterbunden. Gesetzlich Versicherte benötigen für die Nutzung des E-Rezepts eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (EGK) und eine PIN ihrer Krankenkasse. Die Krankenkassen werden in den kommenden Quartalen diese weiter ausstellen und ihre Versicherten informieren. Schon jetzt kann sich jede/r Versicherte bei Interesse bei ihrer bzw. seiner zuständigen Krankenkasse melden und eine NFC-fähige EGK und eine PIN beantragen. Nach einer Übergangsphase werden die Vorteile der E-Rezept-App der Gematik ersichtlich. Die Gematik arbeitet zudem an Alternativen zur Authentisierung mit Krankenkassen zusammen und wird voraussichtlich im dritten Quartal dieses Jahres die Spezifikationen dazu bereitstellen.
PZ: Auch die Krankenkassen würden die E-Rezept-Weiterleitung gerne in ihre (EPA-) Apps integrieren. Gesetzlich ist bislang eine strikte Trennung beider Welten vorgesehen. Wie kommentieren Sie diesen Wunsch? Welche Probleme sehen Sie bei einer möglichen Integration des E-Rezepts in die Kassen-Apps?
Leyck Dieken: Das erscheint auf den ersten Blick ein recht sinnvoller Wunsch zu sein. Beide Anwendungen beziehen den Patienten eng in den medizinischen Versorgungsprozess ein. Langfristig sollen die Informationen zu abgegebenen Medikamenten in einer Arzneimittel-Liste nach der Abgabe durchaus in der elektronischen Patientenakte und somit in den von den Krankenversicherungen bereitgestellten Apps für Patienten einsehbar sein. Die Gematik setzt gesetzliche Vorgaben um. Das E-Rezept weckt unterschiedliche Erwartungen, in welchen Heimathäfen es angedockt werden soll. Dabei haben Apotheken wahrscheinlich andere Vorstellungen als beispielsweise Krankenkassen. Daher ist es wichtig, den Versicherten die Wahl zu lassen. Außerdem haben wir in Pilotprojekten beobachtet, dass im Ablauf sogenannte versorgungssteuernde Maßnahmen integriert werden sollten. Das sehen wir hier in der Gematik kritisch.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.