Das Kassen-Spargesetz zeigt Wirkung |
Ev Tebroke |
19.09.2023 17:00 Uhr |
Im ersten Halbjahr 2023 stiegen die Arzneimittelausgaben zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung um 2,4 Prozent. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 6,7 Prozent. / Foto: imago images/McPHOTO
Die Finanzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die ersten sechs Monate des Jahres 2023 liegt vor. Wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) informierte, zeigt das Spargesetz zur GKV-Finanzstabilisierung Wirkung. Wenn auch nicht für alle Beteiligten mit gutem Ergebnis. Die Krankenkassen müssen demnach im ersten Halbjahr 2023 ein Defizit von mehr als 600 Millionen Euro verkraften. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 lag das Defizit bei 287 Millionen Euro. Grund für das dicke Minus ist laut BMG die per GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) verfügte Verpflichtung der Kassen, in 2023 insgesamt 2,5 Milliarden Euro ihres Vermögens an den Gesundheitsfonds abzuführen – also 1,25 Milliarden Euro im ersten Halbjahr. Ohne diese Vorgabe hätten die Kassen ansonsten unterm Strich statt Minus ein Plus in Höhe von rund 600 Millionen Euro erzielt.
Den Ausgaben der Krankenkassen in Höhe von insgesamt rund 151,8 Milliarden Euro – inklusive der rund 1,25 Milliarden Euro Zuweisung an den Fonds – standen Einnahmen in Höhe von rund 151,2 Euro gegenüber. Die Finanzreserven, die Mitte des Jahres bei 9,7 Milliarden Euro lagen, sind laut BMG mit rund 0,4 Monatsausgaben aber weiterhin wie schon 2022 doppelt so hoch wie die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve.
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich zufrieden und kommentierte: »Mit dem Finanzstabilisierungsgesetz haben wir den Anstieg der Zusatzbeiträge erfolgreich begrenzt und hohe Belastungen der Beitragszahler vermieden.« Auch die Krankenkassen leisteten damit ihren fairen Beitrag zur Konsolidierung der GKV-Finanzen. Ziel des BMG bleibe es weiterhin, keine Leistungen für die Versicherten zu kürzen und die Beitragszahler nicht über Gebühr zu belasten.
Kostendämpfend wirkt das Spargesetz auch auf die Arzneimittelausgaben. Diese stiegen im ersten Halbjahr 2023 lediglich um 2,4 Prozent (erstes Halbjahr 2022: 6,7 Prozent) und damit pro GKV-Versicherten und rund 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Hier machen sich laut BMG die mit dem Spargesetz erhöhten gesetzlichen Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer bemerkbar. Insgesamt haben Arzneimittel einen Anteil von 17 Prozent an den GKV-Ausgaben. Sie liegen damit gleichauf mit den Ausgabenanteil der ambulant-ärztlichen Behandlungen.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen stiegen im ersten Halbjahr 2023 um 1 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022. Dämpfend wirken demnach unter anderem der deutliche Rückgang von Corona-spezifischen Leistungen, wie etwa Testungen.
Stark gestiegen sind laut BMG auch die Ausgaben für Schutzimpfungen mit 17,8 Prozent, für häusliche Krankenpflege mit 12 Prozent sowie für Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen mit 11,1 Prozent. Letztere hätten nach den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre schon 2022 eine überdurchschnittliche Dynamik aufgewiesen. Im Bereich der Schutzimpfungen sei die starke Wachstumsrate insbesondere auf die Ausgaben für die Abgabe von Impfstoffen gegen Gürtelrose und FSME zurückzuführen. Die Dynamik bei der häuslichen Krankenpflege sieht das BMG primär im Tariftreuegesetz begründet, das am 1. September 2022 in Kraft trat.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen entwickelten sich dem BMG zufolge mit 7 Prozent »weiterhin äußerst dynamisch«, wenngleich gegenüber dem ersten Quartal, als der Zuwachs noch 7,7 Prozent betrug, eine leichte Abflachung stattgefunden habe. Ursächlich für die im Vergleich zu den vergangenen Jahren hohe Veränderungsrate sei die Kombination aus einer sehr dynamischen Preiskomponente, steigenden Fallzahlen sowie insbesondere die mit 12,5 Prozent erneut stark gestiegenen Pflegepersonalkosten. Das BMG weist darauf hin, dass viele Angaben insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten bislang auf Schätzungen beruhen, da häufig noch keine finalen Abrechnungsdaten vorlägen.
Der Gesundheitsfonds, der laut BMG zum Stichtag 16. Januar 2023 über eine Liquiditätsreserve von 12 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im ersten Halbjahr ein Defizit von 5,6 Milliarden Euro. Der größere Teil dieses Defizits sei saisonüblich, so das BMG. Demnach fließen die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken. Vor allem im vierten Quartal fallen diese aufgrund von Jahressonderzahlungen wie etwa dem Weihnachtsgeld höher aus. Ein Teil des Defizits resultiert laut BMG allerdings aus einer Maßnahme des GKV-Spargesetzes: Durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve würden zusätzliche Mittel an die Krankenkassen ausgeschüttet, um die Zusatzbeiträge der Krankenkassen zu stabilisieren.
Der GKV-Schätzerkreis wird die Versichertenentwicklung, die Ausgaben und die Einnahmen der GKV prognostizieren. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse will das BMG bis zum 1. November den durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2024 bekannt geben.
Die Finanzergebnisse für das erste bis dritte Quartal 2023 werden Ende November vorliegen, heißt es.
Zuletzt hatte Lauterbach für 2024 bereits höhere Kassenbeiträge angekündigt. Angesichts des Milliardenlochs bei den GKV rechne er mit leicht steigenden Beiträgen. »Finanzminister Christian Lindner hat klar gemacht, dass die Steuerzuschüsse an die Gesetzliche Krankenversicherung nicht erhöht werden können«, so Lauterbach im Juni gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Mit mir wird es keine Leistungskürzungen geben. Der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung wird daher im nächsten Jahr erneut leicht steigen müssen.«
Nach den für 2023 durch das Spargesetz relativ abgesicherten Finanzen erwartet die GKV für 2024 wieder ein Milliardendefizit. Der Spitzenverband rechnete zuletzt mit einer Lücke zwischen 3,5 Milliarden und 7 Milliarden Euro. Ohne Maßnahmen zum Gegensteuern würde daraus rechnerisch ein Anstieg beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 0,2 bis 0,4 Prozentpunkten resultieren. Der GKV-Spitzenverband hat deshalb kürzlich auch auf Nachbesserungen beim Spargesetz gedrängt.