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BEAT-COV

Deutsche Start-ups entwickeln Corona-Wirkstoffe

Vier deutsche Biotech-Unternehmen haben potenzielle Arzneistoffe gegen SARS-CoV-2 in der Entwicklung. Sie haben sich in der Initiative BEAT-COV zusammengeschlossen und fordern finanzielle Unterstützung, um die Wirkstoffe zur Marktreife zu bringen. Wir stellen die Kandidaten vor.
Daniela Hüttemann
11.12.2020  12:00 Uhr

BEAT-COV steht für Biotech Emergency Alliance for Therapies against Covid-19. Dazu haben sich vier mittelständische deutsche Unternehmen zusammengeschlossen: Aicuris Antiinfective Cures aus Wuppertal, Atriva Therapeutics aus Tübingen, Immunic Therapeutics aus Gräfelfing und Infla-Rx aus Jena. »Wir können lebenswichtige Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten zur Verfügung stellen, aber wir benötigen signifikante Unterstützung bei der Finanzierung der Entwicklungs- und Produktionskosten – jetzt«, forderten die Firmen vergangene Woche.

»Derzeit gibt es keine zugelassenen Medikamente, die ausreichend wirksam sind und das Virus sowie die höchst unterschiedlichen Krankheitsverläufe und -symptome adressieren«, erklärte Dr. Daniel Vitt, Geschäftsführer von Immunic bei einer Pressekonferenz der Initiative. Die angeschlossenen Unternehmen wollen hier verschiedene vielversprechende Substanzen nun in größerem Rahmen klinisch testen. Doch solche Studien sind sehr kostenintensiv, insbesondere in der entscheidenden Phase III, und das finanzielle Risiko bei einem Misserfolg ist groß. »Erste sehr ermutigende Ergebnisse haben uns in Anbetracht der dramatischen Situation sehr angespornt«, so Dr. Rainer Lichtenberger, Mitgründer und Geschäftsführer von Atriva Therapeutics. Die Medikamentenkandidaten der BEAT-COV-Initiative seien in ihrer Entwicklung bereits weit fortgeschritten und erfolgversprechend.

Die vier Unternehmen der Initiative hätten jeweils nur 20 bis 70 Mitarbeiter und bislang keine signifikanten Umsätze, die bisherige Finanzierung durch private Investoren, Venture-Kapitalfonds oder Börsennotierung seien für die ursprünglich geplanten Entwicklungsprogramme in unterschiedlichen Indikationen vorgesehen gewesen. Mit der Neuausrichtung auf Covid-19 seien sie in Vorleistung getreten, bräuchten nun jedoch weitere Unterstützung, vor allem für die Studiendurchführung und den Aufbau von Produktionskapazitäten.

»Wir wollen die notwendigen klinischen Studien schnellstmöglich zu Ende führen, um schwerkranken Patienten und den behandelnden Ärzten so schnell wie möglich wirksame Therapieoptionen anbieten zu können«, so Professor Dr. Niels C. Riedemann, Gründer und Geschäftsführer von Infla-Rx. »Wir empfehlen die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 500 bis 750 Millionen Euro zur Finanzierung von fortgeschrittenen und erfolgversprechenden Therapievorhaben«, ergänzte Dr. Holger Zimmermann, wissenschaftlicher Geschäftsführer von Aicuris.

Aicuris: Immunmodulator auf Basis von Parapocken

Aicuris wurde 2006 als Spin-Off der Bayer AG gegründet und forscht an neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten. Dabei sollen sowohl neue antivirale Mittel und resistenzbrechende Antibiotika als auch solche Arzneistoffe entwickelt werden, die die Immunabwehr gegen Erreger stärken. Das ist auch das Prinzip des neuartigen Immunmodulators AIC649. Dabei handelt es sich um eine inaktivierte Parapoxvirus-Partikelzubereitung, die die Immunreaktion auf andere Viren stärken soll. Parapoxviren kommen in verschiedenen Säugetierarten vor. Manche können vom Tier auf den Menschen übertragen werden, zum Beispiel das Orf-Virus von Rindern, welches sogenannte Melkerknoten auslöst, und das Ecthyma-contagiosum-Virus des Kamels.

Aicuris hofft auf ein Breitband-Virostatikum zur Erstlinientherapie sowohl in der Corona-Pandemie als auch in möglichen nachfolgenden Pandemien mit anderen Viren. Ursprünglich entwickelt wurde AIC649, um Hepatitis-B-Infektionen zur Heilung zu bringen. Hier legte das Unternehmen im April 2019 erste klinische Daten vor. In der Phase-I-Studie mit Patienten mit chronischer Hepatitis B erwies sich eine einmalige intravenöse Gabe als sicher und gut verträglich. Aktuell ist eine Pilotstudie mit Covid-19 in Vorbereitung.

