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Pharmazeutische Bedenken

Bei diesen Arzneistoffen greifen Apotheker am häufigsten ein

Bei welchen Wirkstoffen und Darreichungsformen haben Apotheker vergangenes Jahr am häufigsten pharmazeutische Bedenken geltend gemacht? Eine Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) zeigt die Top 20 .
AutorKontaktJuliane Brüggen
Datum 11.11.2021  07:00 Uhr

Das Niveau der dokumentierten pharmazeutischen Bedenken entsprach 2020 dem des Vorjahres, berichtet das DAPI: Etwa 1 Prozent aller Rezeptzeilen, bei denen ein Austausch möglich war, wurden mit dem Sonderkennzeichen für pharmazeutische Bedenken versehen. Berücksichtigt wurden alle Abgaben, bei denen aut-idem-fähige Präparate oder Importe für die Abgabe infrage kamen und keine anderen Sonderkennzeichen verwendet wurden. Diese Rezeptzeilen entsprachen 2020 bundesweit etwa 75 Prozent aller zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegebenen Fertigarzneimittel.

»In unseren Auswertungen lässt sich kein direkter Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die Anwendung pharmazeutischer Bedenken erkennen«, sagt Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Pharmazie des DAPI. »Ein leichter Rückgang der Anwendung im April 2020 könnte im Zusammenhang mit dem Erlass der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung stehen.« Die Verordnung räumte Apotheken mehr Spielraum ein, von den Abgaberegelungen des Rahmenvertrags abzuweichen, um Patienten sofort zu versorgen und Folgekontakte zu vermeiden. Sie dokumentierten dies mit dem Sonderkennzeichen 02567024 für den dringenden Fall. »Dies könnte sich auf die Notwendigkeit der Dokumentation pharmazeutischer Bedenken vermindernd ausgewirkt haben«, vermutet Schulz.

Mehr Bedenken bei Vitaminzusätzen

Auch wenn pharmazeutische Bedenken immer eine Einzelfallentscheidung sind, kann es hilfreich sein, häufige Fälle und wichtige Wirkstoffe sowie Darreichungsformen zu kennen. Viele Arzneistoffe, bei denen das pharmazeutische Personal 2020 am häufigsten den Austausch verhindert hat, sind bekannt, zum Beispiel Lorazepam oder Ipratropiumbromid. Im Vergleich mit dem zweiten Halbjahr 2019 hat sich laut DAPI nur wenig verändert. »Überraschend war aber eine deutliche Zunahme dokumentierter pharmazeutischer Bedenken für intravenöse Lösungen und Zusätze zur parenteralen Ernährung im Laufe des Jahres 2020. Vitamine als Zusatz zu intravenösen Lösungen belegten 2020 bei der Auswertung der Wirkstoffe mit dem größten Anteil an pharmazeutischen Bedenken bundesweit den zweiten Platz, auch wenn sie bezogen auf den Absatz nur eine geringe Rolle spielten«, ergänzt Schulz. Grund für diese Bedenken könnte sein, dass parentale Ernährungslösungen häufig aus mehreren Komponenten bestehen und die physikochemische Stabilität zu beachten ist.

Rang Wirkstoff Anteil pharmazeutischer Bedenken* [%]
1 Lorazepam 17,8
2 Vitamine als Zusatz zu i.v.-Lösungen 12,0
3 Ipratropiumbromid 9,4
4 Mycophenolsäure 8,6
5 Ondansetron 8,3
6 Drospirenon und Ethinylestradiol 8,1
7 Botulinumtoxin 7,5
8 Desogestrel 6,7
9 Calcium, Kombinationen mit Vitamin D und/oder anderen Mitteln 6,6
10 Levodopa und Decarboxylasehemmer 6,6
11 Hydroxychloroquin 6,0
12 Acetylsalicylsäure 5,8
13 Methotrexat (Immunsuppressiva) 5,8
14 Dienogest 5,6
15 Brinzolamid 5,3
16 Methylphenidat 5,2
17 Tiotropiumbromid 5,2
18 Glycopyrroniumbromid 5,1
19 Formoterol und Budesonid 5,1
20 Beclometason (Inhalativa) 5,1
Tabelle: Top-20-Wirkstoffe, bei denen 2020 pharmazeutische Bedenken dokumentiert wurden. * bezogen auf Rezeptzeilen, bei denen ein Präparateaustausch möglich gewesen wäre.

Weitere Parenteralia, bei denen es oft zu pharmazeutischen Bedenken kam, sind Methotrexat und Botulinumtoxin. So wurde im Fall von Methotrexat-Fertigspritzen oft verhindert, dass der Patient ein Präparat mit einem größeren Injektionsvolumen erhält und die Injektion dadurch möglicherweise schmerzhafter wird. Ein weiterer Faktor ist die Handhabung: Während manche Fertigspritzen applikationsfertig verpackt sind, müssen andere erst zusammengesetzt werden – schwierig, gerade angesichts der Indikation Rheuma.

