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Morbus Alzheimer

Den geistigen Abbau verlangsamen 

Ein gutes Jahrhundert vermutet man, dass β-Amyloid-Plaques und/oder Tau-Fibrillen ursächlich an der Entstehung einer Alzheimer-Demenz beteiligt sind. Die Behandlungsmöglichkeiten sind nach wie vor überschaubar. Hoffnung wecken kausale Therapieansätze in fortgeschrittenen klinischen Phasen. 
AutorKontaktKerstin A. Gräfe
Datum 19.06.2023  18:00 Uhr

In Deutschland sind etwa 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Der größte Risikofaktor der neurodegenerativen Erkrankung ist das Alter; betroffen sind vor allem Über-65-Jährige. Definiert ist Demenz als alltagsrelevante Abnahme von Gedächtnis und anderen kognitiven Fähigkeiten und zwar im Vergleich zum ursprünglichen Funktionsniveau.

»Es gibt also keine allgemeingültige Skala, sondern es ist immer eine Frage des Vergleichs und auch der Zeit«, informierte Professor Dr. Carsten Culmsee, Leiter des Instituts für Pharmakologie und Klinische Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg, am Sonntag bei der Zentralen Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Hessen. Eine Demenz liege dann vor, wenn die Störungen der Hirnfunktionen länger als sechs Monate andauern und andere Erkrankungen wie Depression oder Bewusstseinsstörungen ausgeschlossen werden können.

Die häufigste Form ist mit 60 Prozent die Alzheimer-Demenz. Seit knapp 120 Jahren wisse man, dass diese Form mit einer Abnahme des Hirnvolumens, zunehmenden Ablagerungen von Amyloid-Plaques und einer Anreicherung von Tau-Fibrillen einhergeht, konstatierte der Apotheker.

Überschaubare Anzahl an Therapieoptionen

Inzwischen sei bekannt, dass zudem entzündliche Prozesse im Gehirn und Stoffwechselveränderungen stattfinden. Trotz dieses Wissens seien die Therapieoptionen immer noch überschaubar. Es stünden lediglich drei Wirkstoffgruppen zur Verfügung: Acetylcholinesterase-Hemmer, Memantin und Ginkgo-biloba-Präparate.

Acetylcholinesterase-Hemmer wie Rivastigmin, Donepezil und Galantamin sind indiziert bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz. Da sie auch die Aktivität des Parasympathikus steigern, können sie erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Herzarrhythmien, Magen-Darm-Ulzera, COPD, Asthma und Epilepsie sind daher wichtige Kontraindikationen dieser Wirkstoffe.

Acetylcholinesterase-Hemmer verbessern zwar die kognitiven Leistungen sowie den Gesamteindruck und die Alltagkompetenzen, halten jedoch das Fortschreiten der Neurogeneration nicht auf. »In der Regel lässt der therapeutische Nutzen etwa nach einem halben Jahr nach«, informierte Culmsee. Dennoch lohne sich eine weitere Einnahme, da die Wirkstoffe neuesten Untersuchungen zufolge die Mortalitätsrate senken.

Memantin nicht nach 16 Uhr einnehmen

Memantin wird bei mittelschweren bis schweren Formen eingesetzt. Der Arzneistoff ist ein Antagonist des glutamatergen NMDA-Rezeptors und wirkt zudem indirekt dopaminerg und zentral anticholinerg. Da Memantin zu erhöhter Unruhe führt, sollte die Einnahme nicht nach 16.00 Uhr erfolgen.

Engwinkelglaukom, Niereninsuffizienz, Prostatahyperplasie und Herzerkrankungen (Herzinsuffizienz, Kardiomyopathien, Arrhythmien, verlängertes QT-Intervall, AV-Block) sind wichtige Kontraindikationen. Des Weiteren kann Memantin Psychosen auslösen.

Mit Ginkgo-biloba-Präparaten lohne sich ein Therapieversuch bei leichter bis mittelschwerer Demenz. Hier könne es zu einer Verbesserung der Alltagskompetenzen und des Gesamteindrucks kommen. Positiv hervorzuheben sei das gute Nebenwirkungsprofil. Die beschriebenen unerwünschten Wirkungen und potenzielle Wechselwirkungen seien zumeist klinisch nicht relevant. Vorsicht sei geboten bei der gleichzeitigen Einnahme von Blutgerinnungshemmern sowie zentral dämpfenden Medikamenten.

