Blutdruckmessung als pharmazeutische Dienstleistung |
Daniela Hüttemann |
14.06.2022 18:00 Uhr |
Der Patient sollte sich in der Apotheke fünf Minuten sitzend ausruhen, bevor die Blutdruckmessung losgeht. / Foto: Getty Images/Tom Werner
Viele Menschen haben Bluthochdruck und wissen es nicht. Doch je früher ein erhöhter Blutdruck erkannt wird, desto besser die Chancen, Folgeerkrankungen zu vermeiden. Zwar wird der Blutdruck auch bei der Vorsorgeuntersuchung »Check-Up-35« vom Hausarzt erfasst, auf die gesetzlich Versicherte ab dem 35. Geburtstag alle drei Jahre einen Anspruch haben. Doch sank die Beteiligung nach Zahlen von Statista in den vergangenen Jahren kontinuierlich von 42,04 Prozent im Jahr 2010 auf 31,6 Prozent in 2019.
Erst letzten August zeigte eine große globale Analyse im Fachjournal »The Lancet«, dass fast jeder zweite Hypertoniker weltweit nichts von seinem Hochdruck weiß; in Deutschland ist es fast jeder Dritte. Hierzulande erhalten laut Studie nur 64 Prozent der betroffenen Frauen und 61 Prozent der Männer blutdrucksenkende Medikamente. Weniger als die Hälfte von ihnen erreicht die angestrebten Zielwerte. Daher bietet sich die regelmäßige Blutdruckmessung zur Therapiekontrolle und Adhärenzförderung an. Und genau dieses Monitoring ist nun eine pharmazeutische Dienstleistung.
Ziele der Maßnahme sind:
Anspruchsberechtigt sind alle Versicherten, die nach Selbstauskunft einen bekannten Bluthochdruck haben und mindestens ein verordnetes blutdrucksenkendes Mittel einnehmen. Dazu zählen Diuretika, Betablocker, Calciumkanalblocker, ACE-Hemmer und Sartane sowie Clonidin, Moxonidin und Doxazosin. Die »standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck« kann nach einer Neuverordnung oder Änderung der antihypertensiven Medikation erfolgen, wenn der Patient sein Medikament mindestens zwei Wochen einnimmt.
Diese Blutdruckmessung kann einmal im Jahr erfolgen. Ändert sich die antihypertensive Medikation (neuer Wirkstoff, andere Dosierung etc), auch eher. Gemessen werden sollte, wenn der Patient die neue Medikation mindestens zwei Wochen anwendet.
Durchgeführt werden darf die Leistung von allen, die zum pharmazeutischen Personal zählen, auch von Pharmazeuten oder PTA im Praktikum. Es ist keine weitere Qualifikation nötig. Es empfiehlt sich, die Verantwortlichkeiten und Arbeitsabläufe vorab im Team festzulegen. So kann zum Beispiel jeder Patient bei Einlösung einer Verordnung für ein Antihypertensivum angesprochen werden. Hierbei können Apothekensoftware und Patientendatei unterstützen. Der Zeitaufwand der Dienstleistung beträgt schätzungsweise 15 Minuten. Das könnte eine Terminvergabe erfordern.
Benötigt wird ein ruhiger abgeschirmter Platz zum Messen (am besten ein separater Beratungsraum). Vorhanden sein soll ein validiertes Blutdruckmessgerät, am besten eines, das eine vollautomatisierte Dreifachmessung durchführen kann, ein Maßband, um die geeignete Manschettengröße zu bestimmen, geeignete Manschetten für unterschiedliche Oberarm- und Handgelenksgrößen sowie gegebenenfalls ein Taschenrechner, um den Mittelwert zu bilden.
Die üblichen Geräte mit oszillometrischem Messprinzip eignen sich nicht für Patienten mit Herz-Rhythmus-Störungen, Herzschrittmachern, arteriosklerotischen Gefäßveränderungen (ältere Menschen, Diabetes im fortgeschrittenen Stadium) sowie bei fortgeschrittener Schwangerschaft, da sie bei diesen Patienten fehlerhafte Ergebnisse liefern können. Hier ist die klassische Riva-Rocci-Methode mit dem Stethoskop eine Alternative.
Wie soll die Blutdruckmessung in der Apotheke nun ablaufen? Dazu gibt es umfangreiches Arbeitsmaterial auf der ABDA-Website unter www.abda.de/pharmazeutische-dienstleistungen, darunter eine Prozessbeschreibung mit einem übersichtlichen Fließdiagramm, die Standardarbeitsanweisung (SOP) »Blutdruckmessung in der Apotheke« und der »Informationsbogen Blutdruck (bei bestehendem Blutdruck)« sowie weitere Arbeitshilfen. Wie bei jeder pharmazeutischen Dienstleistung müssen Apotheke und Patient zuerst eine schriftliche Vereinbarung schließen. Der Patient versichert dabei auch, dass er anspruchsberechtigt ist.
Zur eigentlichen Messung soll der Patient in der Stunde vor der Messung auf Koffein, Alkohol und Nikotin verzichten. In der Apotheke soll er mindestens fünf Minuten in Ruhe am Messplatz sitzen, bevor es losgeht. In dieser Zeit kann er (gegebenenfalls mithilfe des Apothekenpersonals) den ersten Abschnitt des »Informationsbogen Blutdruck (bei bestehendem Blutdruck)« zur Anamnese ausfüllen (ausgedruckt oder digital).
