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AMG-Ausnahmen
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BMG will Arzneimittelversorgung in Krisen neu regeln

In der Coronavirus-Pandemie wurden einige Sonderregelung in der Arzneimittelversorgung nötig. Unter anderem ging es darum, Arzneimittel in Krisensituationen schnell zu beschaffen und verteilen zu können. Einige dieser Sonderregelungen will die Bundesregierung nun erhalten – unter anderem geht es um die Apothekenpflicht und um die Abgabe von Großhändlern an »beauftragte Stellen«.
AutorKontaktBenjamin Rohrer
Datum 21.04.2022  15:45 Uhr

Um die Arzneimittelversorgung in Krisensituationen aufrechtzuerhalten, gilt schon seit mehreren Jahren die AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung (kurz: AMGZSAV). In dieser Verordnung sind Fälle festgehalten, in denen die Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) wegen Krisenlagen außer Kraft gesetzt werden. So ist es beispielsweise schon seit längerer Zeit möglich, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auch die Apothekenpflicht (Paragraph 43 des AMG) insofern aufweichen darf, dass Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken durch »beauftragte Stellen« abgegeben werden dürfen.

In der Pandemie war es nötig, darüber hinaus noch einige weitere Sonderregelungen in der Arzneimittel-Notversorgung zu etablieren – diese wurden in der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) festgehalten. Diese Verordnung läuft aber Ende November dieses Jahres aus. Doch das BMG will als Verordnungsgeber nun einige dieser Sonderregelungen in die Zeit nach der Pandemie überführen und hat deswegen einen Entwurf zur Ergänzung der oben genannten AMGZSAV vorgelegt.

Apothekenpflicht kann in der Krise gelockert werden

Grundsätzlich gelten diese Maßnahmen ausschließlich in besonderen Krisensituationen. Die ansonsten zwingenden arzneimittelrechtlichen Vorschriften dürfen nur außer Kraft gesetzt werden, wenn (laut Paragraph 79 des AMG) eine bestehende oder drohend bedrohliche Infektionskrankheit die notwendige Versorgung mit Arzneimitteln gefährdet. Unter anderem soll laut aktuellem Änderungsentwurf nun etabliert werden, dass die Bundes- oder Landesbehörden von ihnen selbst beschaffte oder gelagerte Arzneimittel auch ohne Zulassung in Verkehr bringen können. Dies soll aber nur nach einer Nutzen-Risiko-Bewertung möglich sein. Insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, für die ein noch nicht bestätigter EU-weiter Zulassungsantrag vorliegt, soll unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden.

Auch an den bereits möglichen Ausnahmen zur Apothekenpflicht will das BMG nochmals feilen. Konkret soll es künftig in Krisensituationen auch möglich sein, nicht-apothekenpflichtige, vom Arzt verordnete Arzneimittel über »beauftragte Stellen« außerhalb von Apotheken abgeben zu lassen. Da diese Ausnahme bislang schon ohnehin für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel galt, dürfte die Erweiterung aus Apothekersicht nicht problematisch sein und keine wirklichen Auswirkungen auf die Versorgungsrealität haben. Erinnert sei an dieser Stelle auch an eine Stellungnahme der ABDA aus dem Jahr 2020, als das BMG (wie oben beschrieben) in der MedBVSV schon einige AMG- Ausnahmeregelungen geregelt hatte. Damals hatte die Standesvertretung der Apotheker die Ausnahmen so kommentiert: »Nach unserer Einschätzung geht es nicht darum, dass die Apothekenpflicht als ordnungspolitische Grundregel infrage gestellt werden soll.«

Großhändler sollen andere, beauftragte Stellen beliefern

Neu hinzukommen soll, dass Großhändler und Hersteller Arzneimittel in Notsituationen nicht mehr nur an die Bundes- und Landesbehörden abgeben können sollen, sondern auch an andere Empfänger, die in der Verordnung allerdings nicht genauer benannt werden. Auch neu geregelt werden soll, dass Arzneimittel mit überschrittenem Verfallsdatum künftig in Krisenzeiten in Verkehr gebracht werden dürften. Für Apotheken heißt das, dass die in ihren Notfalldepots vorhanden Medikamente auch nach dem abgelaufenen Verfallsdatum genutzt werden könnten.

Weitere AMG-Ausnahmen soll es bei der Kennzeichnungspflicht geben. Sollten Informationen über Arzneimittel beispielsweise nicht mehr in deutscher Sprache möglich sein, können die Behörden diese auch »in geeigneter Weise« übermitteln. Auch die Ausnahmen von der Herstellungserlaubnispflicht sollen erweitert werden.

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