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Infektionskrankheiten

Bond hat keine Zeit zu sterben

Bei seinem Jetset-Leben hat sich der Geheimagent James Bond alias 007 bereits vielen Infektionsrisiken ausgesetzt. Sein Umgang damit: ignorant und leichtsinnig. Zu diesem Schluss kommt ein Team von Mikrobiologen bei der Analyse der berühmten Kinofilme.
Jennifer Evans
28.01.2022  18:00 Uhr

Um die gesundheitlichen Risiken des Geheimagenten während seiner insgesamt 86 internationalen Reisen zwischen den Jahren 1962 und 2021 zu analysieren, hat sich jeder der drei beteiligten Wissenschaftler mehr als 3100 Minuten Filmmaterial angeschaut.

Mit einem Augenzwinkern berichteten die Autoren um Wouter Graumans vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und dem Radboud Center für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum im niederländischen Nijmegen, wie aufregend die Forschungsarbeit sein kann – oder zumindest wie abendfüllend. Dabei haben sie unter anderem beobachtet, dass sich 007 lediglich bei zwei Gelegenheiten die Hände wäscht – obwohl er mehrfach pathogenen Keimen aus Lebensmitteln ausgesetzt ist. Auch seinen Umgang mit vektorübertragenen Krankheiten und vernachlässigten Tropenkrankheiten bewerten sie als fahrlässig.

James Bond eignet sich in den Augen der Autoren hervorragend dazu, Risiken von Infektionskrankheiten aufzuzeigen, weil er »ein Beispiel für leichtsinnige Missachtung der Arbeitsgesundheit« ist. Für ihre Untersuchung interpretierten die Forscher aktuelle Reiseempfehlungen der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) im Kontext des historischen Krankheitsvorkommens.

Null Verhütung

Die Risiken, die angesichts Bonds aktivem Sexualleben entstehen, sind wohl zunächst die offensichtlichsten. Im untersuchten Zeitraum ist die Rede von insgesamt 59 Affären, was 2,4 pro Film entspricht. In nur drei Fällen gab es den Forschern zufolge Hinweise darauf, dass die Beziehungen etwas länger andauerten, etwa zwei Episoden lang. Bei anderen Gelegenheiten lag die Zeitspanne zwischen dem ersten Kennenlernen und dem sexuellen Abenteuer bei lediglich 20 Minuten. Verhütung fand demnach entweder gar nicht oder nur unzureichend statt.

Auch was lebensmittelbedingte Infektionen angeht, halten die Autoren den Kinohelden für blauäugig. Obst genießt er meist ungewaschen, etwa in »Thunderball« (1965) und »Stirb an einem anderen Tag« (2002), und oft nimmt er ungekochte Austern zu sich, zum Beispiel in »In tödlicher Mission« (1981). In diesem Zusammenhang weisen die Forscher auf die Gefahren von Vibrionen, Noroviren und Hepatitis hin.

Rohe Hühnchen und Blofelds Katze

Übrigens: Seine Hände wäscht Bond generell selten. Allerdings sei der Verzicht auf Hygiene in einigen Situationen den Umständen geschuldet, entschuldigen die Wissenschaftler seine Achtlosigkeit. Zum Beispiel, wenn er sich in »Leben und sterben lassen« (1973) entscheiden muss, entweder von Alligatoren aufgefressen zu werden oder diese mit rohem Hühnchen zu besänftigen – damit allerdings die Gefahr einer Salmonelleninfektion in Kauf nimmt. Auch das Bewusstsein für Toxoplasmen scheint ihm gänzlich zu fehlen, wenn er gleich in sieben Streifen in engen Kontakt mit der Perserkatze seines Gegenspielers Blofeld kommt.

Einem medizinischen Irrtum ist der britische Agent nach Ansicht des Autorenteams erlegen, wenn er seine Mundschleimhaut in »Liebesgrüße aus Moskau« (1963) mit Alkohol desinfiziert, nachdem er beim Säubern einer Wunde womöglich versehentlich Blut aufgenommen hat, über das Krankheitserreger in seinen Körper eindringen könnten. Das verwendete türkische Nationalgetränk Raki sei angesichts seines zu geringen Ethanolgehalts zur Reinigung von offenen Verletzungen ungeeignet, bemängeln die Mikrobiologen. Und noch dazu spiele das Risiko blutübertragbarer Infektionen wie Hepatitis B und C oder des Humanen T-lymphotropen Virus (HTLV) in solchen Fällen eine untergeordnete Rolle.

James Bond und medizinische Masken

In Sachen Social Distancing hat Bond ebenfalls nicht gerade Vorbildcharakter, unter anderem in »Goldfinger« (1964), »Im Dienst Ihrer Majestät« (1969), »Der Spion, der mich liebte« (1977), »Octopussy« (1983) sowie »Skyfall« (2012). Während seiner Japanreise 1967 missachtete er jedwede Verhaltensweisen, die ihn vor einer Virusübertragung durch die Atemluft hätten schützen können. Stattdessen schloss sich der Spion Menschenmassen an oder fuhr in öffentlichen Verkehrsmitteln, obwohl dort zuvor noch die Asiatische Grippe, die sogenannte H2N2-Pandemie, gewütet hatte.