Darin wird abgefragt, wann die Diagnose gestellt wurde und ob bereits Blutdrucksenker oder Herzmedikamente verordnet wurden und wenn ja, welche. Ebenso wird nach folgenden Vorerkrankungen beim Patienten selbst oder in der Familienanamnese gefragt: Diabetes, koronare Herzkrankheit, chronische Nierenerkrankung, Herzschwäche, Schlaganfall und/oder Herzinfarkt. Last but not least wird nach dem Raucherstatus gefragt. Das pharmazeutische Personal ergänzt Datum und Uhrzeit der Messung, an welchem Arm gemessen wird und das verwendete Gerät.
Dann erfolgt die Messung mit passender Manschette in sitzender Position mit unterstütztem Rücken und entspannt abgelegten Armen. Für Messung und Ruhephase gilt: keine Gespräche und kein Smartphone. Der Messarm darf nicht durch zurückgeschobene Kleidung abgeschnürt werden. Uhren oder Schmuck sollten zuvor abgelegt werden.
Es sind gemäß Leitlinie und Leistungsbeschreibungen drei Messungen jeweils im Abstand von einer bis zwei Minuten erforderlich. Manche Geräte tun dies automatisch. Falls nicht, ist darauf zu achten, dass die Manschette zwischendurch vollständig entlüftet ist. Bei einem Oberarmmessgerät soll der untere Rand der Manschette etwa 3 cm oberhalb des Ellbogens positioniert werden, damit sich die Manschette auf Herzhöhe befindet. Der Luftschlauch befindet sich auf der Innenseite des Arms und verläuft Richtung Mittelfinger. Handgelenkmessgeräte müssen während der Messung auf Herzhöhe positioniert werden.
Dann wird der Mittelwert aus der zweiten und dritten Messung gebildet. Die Werte sowie der Puls werden in den Informationsbogen eingetragen. Nun kann anhand des Ampelschemas im Informationsbogen aus diesem Mittelwert eine Empfehlung abgeleitet werden. Dies ist aus der gemeinsamen Leitlinie »Management der arteriellen Hypertonie« der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH) aus dem Jahr 2018 abgeleitet.
Bei Personen mit bestehendem Bluthochdruck werden die Grenzwerte etwas enger gezogen als bei Menschen mit bislang unauffälligen Werten. Hypertoniker bis einschließlich 64 Jahre sollten bereits bei einem ermittelten Wert über 130 mmHg systolisch oder 80 mmHg diastolisch innerhalb von vier Wochen zum Arzt gehen (rot). Für Bluthochdruck-Patienten ab 65 Jahren gilt dies für 140 mmHg systolisch oder 80 mmHg diastolisch.
Liegt der ermittelte Werte unter 120 mmHg systolisch oder 70 mmHg diastolisch, gilt es für Personen jeden Alters, ihren Arzt beim nächsten Besuch darüber zu informieren (gelb). Den Informationsbogen sollte der Patient dabei mitnehmen und vorzeigen. Liegt der ermittelte Wert zwischen 120 bis 130 mmHg systolisch (bei Über-65-Jährigen 120 bis 140 mmHg) und diastolisch zwischen 70 und 80 mmHg, befindet sich der Patient im grünen Bereich und soll weiterhin selbstständig seinen Blutdruck regelmäßig kontrollieren. Sie sollten zweimal täglich jeweils zweimal hintereinander messen und den Mittelwert dokumentieren, empfiehlt die Deutsche Hochdruckliga.
Fallen der systolische und der diastolische Wert in unterschiedliche Kategorien, soll nach der jeweils höheren Kategorie vorgegangen werden, also rot > gelb > grün.
Manche Blutdruckmessgeräte geben auch einen Hinweis auf Arrhythmien. Ist dies der Fall und dem Betroffenen bislang unbekannt, sollte er das zeitnah (innerhalb von vier Wochen) ärztlich abklären lassen. Ebenfalls sollten Personen mit einem Ruhepuls über 100 Schläge pro Minute an den Arzt verwiesen werden. Ein Blutdruck von höher als 180/110 mmHg stellt einen Notfall dar; der Patient muss sofort zum Arzt.
Eine Evaluation der Informationsbögen Blutdruck an 187 Personen in 17 Apotheken hat gezeigt, dass die Dreifachmessung grundsätzlich möglich ist und von den Teilnehmenden akzeptiert wird. Im Schnitt dauerte es zwölf Minuten pro Teilnehmer. Die Pilotstudie zeigte auch, dass bei bislang unbekanntem Bluthochdruck tatsächlich bei vielen zu hohe Werte gefunden wurden und häufig ein baldiger Arztbesuch empfehlenswert war (16 Prozent der Teilnehmenden ohne bislang bekannter Hypertonie, 55 Prozent der Teilnehmenden mit Diagnose).
Zum Schluss quittiert der Patient die erbrachte Leistung und erhält das Original des Informationsbogens Bluthochdruck. Die Apotheke kann nun ein Musterformular mit dem Sonderkennzeichen SPZN 17716872 bedrucken und abrechnen. Pro standardisierter Risikoerfassung darf sie 11,20 Euro netto abrechnen.