Bundesapothekerkammer legt Curriculum vor |
Die Grippeimpfung in Apotheken erfolgt intramuskulär in den Oberarm. Die Impftechnik wird Apothekern in einer Schulung von Ärzten beigebracht. / Foto: Your Photo Today
Die Möglichkeit für Apotheker, in der Offizin gegen Influenza zu impfen, wurde bekanntlich mit dem Masernschutzgesetz geschaffen, das am 1. März 2020 in Kraft trat. Bevor Apotheker aber tatsächlich zur Spritze greifen und so ihren Beitrag zur Verbesserung der Impfquote leisten können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Die Apotheke muss an einem Modellprojekt für die saisonale Grippeimpfung teilnehmen, der impfende Apotheker muss eine Zusatzqualifikation erworben haben und in der Apotheke müssen entsprechende Räumlichkeiten sowie die Ausstattung für die Impfung vorhanden sein.
Die Ausgestaltung der Modellprojekte ist derzeit noch Verhandlungssache zwischen Krankenkassen und Apotheken(-organisationen). Obwohl einige Apothekerkammern dem Impfen in Offizinen vor allem aus Rücksicht auf die Ärzte kritisch gegenüberstehen, dürfen an den Modellprojekten aus berufsrechtlicher Sicht künftig Apotheken in fast allen Bundesländern teilnehmen. In einigen Ländern, darunter Thüringen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, mussten die Berufsordnungen der Kammern geändert werden, um Apothekern das Impfen zu erlauben. Ob das im Einzelnen geschehen ist, sollten Apotheker, die an Modellversuchen teilnehmen wollen, vorab mit ihrer zuständigen Kammer klären.
Bezüglich der Voraussetzungen Nummer 2 und 3 – Zusatzqualifikation und Räumlichkeiten – gibt es jetzt konkrete Vorgaben der Bundesapothekerkammer (BAK). Sie schreibt in einem Curriculum die Inhalte der entsprechenden Fortbildung für Apotheker sowie in einer Leitlinie auch die Voraussetzungen, die in der Apotheke für die Impfung erfüllt sein müssen, genau fest. Demnach dauert die Schulung mindestens acht Stunden und vermittelt theoretisches und praktisches Wissen über die Influenza, die Grippeschutzimpfung, Information und Beratung von Patienten zur Impfung, das Impfen an sich sowie Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Impfreaktionen. Die praktischen Übungen müssen dabei von ärztlichen Referenten angeleitet werden. Am Ende der Fortbildung gibt es eine Lernerfolgskontrolle.
Die BAK weist darauf hin, dass Apothekeninhaber es ihrem Berufshaftpflicht-Versicherer vorab anzeigen sollten, dass sie in ihrer Apotheke Impfungen anbieten wollen. Der Ablauf einer Impfung muss als Standardarbeitsanweisung im Qualitätsmanagementsystem der Apotheke beschrieben werden. Hierfür hat die BAK eine Vorlage bereitgestellt. Ein weiteres Formblatt kann als Blaupause für einen Hygieneplan genutzt werden, in dem alle erforderlichen Hygienemaßnahmen rund um die Impfung zusammengetragen sind. Alle Formulare sind in Kürze auf der Website der ABDA im geschützten Bereich abrufbar.
Es dürfen nur erwachsene Personen geimpft werden, die gesetzlich krankenversichert sind und deren Krankenkasse an dem Modellprojekt teilnimmt. Kontraindikationen für eine Impfung sind unter anderem akute Infekte mit Fieber über 38,5 °C, Überempfindlichkeit gegen Impfstoff-Bestandteile wie Gentamicin, Neomycin oder Hühnereiweiß sowie eine geplante Operation innerhalb der nächsten drei Tage. Auch eine Marcumar®-Therapie des Patienten ist ein Ausschlusskriterium, da diese Patienten nur subkutan geimpft werden dürfen, in der Apotheke aber zunächst nur intramuskulär geimpft wird. Schwangere sollten für die Grippeimpfung an den behandelnden Arzt verwiesen werden, empfiehlt die BAK.
