Der Geldbeutel als Krankheitsrisiko |
Die Gründe dafür, dass Armut krank machen kann, sind vielschichtig. Eine wichtige Rolle spielt das Gesundheitsverhalten: Das Bemühen um einen gesunden Lebensstil tritt angesichts finanzieller Sorgen oft in den Hintergrund.
Wer arm ist, ernährt sich tendenziell ungesünder – zum Teil deshalb, weil hochwertige frische Lebensmittel oft teurer sind als verarbeitete Produkte mit hohem Fett- und Zuckergehalt. Alleinerziehenden fehlt häufig die Zeit, vollwertige gesunde Mahlzeiten vorzubereiten. Auch das Wissen über gesunde Ernährung ist bei Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau weniger ausgeprägt. Sozial Benachteiligte treiben außerdem nachweislich weniger Sport – unter anderem, weil die meisten Sportangebote Geld kosten. Bei Frauen ist das Sozialgefälle hinsichtlich eines gesundheitsfördernden Lebensstils noch steiler als bei Männern.
All das führt dazu, dass das Risiko für Adipositas in einkommensschwachen Gruppen etwa zweieinhalbfach so hoch ist wie bei Gutverdienenden. Besonders ausgeprägt ist die Assoziation beim weiblichen Geschlecht (OR 3,25). Zudem rauchen arme Menschen im Schnitt etwa 30 Prozent häufiger. Während der Tabakkonsum in den oberen Bildungssegmenten in den letzten 20 Jahren deutlich zurückging, blieb er in bildungsfernen Gruppen gleich und nahm bei Frauen sogar zu. Übermäßiger Alkoholkonsum findet sich dagegen in niedrigen Bildungsgruppen seltener als in höheren.
Ärmere Menschen nehmen seltener Präventionsleistungen wie die U-Untersuchungen für Kinder in Anspruch. / © Adobe Stock/Robert Kneschke
Das soziale Ungleichgewicht bei den klassischen Lebensstilfaktoren erklärt zumindest zum Teil das erhöhte Risiko für chronische Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Atemwegserkrankungen inklusive Lungenkrebs und andere Tumoren. Darüber hinaus nehmen Menschen aus niedrigen sozioökonomischen Schichten seltener Angebote zur Gesundheitsvorsorge in Anspruch: sowohl die U-Untersuchungen für Kinder als auch Krebsfrüherkennungs-, Impf- und allgemeine Check-up-Termine.
Menschen mit Diabetes besuchen seltener spezielle Schulungen und setzen Behandlungsempfehlungen im Alltag schlechter um. Dies erklären Fachleute ebenfalls in erster Linie durch einen niedrigeren Bildungsgrad, der mit einem geringeren Bewusstsein für Präventionsmaßnahmen verbunden ist. Bei Menschen mit Migrationshintergrund spielen zudem oft Sprachbarrieren eine Rolle.
Wenn das Geld knapp ist, wird außerdem auch an Arzneimitteln gespart. In einer Studie mit knapp 700 überschuldeten Menschen in Nordrhein-Westfalen gab ein Viertel der Befragten an, aus Geldmangel ärztliche Verordnungen nicht einzulösen. Etwa ebenso viele holten sich die empfohlenen OTC-Präparate nicht aus der Apotheke.