Bispezifischer Antikörper verbessert Sehkraft |
Kerstin A. Gräfe |
09.11.2022 07:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf den Phase-III-Studien TENAYA und LUCERNE bei nAMD sowie YOSEMITE und RHINE beim DMÖ mit insgesamt 3220 Patienten. Bei den Teilnehmern mit DMÖ konnte das Therapieintervall nach vier monatlichen Dosen in Vier-Wochen-Schritten gemäß einem Treat and Extend-Schema bis auf 16 Wochen verlängert werden. Bei jenen mit nAMD war dies bei fehlenden Anzeichen von Krankheitsaktivität in Woche 20 und 24 unmittelbar nach der Aufsättigungsphase möglich. Primärer Endpunkt war der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit von Vabysmo im Vergleich zu Aflibercept in Bezug auf die Veränderung der bestkorrigierten Sehschärfe (Best-corrected Visual Acuity, BCVA) nach einem Jahr.
In allen vier Studien wurde der primäre Endpunkt erreicht. Bei Patienten mit DMÖ wurden mit Vabysmo im ersten Studienjahr Visusverbesserungen um durchschnittlich 11,6 (YOSEMITE) beziehungsweise 10,8 (RHINE) Buchstaben erzielt (Aflibercept: +10,9 beziehungsweise +10,3 Buchstaben) und bei jenen mit nAMD um durchschnittlich 5,8 (TENAYA) beziehungsweise 6,6 (LUCERNE) Buchstaben (Aflibercept: +5,6 beziehungsweise +6,6 Buchstaben). Im zweiten Jahr blieben die Verbesserungen bei durchschnittlich nur drei Injektionen erhalten. In allen Studien erreichten im Zwei-Jahres-Verlauf etwa 78 Prozent der mit Vabysmo behandelten Patienten ein Intervall von drei oder vier Monaten.
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Katarakt, Bindehautblutung, erhöhter Augeninnendruck, Mouches volantes, Augenschmerzen und Einriss des retinalen Pigmentepithels (nur nAMD).
Faricimab ist eine typische Schrittinnovation. Der bispezifische Antikörper adressiert nicht nur — wie andere Therapieoptionen — den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF-A), sondern zusätzlich auch Angiopoietin-2 (Ang-2). Dies ist neu. Ang-2 führt unter anderem dazu, dass Zellen für die Wirkung von VEGF-A empfindlicher werden, und verstärkt den negativen Einfluss von VEGF-A auf die Stabilität und Durchlässigkeit von Gefäßen sowie entzündliche Prozesse. Daher macht der bispezifische Ansatz Sinn. Es können dank Faricimab also zwei verschiedene Signalwege gehemmt werden, die für pathologische Prozesse bei retinalen Erkrankungen verantwortlich sind. Auch die Studienergebnisse überzeugen.
Die Gabe muss leider auch im Fall von Faricimab direkt in den Glaskörper erfolgen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass nach einer Startphase der Antikörper nur noch selten injiziert werden muss, gegebenenfalls nur alle vier Monate. Das würde die Lebensqualität betroffener Patienten steigern, was die vorläufige Einstufung als Schrittinnovation ebenfalls untermauert.
Sven Siebenand, Chefredakteur