Für noch besorgniserregender halten die Wissenschaftler jedoch den Versuch des Agenten in »Man lebt nur zweimal« (1967), sich mit einer Gesichtsmaske zu tarnen, die kurz zuvor noch eine andere Person getragen hatte. Nachdem auch SARS-CoV-2 noch eine Weile auf einem Gewebe überleben kann, liegt es für die Forscher nahe, dass dies genauso für andere Viren gelten kann. Sie rechnen Bond aber an, dass er immerhin bei drei anderen Gelegenheiten saubere Masken getragen hat – allem Anschein nach zumindest.

Ungeschützt vor Mücken, Zecken und Würmern

Fast naiv geht 007 zudem mit den Gefahren durch Malaria, Denguefieber und Chikungunyafieber in seinen Zielregionen wie Indien, Jamaika oder den Bahamas um. Die Mikrobiologen stellten fest, dass der Filmheld sogar die grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen gegen Insektenbisse missachtet und sich zuweilen lieber auf lokales Wissen verlässt. So rät ihm ein Bekannter in »Dr. No« (1962), sich mit Salzwasser gegen Stechmücken zu schützen. Auf einer späteren Mission in Japan in »Man lebt nur zweimal« (1967) schläft der Agent bei offenem Fenster, während die japanische Gehirnentzündung umgeht, ausgelöst durch das Flavivirus.

Äußerst ungünstig wirken sich bei vektorübertragenen Krankheiten laut der Untersuchung außerdem seine Trinkgewohnheiten aus. »Alkoholkonsum erhöht nachgewiesenermaßen die Konzentration flüchtiger Stoffe, die für die weibliche Malariamücke attraktiv sind, und somit steigt für ihn die Infektionswahrscheinlichkeit«, so die Forscher. Auf der anderen Seite dürfte sein exzessiver Alkoholkonsum die Wachstumsraten von Plasmodien ausreichend stark gehemmt haben. Weniger draufgängerisch zeigt sich der Agent hingegen beim Wandern durch die japanische Graslandschaft. Dort will er um jeden Preis Zeckenbisse vermeiden und trägt freiwillig eine lange Hose.

Bei einer Bootsfahrt in der Türkei hat Bond wiederum keinen Vertrag damit, in Kontakt mit Wasser zu kommen, das mit Rattenurin kontaminiert ist. Laut CDC besteht in solchen Fällen die Möglichkeit, sich mit Leptospirose zu infizieren. Ebenso gewagt ist es, wenn er in Indien einen Blutegel mit einem Feuerzeug entfernt. Durch den Reiz steigt demnach die Wahrscheinlichkeit, dass der Mageninhalt des Tiers in seinen Blutkreislauf gelangt. Blutegel sind bekannt dafür, Aeromonas veronii zu tragen und somit Bakteriämie oder Sepsis auslösen zu können.

Was die vernachlässigten Tropenkrankheiten betrifft, war der Geheimagent in der Karibik auf dem besten Weg, sich während eines unachtsamen Barfuß-Strandspaziergangs die parasitäre Hautkrankheit Larva migrans cutanea einzufangen, die unter anderem von der Larve des Hakenwurms und Pilzen ausgelöst wird. In Vietnam nähert sich der Agent außerdem einem streuenden Hund, obwohl dort Tollwut eine endemische Krankheit ist.

Lebensstil verstärkt die Risiken

Den Autoren zufolge handelt es sich um die erste Studie, die James Bonds Gesundheitsrisiken, insbesondere bei der Arbeit, einmal genauer unter die Lupe nimmt. Vor allem durch seine Reisetätigkeit ist er verstärkt den Risiken von Infektionskrankheiten ausgesetzt. Diese Gefahren addierten sich zu denen, die er ohnehin schon durch seinen ausschweifenden Lebensstil mit Rauchen, Trinken, Schlafmangel, seinem Sexualverhalten und zuweilen extremer Sonneneinstrahlung mitbringt.

Die Mikrobiologen kommen zu dem Schluss, dass Bond insgesamt »nur ungenügend auf reisebedingte Gesundheitsrisiken vorbereitet ist und speziell, was die Bedrohung durch Infektionskrankheiten angeht, zudem sehr naiv ist«.

Auch in den neuen Filmen ändert er seine Einstellung demnach nicht. Die Autoren vermuten, dass er sich entweder zu sicher fühlt, die Zuschauer ihm seine Fehltritte verzeihen oder die Bekämpfung anderer Bedrohungen in manchen Augenblicken eine größere Rolle spielt.

Darüber hinaus sehen sie seinen Arbeitgeber MI6 in der Verantwortung, die Missionen für den Geheimagenten mit etwas mehr Vorlauf anzukündigen. Vor einem Abflug in die Karibik in »Dr. No« waren es lediglich 3 Stunden und 22 Minuten – zu kurz, um prophylaktisch tätig zu werden, kritisieren sie mit einem Schmunzeln. 

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