Beschwerden jenseits der Speiseröhre |
Streng genommen könne man den stillen Reflux als laryngo pharyngeale Neuropathie bezeichnen, so der Experte. Aufgrund der chronisch entzündeten Schleimhäute würden im Hintergrund Mechanismen aktiviert, die die Schleimhäute hypersensitiv werden lassen. »Weil dies über Nervenzellen vermittelt wird, entspricht die Hypersensitivität neuropathischen Schmerzen. Diese viszerale Hypersensitivität ist ein Grund, warum Symptome verstärkt dann auftreten, wenn die Schleimhaut zusätzlich gereizt wird. Denn es ist ja so, dass die Betroffenen auf kleinste Reize reagieren. Diese können Spuren von Magensäure in Aerosolform sein, aber eben auch Gewürze im Essen, Gerüche, scharfe Putzmittel, Parfums oder auch trockene Luft können die Schleimhäute Betroffener reizen.« Das macht deutlich: Lebensstilfaktoren im Allgemeinen und der Ernährungsweise im Besonderen kommen eine zentrale Rolle bei der Behandlung der Beschwerden zu.
Storr führt in seinem Ratgeber-Buch (siehe Buchtipp) noch einen weiteren auslösenden Faktor an: das Eiweiß abbauende Enzym Pepsin. »Dieses Enzym, auch wenn es nur in Spuren an die Schleimhäute außerhalb der Speiseröhre gerät, macht dann das, wofür es produziert wurde: Es zerlegt Proteine, auch wenn diese Proteine die eigenen Schleimhautzellen ab Kehlkopf aufwärts sind. Pepsin, ebenso wie kleine Mengen Magensäure, wirken folglich an der kaum geschützten Schleimhaut außerhalb von Magen und Speisröhre inflammatorisch.«
Die Diagnose ist für Betroffene nicht selten mit einer Ärzte-Odyssee verbunden. Weil das Beschwerdebild medizinisch gesehen fächerübergreifend ist, gelingt oft die Zuordnung nicht. Man könnte den stillen Reflux laut Storr auch als »Verdachtsdiagnose bezeichnen, die vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt gestellt und vom Gastroenterologen bestätigt wird«. Dieser nimmt eine Magenspiegelung vor sowie in Einzelfällen eine sogenannte 24-Stunden-Impedanz-pH-Metrie, also eine Säure-Refluxmessung per Magensonde. Damit lässt sich feststellen, ob der Mageninhalt bis zum oberen Schließmuskel der Speiseröhre aufsteigt.
Auch diese Methode ist nicht unbedingt aussagekräftig, zeigen Storrs Erfahrungen. Bei vielen Patienten sei die Menge des Rückflusses so minimal, dass die Refluxmessung einen Normalwert anzeigt, obwohl Beschwerden bestehen. »Eine negative Impedanz-pH-Metrie ist deshalb noch kein Beleg dafür, dass man nicht an einem stillen Reflux leidet«, heißt es im Buch.
Umso wichtiger sei eine gründliche Anamnese, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Beschreiben die Patienten etwa, dass ihr Husten mit der Nahrungsaufnahme oder bestimmten Körperpositionen zusammenhängt oder dass beim Vorneüberbeugen Missempfindungen im Halsbereich entstehen, seien das deutliche Hinweise auf den versteckten Reflux.