Das Tief nach der Geburt |
Nicht jede Mutter kann sich über die Geburt ihres Kindes uneingeschränkt freuen. Etwa 10 bis 15 Prozent der jungen Mütter entwickeln eine postpartale Depression. / © Shutterstock/alinabuphoto
»Baby Blues« ist ein verharmlosender Begriff für die postpartale Depression (PPD) oder auch Wochenbettdepression. Es handelt sich um eine schwere depressive Erkrankung, die sich bei etwa 10 bis 15 Prozent der Mütter innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt eines Kindes ausbildet. Das Risiko ist besonders hoch, wenn in der Vergangenheit bereits depressive Phasen vorgekommen sind oder sich direkt nach der Entbindung eine starke depressive Symptomatik ausbildet. Unbehandelt können sich die Symptome in einigen Fällen chronifizieren, was die Mutter-Kind-Bindung langfristig gefährden kann.
Die Symptome einer PPD ähneln denen einer Depression anderen Ursprungs, weisen aber einige Besonderheiten auf. Neben einer erhöhten Emotionalität und Labilität machen sich auch Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld in den Betroffenen breit. Die Frauen haben Probleme, Gefühle für den Säugling zu entwickeln, und zweifeln zudem an den eigenen Fähigkeiten, eine gute Mutter zu sein. Die Symptome dauern typischerweise länger als 14 Tage an und sind leicht, mittel oder schwer ausgeprägt.
Laut der nationalen Versorgungsleitlinie »Unipolare Depression« und Angaben der Deutschen Depressionshilfe hängt die Entstehung einer PPD vor allem mit den rapiden hormonellen Veränderungen nach der Geburt zusammen. Daneben werden auch physiologische, psychologische, gesellschaftliche und soziale Faktoren insbesondere mit Bezug auf die eigene Schwangerschaft diskutiert.
Je nach Ausprägung der Beschwerden wird eine Psychotherapie mit einer antidepressiven Medikation kombiniert. Bei leichter Symptomatik wird zunächst ausschließlich auf eine psychotherapeutische Behandlung gesetzt, die die häufig gestörte Mutter-Kind-Beziehung in den Vorderdrund stellt. Bei mittelschweren bis schweren Symptomen wird zusätzlich eine Monotherapie mit einem Antidepressivum nach ausgiebiger Nutzen-Risiko-Abwägung eingeleitet. In schweren Fällen können Frauen auch zusammen mit ihrem Baby an psychiatrische Krankenhäuser verwiesen werden.
Die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) Sertralin, Paroxetin, Citalopram und dessen S-Enantiomer Escitalopram werden aufgrund geringer Muttermilchgängigkeit bevorzugt bei PPD eingesetzt, wobei Citalopram und Sertralin wegen der Fülle an Erfahrungsberichten Mittel der ersten Wahl für Stillende sind. Hebammen und Kinderärzte sollten über die Behandlung der Mutter informiert werden, um seltene Nebenwirkungen der Therapie wie Trinkprobleme oder Unruhe beim Säugling richtig einordnen zu können.
Die SSRI sollten bis zum erwünschten Ansprechen durch einen Psychiater oder Neurologen eingeschlichen werden, um das Nebenwirkungsrisiko zu Beginn der Behandlung zu reduzieren. Bei allen Substanzen ist mit einem verzögerten Wirkeintritt nach frühestens 7 bis 14 Tagen zu rechnen. Die Therapie ist bis zu einer anhaltenden Symptomfreiheit von circa sechs Monaten fortzuführen und dann über ein bis zwei Wochen auszuschleichen. Citalopram (20 bis 40 mg pro Tag), Sertralin (25 bis 200 mg pro Tag) und Escitalopram (10 bis 20 mg pro Tag) werden einmal täglich morgens oder abends unabhängig von den Mahlzeiten oral eingenommen. Paroxetin (20 bis 50 mg pro Tag) ist hingegen morgens zusammen mit dem Frühstück einzunehmen.