Bloß nicht ins Heim – welche Hilfen gibt es? |
Ob Betreuungs- und Pflegedienste, Tages- und Nachtpflege, Senioren-WGs oder finanzielle Unterstützung wie die Hilfe zur Pflege – welche Hilfen es gibt, wissen die wenigsten. Aus Sicht des VdK wäre deshalb mehr Beratung nötig. «Gänzlich unversorgt sollte keiner in Deutschland bleiben müssen», sagt der Kölner Pflegeprofessor Dr. Michael Isfort. Verwandte sind dabei nicht in der Pflicht: «Niemand wird gezwungen, die Pflege für einen Dritten zu übernehmen», betont eine Sprecherin des Landratsamtes Karlsruhe. Die Entscheidung sollte immer freiwillig getroffen werden.
Andererseits muss sich auch niemand helfen lassen. Im Zuge der verfassungsrechtlich geschützten individuellen Freiheit kann jeder selbst entscheiden, ob er Hilfe in Anspruch nimmt, betont ein Sprecher des Stuttgarter Sozialministeriums. Es sei denn, es besteht die Gefahr erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung.
Auf der Grundlage könnte mit Genehmigung des Betreuungsgerichts etwa ein schwer Demenzkranker gegen seinen Willen im Pflegeheim untergebracht werden. Selbstbestimmung schließt Extremfälle ein: «Jeder hat auch das Recht, zu verwahrlosen», sagt Eckart Hammer, der Vorsitzende des Landesseniorenrats. Für Angehörige sei das schwer auszuhalten. Sie müssten aber lernen, sich abzugrenzen und zu schützen.
Tanja Fröhlich, Sozialpädagogin und Leiterin des Pflegestützpunktes Baden-Baden, hat häufiger weinende Angehörige vor sich, die nicht mehr weiter wissen. «Wir versuchen dann, den Druck herauszunehmen und bieten an, mit dem Vater oder der Mutter zu sprechen.» Doch selbst wenn das Zuhause zur Messie-Wohnung geworden ist, ist das Sache des Bewohners.
Dass jemand jede Hilfe verweigert, ist nach Beobachtung des Landratsamtes Karlsruhe sehr selten. Seniorenverbandschef Hammer geht aber davon aus, dass sich problematische Fälle angesichts von mehr Älteren häufen werden. Er rät, sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wie man im Alter leben will. «Die meisten schieben das zu lange weit von sich.»
Bevor die «Babyboomer» in Rente gehen, muss aus Sicht der Vize-Vorständin der Badischen Diakonie, Manuela Striebel-Lugauer, das ambulante Netzwerk der Altenhilfe dringend ausgebaut werden. «Man will Menschen so weit wie möglich auch im Alter eigenbestimmt lassen. Die Grenzen zu finden – das ist die Kunst.»
Angesichts von zu wenig Pflegepersonal schon heute und absehbar mehr Pflegebedürftigen könnten aus Sicht der Diakonie-Altersexpertin neue Strukturen und verstärkte Hilfe von Angehörigen nötig werden. «Es muss ein gesellschaftliches Umdenken geben, sonst werden wir die Versorgung Pflegebedürftiger nicht sicherstellen können.»