Biotech wesentliches Element künftiger Kriege |
«Wenn die einen aufgrund von Medikamenten eine Woche lang durchkämpfen können, während die anderen diese Substanzen nicht nehmen dürfen und am fünften Tag nicht mehr imstande sind, Feuerschutz zu geben, entsteht offenkundig ein Ungleichgewicht», so Flottillenarzt Dr. Christian Haggenmiller. / Foto: Getty Images/Virojt Changyencham
Deutsche Militärwissenschaftler warnen vor einem möglicherweise ungehemmten Einsatz von Biotechnologie für die Leistungssteigerung künftiger Soldaten. Es sei deswegen nötig, die Anwendung neuer Technologien besser zu beobachten und international zu regeln, erklärt Flottillenarzt Dr. Christian Haggenmiller, Forscher der Bundeswehr-Denkfabrik GIDS (German Institute for Defence and Strategic Studies). Haggenmiller leitet eine Arbeitsgruppe in einem militärischen Forschungsverbund (Multinational Capability Development Campaign/MCDC), in dem Nato, EU und 22 Staaten Chancen und Risiken ausloten. Der Mediziner befasst sich mit leistungssteigernden und -mindernden Anwendungen am Menschen. Es geht um den Einsatz von Biosensoren, Implantaten, Roboteranzügen zur Unterstützung des menschlichen Bewegungsapparates und Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, aber auch um leistungssteigernde Medikamente.
Die neuen Methoden gingen über «Optimierung» durch Sport und Training hinaus und führen in das Feld künstlicher Fähigkeiten («Enhancement»). Da auch lange bekannte Technik wie Ferngläser und Druckluftflaschen für Taucher zu dieser Gruppe zählen können, stellen sich neue Definitionsfragen. Politisch brisant auch: Technologien, die die Kampfkraft des Gegners mindern («Degradation»). Dies ist beispielsweise möglich durch gezielte Bestrahlung mit Ultraschall oder Mikrowellen. Möglich sind zudem Manipulationen und das Abfangen von Daten, wie sie Biosensoren oder Fitnessuhren erzeugen. «Ohne dass ich meiner Arbeitsgruppe beim MCDC vorweggreifen möchte: Ich empfehle dringend die Schaffung eines multinationalen, interdisziplinären Zentrums zur Beobachtung und Bewertung potenzieller Gefahren», so Haggenmiller. «Das enorme Feld der Biotechnologie wird unsere Gesellschaften massiv beeinflussen und ein wesentliches Element künftiger Kriege sein.»