Die Darreichungsform war vermutlich auch bei Lorazepam, Nummer 1 auf der Liste, und Ondansetron, ebenfalls unter den Top 5, ausschlaggebend – beide Wirkstoffe sind in schnell zerfallenden Arzneiformen im Handel (Lorazepam als Tavor® Expidet® Täfelchen, Ondansetron als Schmelztablette). Hier verhinderten Apotheken häufig, dass diese spezielle Arzneiform durch ein preisgünstiges oder rabattiertes Arzneimittel mit der Darreichungsform »Filmtablette« oder »Tablette« ersetzt wird – aus pharmazeutischer Sicht gut zu begründen, erklärt das DAPI: Tabletten, die sich in der Mundhöhle auflösen, und Tabletten zum Schlucken können nicht immer problemlos gegeneinander ausgetauscht werden. Mögliche Gründe für den Einsatz von Schmelztabletten sind beispielsweise Schluckbeschwerden, ein schnellerer Wirkungseintritt oder die Tatsache, dass kein Wasser für die Einnahme benötigt wird. In anderen Fällen sind hingegen Tabletten zum Schlucken besser geeignet, beispielsweise, wenn die Medikation vorab in Medikamentenboxen gestellt werden soll.

Als problematisch bewerteten viele Apotheker offenbar zudem den Austausch zwischen magensaftresistenten und nicht säuregeschützten Tabletten, was die häufig dokumentierten Bedenken bei Acetylsalicylsäure erklären könnte. Bei Calcium-Vitamin-D-Präparaten wurde wiederum oft der Austausch von Kautabletten und Brausetabletten unterbunden. Brinzolamid-haltige Augentropfen verschiedener Hersteller können sich in ihren Hilfsstoffen und damit ihrer individuellen Verträglichkeit unterscheiden, was hier zur Anwendung von Bedenken geführt haben könnte.

Unter den Top 20 finden sich auch verschiedene Inhalativa, unter anderem Ipratropiumbromid oder die Kombination aus Formoterol und Budesonid. Inhalatoren bergen per se ein hohes Risiko für Anwendungsfehler, der Austausch des verordneten Präparats durch einen Inhalator mit anderer Handhabung kann zusätzlich Probleme bereiten – besonders, wenn die Geräte atemzuggesteuert sind. Vergleichsweise häufig wendeten Apotheker die Bedenken bei atemzuggesteuerten Dosieraerosolen an. Als möglichen Grund vermutet Schulz: »Wie bei vielen Arzneimitteln spielt die Rabattvertragslage eine wichtige Rolle. Hinzu kommt, dass sich manche Pulverinhalatoren in ihren Anwendungsmerkmalen ähneln, während sich diese zwischen atemzuggetriggerten und konventionellen Dosieraerosolen deutlich unterscheiden«.

Problematische Arzneistoffe

Einige Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite oder variabler Bioverfügbarkeit sind mittlerweile Teil der Substitutionsausschlussliste, zum Beispiel Schilddrüsenhormone, Phenprocoumon oder Carbamazepin. Nicht vom Austausch ausgeschlossen ist jedoch Levodopa, was sich in der Häufigkeit der dokumentierten pharmazeutischen Bedenken niederschlägt. Gerade im fortgeschrittenen Stadium der Parkinsonerkrankung ist es wichtig, dass der Patient genau eingestellt ist. Bei Levodopa können jedoch die (zugelassenen) Unterschiede in der Bioverfügbarkeit zwischen Präparaten verschiedener Hersteller zu bedeutsamen Unterschieden der Plasmaspiegel führen. Hydroxychloroquin, das bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt wird, kann mitunter schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen, sodass sich die pharmazeutischen Bedenken so erklären lassen.

Nicht nur die Medikamente und Darreichungsformen, auch der Patient selbst oder die Schwere der Erkrankung sind zu berücksichtigen. Ein Präparatewechsel kann den Patienten verunsichern und dadurch den Therapieerfolg beeinträchtigen. Besteht das Risiko, dass der Patient die Therapie nicht plangemäß fortsetzt, wenn er ein anderes Präparat erhält, kann dies ebenfalls ein Grund für pharmazeutische Bedenken sein, was zum Beispiel bei den oralen Kontrazeptiva, Hormonpräparaten zur Behandlung der Endometriose oder Methylphenidat der Fall gewesen sein könnte.

»Die Betrachtung der Darreichungsformen und Wirkstoffe, bei denen im Jahr 2020 am häufigsten pharmazeutische Bedenken gelten gemacht wurden, lässt den Schluss zu, dass die entsprechenden Fälle in der Praxis gut begründet sind und dass das Instrument von der Apothekerschaft verantwortungsbewusst eingesetzt wird, wie auch in den vorangegangenen Jahren«, resümiert Schulz.

*Dieser Text wurde am 21. Januar 2021 aktualisiert. Der Absatz zu Tabletten, die sich in der Mundhöhle auflösen, wurde näher ausgeführt.

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