Atriva: Mit Kinasehemmern gegen Viren

Atrivas Wirkstoffkandidat ATR-002 ist ein Inhibitor des menschlichen Enzyms MEK (MAPK/ERK-Kinase). Durch die Hemmung dieser Kinase unterbricht die niedermolekulare, oral verfügbare Substanz den intrazellulären RAF/MEK/ERK-Signalweg, den sich RNA-Viren für ihre Replikation zunutze machen. So soll der Export des viralen Genom-Protein-Komplexes, des Ribonukleoproteins (RNP), vom Zellkern ins Zytoplasma verhindert und damit die Bildung neuer Viruspartikel unterbunden werden.

Darüber hinaus soll die proinflammatorische Zytokin-Antwort moduliert werden, um eine überschießende Immunreaktion bei einer Virusinfektion zu dämpfen. Eine MEK-Inhibition reduziert laut Firmenangaben unter anderem die Genexpression von TNF-α, Interleukin 1β und 8 sowie anderer Zytokine.

Da die Substanz an einem Enzym der Wirtszelle angreift und nicht an einer virusspezifischen Struktur, gilt ATR-002 als potenzielles Breitband-Virostatikum gegen RNA-Viren, zu denen neben Coronaviren auch Influenza- und Hantaviren sowie das respiratorische Syncytial-Virus (RSV) gehören. Präklinische Tests an SARS-CoV-2 im Frühjahr liefen vielversprechend.

Als erste Indikation für ATR-002 war Influenza angedacht. Die ersten Ergebnisse präsentierte das Unternehmen bereits im November 2019. Die Substanz erwies sich bei 70 Probanden als sicher und gut verträglich. Eine Phase-II-Studie mit hospitalisierten, moderat erkrankten Covid-19-Patienten soll im ersten Quartal 2021 starten, die Phase II als Grippemittel im zweiten Halbjahr 2021.

Immunic: Aktivierte T- und B-Zellen hemmen

Immunic setzte den Fokus auf selektiv wirksame orale immunologische Therapeutika, die gegen Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS), Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Psoriasis zum Einsatz kommen sollen. Auch hier steht bei Covid-19 die überschießende Immunantwort im Fokus. Wichtigster Kandidat ist IMU-838. Die Substanz soll den Metabolismus aktivierter T- und B-Zellen hemmen, indem es das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) blockiert. Wie beim MEK-Inhibitor ATR-002 ist das ein eher universeller Ansatz, der gegen verschiedene Viren und künftige Pandemien hilfreich sein könnte.

Positive Ergebnisse aus der Phase II gab es mit IMU-838 bereits bei Patienten mit schubförmig remittierender MS (RRMS), der häufigsten MS-Form. Es laufen auch Phase-II-Studien mit Patienten, die unter Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn leiden. 

Die Phase-II-Studie CALVID-1 mit moderat erkrankten Covid-19-Patienten läuft bereits in Deutschland und Bulgarien (NCT04379271). Anfang November waren die geplanten 200 Probanden rekrutiert. Die Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2021 vorliegen. Dann soll entschieden werden, ob sich eine Phase-III-Studie anschließen wird.

Infla-Rx: Ein Antikörper greift ins Komplementsystem ein

Auch Infla-Rx will mit seinen Wirkstoffkandidaten akute und chronische Entzündungsreaktionen in den Griff bekommen. Hier sind es monoklonale Antikörper, die ins Komplementsystem, einen Teil des angeborenen Immunsystems, eingreifen. Leitkandidat ist Vilobelimab (IFX-1), der sich gegen die Komplementkomponente C5a richtet. Da sich der Antikörper in anderen Indikationen bereits in klinischen Studien befand, konnte Infla-Rx schon Ende März eine klinische Studie mit 30 Covid-19-Patienten mit schwerer, fortgeschrittener Lungenentzündung starten.

Mitte Juni lagen die Ergebnisse der Phase-II/III-Studie vor, die eine Fortsetzung in Phase III ab Mitte Juli rechtfertigten. Die Rekrutierung für den Phase-III-Teil der Studie mit dem Kürzel PANAMO mit 360 intubierten Patienten in den Niederlanden und Deutschland läuft noch (NCT04333420). Sobald die Ergebnisse der ersten Hälfte der Patienten vorliegt, soll es eine Zwischenanalyse geben. 

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