Breiter Schutz mit altem Impfstoff? |
Theo Dingermann |
17.08.2022 09:00 Uhr |
Die kumulative Inzidenz von bestätigten Covid-19-Fällen betrug in der BCG-Kohorte 1 von 96 (1 Prozent), während sie in der Placebo-Gruppe am Ende der 15-monatigen Covid-19-Studie 6 von 48 (12,5 Prozent) betrug. Daraus lässt sich eine Wirksamkeit der Impfung hinsichtlich eines Schutzes vor einer SARS-CoV-2-Infektion von 92 Prozent ableiten. Weder in der BCG- noch in der Placebogruppe gab es Todesfälle durch Covid-19.
Die Autoren analysierten auch das Vorkommen anderer Infektionskrankheiten, die als »unerwünschte Ereignisse« erfasst wurden. Tatsächlich deuten schon frühere Daten aus klinischen Studien darauf hin, dass eine BCG-Impfung »Off-Target-Effekte« auslöst, die sich in einem Schutz vor viralen und bakteriellen Infektionskrankheiten äußern.
Über den Zeitraum der aktuellen Covid-19-Studie wurden daher Symptome auch anderer Infektionskrankheiten analysiert. Dabei zeigte sich, dass die von den Probanden gemeldeten kumulativen Infektionskrankheiten in der BCG-Gruppe gegenüber der Placebogruppe signifikant geringer war.
Dies war insofern bemerkenswert, als diese Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Infektanfälligkeit in dem Zeitraum zwischen der Impfung und dem Beginn der 15-monatigen Laufzeit der Studie nicht erkennbar waren. Diese Daten werten die Autoren dahingehend, dass es ähnlich wie auch für andere Studien beschrieben, etwa zwei Jahre dauert, bis eine BCG-Impfung derartige Off-Target-Effekte zeigt.
Ursprünglich war es die Absicht der Autoren, den Schweregrad der Covid-19-Symptome bei mit BCG geimpften Probanden im Vergleich zu den Probanden der Placebo-Gruppe zu bewerten. Dies war jedoch nicht möglich war, da nur eine Person in der BCG-Gruppe an Covid-19 erkrankt war. Daher analysierten die Autoren die Krankheitssymptome unabhängig von einer bestimmten Infektion, also bei jeglichen Infekten.
Insgesamt erwiesen sich die Symptome von Infektionskrankheiten in der Verumgruppe als signifikant schwächer ausgeprägt als diejenigen in der Placebogruppe. Auch dokumentierten die symptomatischen Patienten in der BCG-Gruppe signifikant weniger Arbeitsfehltage als die Patienten in der Placebogruppe.
Zudem erfassten die Autoren den Schweregrad von Infektionskrankheiten bei Studienteilnehmern im Vergleich zu erwachsenen Diabetikern, die im selben Haushalt lebten. Daten aus 20 Haushalten flossen in die Studie ein. Es zeigte sich, dass die Geimpften im Vergleich zu den im gleichen Haushalt lebenden Ungeimpften vergleichbare oder mildere Symptome im Laufe von Infektionskrankheiten aufwiesen, während die meisten Placebo-Empfänger im Vergleich zu ihren Haushaltsmitgliedern stärker erkrankt waren. Diese Daten unterstützen ebenfalls bereits veröffentlichte Daten, dass Typ-1-Diabetiker nicht nur schwerer Covid-19 erkranken, sondern auch bei anderen Infektionen schwerere Krankheitsverläufe zeigen.
Die Autoren weisen allerdings auch auf Limitationen ihrer Studie hin. Als wichtigste Einschränkung sehen sie die Beobachtung, dass die Schutzeffekte, die hier beschrieben werden, erst nach einer gewissen Zeit sichtbar werden. Erstaunt zeigen sich die Autoren auch, dass der dann etablierte Infektionsschutz doch sehr lange anhält. Daher sollten diese Resultate wohl erst dann abschließend bewertet werden, wenn sie unabhängig reproduziert werden konnten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.