Delta-Variante gefährlicher für Schwangere |
Theo Dingermann |
02.08.2021 14:00 Uhr |
Die STIKO gibt derzeit keine generelle Empfehlung für die Covid-19-Impfung für Schwangere, sondern nur für solche mit Vorerkrankungen oder einem erhöhten Expositionsrisiko. Andere Länder geben generelle Empfehlungen. / Foto: Adobe Stock/Marina Demidiuk
Covid-19 birgt erhebliche Risiken für Schwangere und deren ungeborenen Kinder. Etwa eine von zehn Schwangeren, die mit Covid-19-Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert werden, benötigt eine Intensivbehandlung, und etwa eine von fünf der schwer an Covid-19 erkrankten Schwangeren bringt ihr Kind zu früh zur Welt.
Eine neue Studie von Wissenschaftlern um Nicola Vousden von der National Perinatal Epidemiology Unit der Universität Oxford, die auf dem medRxiv-Preprintserver hinterlegt wurde, belegt nun indirekt, dass eine Impfung gegen SARS-CoV-2 gerade auch für Schwangere einen wirksamen Schutz vor diesen Risiken bietet. Die Covid-19-Impfstoffe sind zwar auf der einen Seite nicht explizit für Schwangere zugelassen, auf der anderen Seite stellt eine Schwangerschaft auch keine Kontraindikation für diese Impfung dar. Während in Deutschland die STIKO die Corona-Impfung Schwangeren noch nicht empfiehlt (im Gegensatz zu den Fachgesellschaften), fällt in anderen Ländern die Empfehlung anders aus. Gynäkologen und Hebammen in Großbritannien empfehlen die Impfung allen Schwangeren.
Im Rahmen der Studie wurden die Daten von 3371 schwangeren Frauen aus Großbritannien ausgewertet, die mit Symptomen einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion vom Beginn der Pandemie bis zum 11. Juli 2021 stationär aufgenommen wurden.
Die Daten zeigen deutlich, dass im Laufe der Alpha- und Delta-dominanten Perioden die Schwere der Erkrankungen unter Schwangeren und damit die Zahl der problematischeren Schwangerschaften zugenommen hat. So stieg der Anteil der Frauen, die mittelschwer bis schwer erkrankten, zwischen der Wildtyp- und der Alpha-Periode von 24,4 Prozent aus 35,8 Prozent an. Zwischen der Alpha- und der Delta-Periode stiegen die Inzidenzen von mittelschweren bis schweren Erkrankungen von 35,8 Prozent auf 45,0 Prozent.
Das Risiko für die Notwendigkeit einer Beatmung stieg von 20,3 Prozent während der Wildtyp-Periode auf 27,2 Prozent während der Alpha-Periode. An einer Lungenentzündung erkrankten 19,1 Prozent der hospitalisierten Patientinnen während der Wildtypperiode und 27,5 Prozent während der Alpha-Periode und weiter auf 36,8 Prozent während der Delta-Periode. Und eine intensivtherapeutische Behandlung benötigten 7,7 Prozent der Patientinnen während der Wildtypperiode und 11,3 Prozent während der Alpha-Periode.
Diese Daten deuten an, dass sich über die Zeit der Schweregrad der Erkrankung der Frauen verschlechterte: 24 Prozent der in der ersten Welle stationär behandelten Frauen hatten eine mittelschwere oder schwere Erkrankung, verglichen mit 36 Prozent während der Alpha-Periode und 45 Prozent während der Delta-Periode.
Die Mehrheit der Babys der stationär behandelten Frauen wurde lebend geboren. Die Rate der Totgeburten veränderte sich nicht in den verschiedenen Zeiträumen. Es gab sechs neonatale Todesfälle, fünf in der Wildtyp-Periode und einen in der Alpha-Periode, von denen keiner direkt mit einer neonatalen SARS-CoV-2-Infektion zusammenhing.
Insgesamt wurde fast eines von fünf Babys zur neonatalen Versorgung eingewiesen, wobei das Risiko bei Müttern, die in der Alpha-Periode eingewiesen wurden, signifikant höher war als in der Wildtyp-Periode (22,0 Prozent gegenüber 18,7 Prozent). Der Anteil der Neugeborenen von Müttern aus der Delta-Periode war ähnlich hoch wie in der Alpha-Periode. Allerdings hat mehr als die Hälfte der Mütter, die in der Delta-Periode aufgenommen wurden, noch nicht entbunden.
Die Autoren weisen darauf hin, dass kaum Patientinnen, deren Daten hier ausgewertet wurden, geimpft waren. Zwar wurden erst ab dem 1. Februar 2021 auch Daten von geimpften Schwangeren in die Studie eingeschlossen. Von den 742 Frauen, die seit diesem Datum stationär behandelt wurden, hatten nur vier eine einzige Dosis des Impfstoffs erhalten. Keine Patientin war zweimal geimpft. Somit waren also 99 Prozent der schwangeren Frauen, die wegen Covid-19 auf eine stationäre Behandlung angewiesen waren, nicht geimpft.
Andererseits haben mittlerweile im Vereinigten Königreich über die Zeit der Studie mindestens 55.000 Schwangere eine oder mehrere Dosen eines Covid-19-Impfstoffs erhalten. Das belege indirekt, wie gut eine Impfung gerade auch Schwangere schützt.
Dr. Marian Knight, Professorin für Neonatalogie am Nuffield Department of Population Health der Universität Oxford und Leiterin der Studie, sagte in einer Pressemitteilung der Universität: »Es ist eine sehr gute Nachricht, dass so wenige geimpfte Schwangere mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Es ist jedoch sehr besorgniserregend, dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Schwangeren mit Covid-19 zunimmt und dass schwangere Frauen offenbar stärker von der Delta-Variante betroffen sind. In der vergangenen Woche wurden etwa 200 schwangere Frauen mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert. Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es für Schwangere ist, sich impfen zu lassen, um sich und ihr Baby zu schützen. Solange sie nicht geimpft sind, müssen Schwangere weiterhin äußerst dringend die nicht-pharmakologischen Präventionsmaßnahmen beachten.«
Nicola Vousden, die Erstautorin der Studie, sagte: »Weltweit haben inzwischen mehr als 200.000 schwangere Frauen eine Covid-Impfung erhalten, davon mehr als 50.000 im Vereinigten Königreich. Diese Studie zeigt, dass nur sehr wenige geimpfte Schwangere mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden. Andere Studien haben gezeigt, dass geimpfte Frauen Antikörper an ihre Babys weitergeben, sodass die Vorteile der Impfung sowohl für Schwangere als auch für ihre Babys eindeutig sind.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.