Die Impfung findet in einem separaten Raum in der Apotheke statt, zum Beispiel im Beratungszimmer. Der Raum muss mit Sitzmöglichkeiten und einer Liege ausgestattet sein und darf von außen nicht einsehbar sein.
Vor der Impfung muss der Patient seine Einwilligung erteilen, nachdem er über Nutzen und Risiken aufgeklärt wurde. Hierzu muss der Apotheker dem Patienten ein Aufklärungsmerkblatt aushändigen und ihm kurz die wichtigsten Inhalte erklären. Entsprechende Merkblätter können beim Deutschen Grünen Kreuz (DGK) kostenpflichtig bestellt werden. Sie sind jedoch nicht speziell an die Situation in der Apotheke angepasst. Die BAK steht momentan mit dem DGK bezüglich eines eigenen Merkblatts für Apotheker in Verbindung. Aufklärungsbögen in anderen Sprachen gibt es kostenlos beim Robert-Koch-Institut (RKI). Eine Vorlage für die Einverständniserklärung des Patienten sowie die entsprechende Dokumentation in der Apotheke stellt die BAK zur Verfügung.
Was gibt es sonst noch zu beachten? Wichtig ist, dass ausschließlich Apotheker und auch nur diejenigen impfen dürfen, die die entsprechende Fortbildung erfolgreich absolviert haben. Sie sollten selbst möglichst vollständig, mindestens aber gegen Masern und Hepatitis B geimpft sein. Schwangere oder stillende Frauen sollten nicht impfen. Schließt eine an einem Modellprojekt teilnehmende Krankenkasse einen Rabattvertrag mit einem bestimmten Impfstoff-Hersteller, darf gegebenenfalls nur dieser verimpft werden. Unmittelbar nach der Impfung ist diese im Impfausweis des Patienten und in den Unterlagen der Apotheke zu dokumentieren.
Für den seltenen Fall einer Anaphylaxie muss in der Apotheke ein schriftlicher Notfallplan vorhanden sein. Im Notfall sind die Notrufnummer 112 zu wählen und Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit der Grippeimpfung sind der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu melden.
Die ABDA hat immer wieder betont, dass die Grippeimpfung in Apotheken keine Forderung der Apothekerschaft war. Die Bundesregierung erhofft sich aber mit der Schaffung einer weiteren Möglichkeit neben der Impfung in Arztpraxen eine Erhöhung der Impfquoten, die derzeit unstrittig zu niedrig sind. Diverse von der Weltgesundheitsorganisation und der EU-Kommission gesteckte Ziele für Durchimpfungsraten bis zu 75 Prozent bei den Risikogruppen Ältere und chronisch Kranke wurden verfehlt. So lag etwa in der Grippesaison 2016/2017 der Anteil der gegen Influenza geimpften Menschen ab 60 Jahren in Deutschland laut RKI bei lediglich 34,8 Prozent, wobei es zwischen den östlichen Bundesländern (50,9 Prozent) und den westlichen (29,8 Prozent) große Unterschiede gab.
In anderen Ländern, darunter die USA, dürfen Apotheker bereits gegen Grippe impfen. / Foto: Imago/Levine-Roberts
Deutschland steht mit der Neuregelung im internationalen Vergleich nicht allein da. Weltweit dürfen Apotheker in mindestens 20 Ländern gegen Grippe impfen. In Europa sind das Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Malta, Norwegen, Portugal und die Schweiz, darüber hinaus Argentinien, Australien, Brasilien, Costa Rica, Israel, Kanada, Neuseeland, Philippinen, Südafrika, Tunesien und die USA. Erfahrungen etwa aus Irland, wo Apotheker seit der Saison 2011/2012 impfen dürfen, zeigen, dass durch das zusätzliche Angebot die Durchimpfungsrate in der Tat kontinuierlich ansteigt.