Sekretase-Hemmer: Kluge Idee, aber noch nicht anwendungsreif

»Bislang fehlt es allerdings an kausalen Therapien«, monierte Culmsee. Um das neurotoxische Peptid β-Amyloid zu beseitigen, verfolgt man derzeit verschiedene Ansätze. Einer basiere auf der Hemmung der Sekretasen (β und γ), wodurch die Bildung von β-Amyloid durch pathologische Spaltung aus dem Amyloid-Precursor-Protein (APP) verhindert werden soll. Erste Therapieerfolge wurden in der Präklinik erzielt. Aber: »Diese kluge Idee haben wir bislang leider nicht erfolgreich in die Klinik gebracht«, so der Referent.

Ungeachtet dessen stelle sich die Frage, ob dieser therapeutische Ansatz nicht zu spät greift. So wisse man heute, dass die Amyloid-Plaques einen Prozess anzeigen, der längst abgelaufen ist. Sie seien wohl eher ein Hinweis für ein stattgefundenes Geschehen, sozusagen »Grabsteine im Gehirn«.  Und jeder wisse, dass ein Wegräumen von Grabsteinen keine Toten lebendig macht, veranschaulichte der Referent.

Passive Immunisierung mit Antikörpern

Ein weiterer Ansatz ist eine passive Immunisierung mittels monoklonaler Antikörper. Derzeit befinden sich zwei Hoffnungsträger in der klinischen Prüfung. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) prüft in einem beschleunigten Verfahren den Antikörper Lecanemab. In den USA ist der Antikörper seit Anfang des Jahres unter dem Handelsnamen Leqembi™ zugelassen.

»Erstmals konnte der klinische Nachweis erbracht werden, dass eine kognitive Verbesserung erreicht werden kann«, so Culmsee. Aber auch mit Antikörpern wie Lecanemab lasse sich die Neurodegeneration nur verlangsamen und nicht stoppen.

Insgesamt war die Therapie gut verträglich. Am häufigsten zeigten sich für Antikörper typische infusionsbedingte Reaktionen. Zudem trat unter Lecanemab eine inzwischen von Anti-Aβ-Antikörpern bekannte Nebenwirkung auf, eine sogenannte ARIA. Darunter versteht man bestimmte Auffälligkeiten auf MRT-Aufnahmen des Gehirns (Amyloid-Related Imaging Abnormality, ARIA), die sich als vasogene Ödeme oder Mikroblutungen darstellen können.

Donanemab macht Amyloid-Sonderform unschädlich

Auch der zweite Antikörper Donanemab konnte in Studien eine deutliche Reduktion der Amyloid-Plaques zeigen und den Verlauf abbremsen. Donanemab richte sich nicht allgemein gegen β-Amyloid,  sondern gegen eine »besonders neurotoxische Sonderform«, ein N3-Pyroglutamat-modifiziertes β-Amyloid, so Culmsee. Diese Sonderform bilde sich nur in Anwesenheit von Tau-Fibrillen. Der Wissenschaftler wertete dies als Zeichen dafür, dass sowohl die Amyloid-Plaques als auch Tau-Fibrillen Auslöser der Erkrankung sind.

Der Referent machte auf eine weitere potenzielle Nebenwirkung der Antikörper aufmerksam: Unter der Therapie nimmt das Hirnvolumen ab. »Das ist durchaus besorgniserregend.« Die gute Nachricht sei, dass die Volumenabnahme nicht im Bereich des Hippocampus stattfinde, der für die kognitiven Fähigkeiten verantwortlich ist.

Summa summarum: Ob die Anwendung derartiger Antikörper in der Langzeittherapie ausreichend sicher sei und zumindest für einen Teil der Demenzpatienten in frühen Erkrankungsphasen einen Nutzen bezüglich der kognitiven Funktionen bringe, müssen die noch laufenden großen Phase-III-Studien zeigen.

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