BTK-Hemmer gegen Leukämie |
Brigitte M. Gensthaler |
08.01.2021 07:00 Uhr |
Auf pharmakokinetischer Ebene gibt es viele Wechselwirkungen, da Acalabrutinib und sein aktiver Metabolit hauptsächlich über das Cytochrom-P450-Enzym 3A4 (CYP3A4) metabolisiert werden. Zudem sind beide Stoffe Substrate von P-Glykoprotein (P-gp) und Breast Cancer Resistance Protein (BCRP).
Die gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A-/P-gp-Inhibitoren wie Ketoconazol, anderen Azolen oder Clarithromycin erhöht die Plasmaspiegel von Acalabrutinib und sollte vermieden werden. Falls diese Wirkstoffe kurzzeitig nötig sind, sollte das Leukämie-Mittel pausiert werden. Umgekehrt verringern gleichzeitig gegebene starke CYP3A-Induktoren wie Phenytoin, Rifampicin oder Carbamazepin die Plasmaspiegel von Acalabrutinib deutlich und sind daher zu vermeiden. Dies gilt auch für Johanniskraut, das die Plasmakonzentration möglicherweise unvorhersehbar senken kann.
Da die Löslichkeit von Acalabrutinib bei steigendem pH-Wert abnimmt, sinkt auch die Plasmakonzentration bei gleichzeitiger Anwendung von Antazida oder Protonenpumpenhemmern. Braucht der Patient ein Magensäure-reduzierendes Arzneimittel, sollten Antazida wie Calciumcarbonat oder H2-Rezeptor-Antagonisten wie Ranitidin oder Famotidin erwogen und der Patient auf die zeitversetzte Einnahme hingewiesen werden. PPI sind zu meiden.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Therapie nicht schwanger werden beziehungsweise der BTK-Hemmer sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Während der Behandlung und zwei Tage nach Einnahme der letzten Dosis sollten Frauen nicht stillen.
Bei der chronisch-lymphatischen Leukämie (CLL) handelt es sich um die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen in Mitteleuropa. Der Wirkmechanismus von Acalabrutinib ist nicht neu und bereits von Ibrutinib bekannt. Auch dieser Brutonkinase-Inhibitor wird seit Längerem bei CLL eingesetzt, hat im Vergleich zu Acalabrutinib aber ein breiteres Anwendungsgebiet. Seine Wirksamkeit konnte der neue Arzneistoff zweifelsohne in Studien unter Beweis stellen, allerdings ist ein Therapiefortschritt gegenüber Ibrutinib bisher nicht nachgewiesen. Ein direkter Vergleich mit dem älteren Kinasehemmer ist die Studie NCT02477696, die bei vorbehandelten CLL-Patienten die beiden Brutonkinase-Hemmer miteinander vergleicht. Gibt es Wirksamkeitsunterschiede? Gibt es relevante Unterschiede im Sicherheitsprofil, beispielsweise hinsichtlich Blutungen und Vorhofflimmern? Noch sind diese Fragen nicht beantwortet. Vorerst ist Acalabrutinib als Analogpräparat einzuordnen. Mit Spannung darf man ferner weiteren Studiendaten entgegensehen, auch aus Indikationsgebieten, in denen der Wirkstoff andernorts bereits zugelassen ist.
Sven Siebenand, Chefredakteur