Colistin direkt am Erreger aktivieren |
Sven Siebenand |
31.10.2024 15:00 Uhr |
Das in den 1950er-Jahren entwickelte Antibiotikum Colisitin wurde aufgrund seiner nierenschädigenden Wirkung recht schnell und über viele Jahrzehnte nicht mehr beim Menschen eingesetzt. Der Mangel an wirksamen Antibiotika macht seinen Einsatz heute aber notwendig, etwa bei der Behandlung von bestimmten Krankenhauskeimen. / © Adobe Stock/ MQ-Illustrations
Das ist den 1950er-Jahren entwickelte Colistin ist heute ein wichtiges Reserveantibiotikum. Es wird in der Regel nur bei schweren Infektionen mit resistenten Bakterien eingesetzt, etwa bei der Behandlung von gefährlichen Krankenhauskeimen wie Carbapenem-resistenten Enterobakterien oder Acinetobacter baumanii. Grund dafür sind die stark nierenschädigenden Nebenwirkungen, die bei rund 30 Prozent der Behandelten auftreten.
Ein Forschungsteam um Dr. Jiraborrirak Charoenpattarapreeda vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) berichtet in »Angewandte Chemie« nun über eine Möglichkeit, eine inaktivierte, unschädliche Form von Colistin herzustellen, die im Körper erst am Ort des Infektionsgeschehens aktiviert wird. Dreh- und Angelpunkt des Ansatzes ist die sogenannte Click-to-Release-Technik. Diese basiert darauf, dass eine aus zwei Komponenten zusammengesetzte Wirksubstanz unter Einwirkung eines chemischen Schalters in ihre zwei Komponenten zerfällt und die gewünschte Wirksubstanz auf diese Weise aktiviert wird.
Um die Click-to-Release-Technik nutzen zu können, benötigten die Forscher zunächst eine für Colistin passende Komponente, die an das Antibiotikum bindet, es dadurch unschädlich macht und die sich mithilfe eines Schalters später wieder vom Wirkstoff trennen lässt. Hierfür kamen verschiedene chemische Varianten der Substanz trans-Cycloocten (TCO) infrage. Mit Aspartat modifiziertes TCO erfüllte die gewünschten Kriterien. Zellkulturversuche mit Nierenzellen zeigten, dass an diese Komponente gekoppeltes Colistin nicht mehr an die Nierenzellen andockte und das nephrotoxische Potenzial damit weitgehend eliminiert war.
Wie der Originalpublikation zu entnehmen ist, fanden die Wissenschaftler mit D-Ubi-TZ, ein Tetrazin, das mit dem an Bakterien bindenden Peptid D-Ubi funktionalisiert ist, die zweite Komponente für ihren Ansatz – den chemischen Schalter.