Bundesregierung einigt sich auf Cannabis-Eckpunkte |
Melanie Höhn |
12.04.2023 12:30 Uhr |
Erwachsene in Deutschland sollen demnächst Cannabis in bestimmten Mengen privat oder in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen anbauen dürfen. / Foto: Fotolia/stokkete
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) haben heute in Berlin die überarbeiteten Pläne zur Cannabis-Legalisierung vorgestellt. In einem ersten Schritt sollen der Anbau in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen und der private Eigenanbau bundesweit ermöglicht werden. Die Abgabe in Fachgeschäften wird in einem zweiten Schritt als wissenschaftlich konzipiertes, regional begrenztes und befristetes Modellvorhaben umgesetzt. In dem Modellvorhaben sollen die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt wissenschaftlich genauer untersucht werden. Ziel bleibe weiterhin, die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, den Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten bestmöglich zu gewährleisten sowie den Schwarzmarkt einzudämmen.
Die Eckpunkte des 2-Säulen-Modells («Club Anbau & Regional-Modell/ CARe) haben das BMG als Federführer sowie das Bundesinnenministerium, das Bundesjustizministerium, das Bundeslandwirtschaftsministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt entsprechend den fachlichen Zuständigkeiten erarbeitet. Die EU- und völkerrechtlichen Grenzen wurden dabei berücksichtigt. Auf Basis des Eckpunktepapiers wird die Bundesregierung jetzt kurzfristig einen Gesetzentwurf vorlegen.
Lauterbach erklärte dazu: »Cannabis ist ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit. Besonders Jugendliche sind durch Cannabis in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung beeinträchtigt. Trotzdem konsumieren immer mehr Jugendliche die Droge. Die Schwarzmarktware ist häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren. Das können wir nicht länger hinnehmen. Deswegen wagen wir die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen und drängen den Schwarzmarkt zurück, flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Der Gesundheitsschutz steht dabei im Vordergrund. Die bisherige Cannabis-Politik ist gescheitert. Jetzt müssen wir neue Wege gehen.«
Der Konsum von Cannabis sei eine »gesellschaftliche Realität«, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. »Eine jahrzehntelange Verbotspolitik hat davor die Augen verschlossen und damit vor allem Probleme verursacht: zulasten unserer Jugendlichen, der Gesundheit von Konsumierenden und der Strafverfolgungsbehörden. Nun schaffen wir eine stimmige und pragmatische Cannabis-Politik mit Perspektive, indem privater Anbau, Besitz und Konsum legal werden«, so Özdemir. »Mit einem regionalen Modellprojekt loten wir zudem die Möglichkeiten einer kommerziellen Lieferkette aus.«
Thomas Preis, Vorsitzender Apothekerverband Nordrhein, hat die Pläne der Bundesregierung kritisiert: »Es ist schon absurd, dass wir gegen massive Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder, Blutdruck-Patienten, Krebskranken und Diabetikern kämpfen müssen und jetzt viel politische Energie verwenden, um Drogen salonfähig zu machen. Auch die abgespeckte Version der Cannabis-Legalisierung ist medizinisch und pharmazeutisch nicht vertretbar«, sagte er. »Die Arzneimittelkommission der deutschen Apothekerinnen und Apotheker lehnt deshalb aus medizinischen und pharmazeutischen Gründen die Legalisierung von Cannabis ab. Eine Entlastung der Behörden ist nicht zu erwarten. Denn jetzt wird noch mehr kontrolliert werden müssen, ob die Freigrenzen von 25 Gramm und drei Pflanzen auch eingehalten werden. Nach wie vor widerspricht die Legalisierung von Cannabis allen medizinischen und pharmazeutischen Kenntnissen. Besonders gefährlich ist der heutzutage viel höhere THC-Gehalt von Cannabis. Auch kann bei diesem Legalisierungs-Modell ein zu hoher Konsum nicht verhindert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir schaffen uns zusätzliche Probleme insbesondere bei jungen Menschen. Verstärkt wird das noch dadurch, dass diese immer häufiger und schon frühzeitig Cannabis konsumieren. Das Risiko, später psychotische Symptome, Depressionen oder Angststörungen zu bekommen, ist für junge Menschen besonders hoch, weil der intensivste Teil der Entwicklung des Gehirns vor dem 20. Lebensjahr liegt. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen auch erhebliche Probleme beim Hasch-Tourismus.«
Positiv zu den Eckpunkten der Bundesregierung äußerte sich hingegen Maria Klein-Schmeink, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen: »Die Eckpunkte der Bundesregierung sind ein erster wichtiger Meilenstein für die Legalisierung von Cannabis und weisen den richtigen Weg zu einer modernen und vernunftgeleiteten Drogenpolitik, die endlich den Jugend- und Gesundheitsschutz in den Mittelpunkt stellt. Das ist ein großer Erfolg, vor allem auch für uns Grüne. Wir setzen uns seit Langem für eine menschliche Drogenpolitik und mehr Gesundheitsschutz ein. Die jahrzehntelange ideologisch getriebene Kriminalisierung von erwachsenen Menschen wird bald ein Ende haben. Der in der Bevölkerung längst stattfindende Konsum wird endlich sinnvoll reguliert und Konsumierende bekommen legale Alternativen außerhalb des Schwarzmarktes«, erklärte sie. »Der Besitz und Eigenanbau von Cannabis wird legal. Zusätzlich können nicht-kommerzielle Clubs Cannabis anbauen und vertreiben. Fehlentwicklungen wie in den Niederlanden werden so vermieden. Jetzt wird das Gesundheitsministerium zeitnah einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen. Wir werden im parlamentarischen Verfahren bei der Ausgestaltung der Detailregelungen darauf achten, dass die Ziele dieser Reform erreicht werden. Eine umfassende Legalisierung und Regulierung bleibt das Ziel. Diese zweite Säule wird hoffentlich nach Abschluss der Modellvorhaben und der Genehmigung durch die EU erreicht werden.«