Der Methylenblau-Hype im Check |
Theo Dingermann |
18.09.2024 16:20 Uhr |
Wie immer gilt es, bei einem unsachgemäßen Gebrauch pharmakologisch aktiver Substanzen besonders auf unerwünschte Wirkungen zu schauen. Als zugelassene Substanz ist Methylenblau toxikologisch umfangreich getestet. Ein sachgemäßer Gebrauch ist daher als akzeptabel verträglich einzustufen.
Ab einer Konzentration von etwa 2 mg/kg Körpergewicht können aber unerwünschte Wirkungen auftreten. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauch- und Brustschmerzen. Zudem können Schwindel und Kopfschmerzen auftreten und für bestimmte Personen ist ein Risiko für eine hämolytische Anämie nicht auszuschließen.
Bei längerfristigem Gebrauch oder auch bei Überdosierung kann es zur Blaufärbung der Haut und Schleimhäute kommen, ein charakteristisches Zeichen einer Methylenblau-Vergiftung. Auch über Störungen des Nervensystems, darunter Krampfanfälle, wurde berichtet. Schließlich bleiben auch die Nieren und die Leber bei längerem Einsatz sehr hoher Methylenblau-Dosen nicht verschont.
Hinzu kommt bei Substanzen, die im Zuge eines Modetrends konsumiert und über unsichere Kanäle erworben werden, dass es vielfach an chemischer Reinheit mangelt. Dann gesellen sich zu den pharmakologischen Risiken der aktiven Substanz unkalkulierbare Risiken durch Verunreinigungen in den Präparaten. In solchen Fällen kann es auch beim Einsatz noch verträglicher Dosierungen, beispielsweise von 100 mg Methylenblau pro Tag, über die in den einschlägigen sozialen Medien und Foren oft berichtet wird, zu teils schweren unerwünschten Ereignissen kommen.
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnt in einem der PZ vorliegenden Statement aus dem gleichen Grund vor einer Einnahme solcher Methylenblau-Lösungen. Anders als Arzneimittel unterlägen die Produkte nicht strengen Anforderungen an Reinheit, Qualität und Sicherheit, da sie nicht zur Einnahme vorgesehen sind. Sie rät »grundsätzlich dringend davon ab, Chemikalien einzunehmen«. Die Risiken seien unkalkulierbar.
Die meisten Methylenblau-Hersteller kennzeichneten die Substanz mit dem Hinweis »H302 Gesundheitsschädlich bei Verschlucken«. Die ABDA rät daher Apothekenteams dringend davon ab, Die Substanz in der Apotheke abzugeben. »Bei jeder Nachfrage nach einer Chemikalie hat der Apotheker oder die Apothekerin den Verwendungszweck zu erfragen«, heißt es weiter. Sei eine Verbesserung der kognitiven Leistung gewünscht, sollte auf ein zugelassenes Arzneimittel oder zumindest ein Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen werden.
Die ABDA stellt klar: »Bei der Abgabe von Chemikalien besteht kein Kontrahierungszwang. Es gibt also keine Pflicht für Apothekenteams, bei Nachfrage von Verbraucherinnen und Verbrauchern diese Chemikalie abzugeben.«
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