Begrenzte spezifische Wirksamkeit der Booster bestätigt sich |
Theo Dingermann |
26.10.2022 18:00 Uhr |
Im Rahmen der Auswertung von Zwischenergebnissen einer Studie zur Sicherheit und Immunogenität des bivalenten, an die Omikron-Subvariante BA.1 angepassten Impfstoffs mRNA-1273.214 der Firma Moderna, die kürzlich im »New England Journal of Medicine« publiziert wurde, zeigte sich, dass sich nach Applikation einer zweiten Boosterdosis von 50 µg dieses Impfstoffs verglichen mit einer Boosterimpfung mit 50 µg Spikevax® (mRNA-1273) mediane neutralisierende Antikörpertiter gegen die Omikron-BA.1-Subvariante von 2372,4 beziehungsweise 1473,5 ergaben. Der bivalente Impfstoff induzierte verglichen mit dem monovalenten Impfstoff mediane Titer bindender Antikörper von 727,4 beziehungsweise 492,1 gegen die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5.
Auch diese Daten zeigen, dass der bivalente, adaptierte Impfstoff nur eine mäßig (etwa 1,6-fach) bessere Immunantwort induzierte, als der monovalente Originalimpfstoff. Dies deutet das Team um Collier als einen weiteren Hinweis darauf, dass die Prägung des Immunsystems durch frühere antigene Exposition eine größere Herausforderung für die Induktion einer robusten Immunität gegen SARS-CoV-2-Varianten darstellen könnte, als man das bisher angenommen hatte.
In kurzer Abfolge erschienen aktuell mehrere Artikel, in denen enttäuschende Resultate zur spezifischen Wirksamkeit der an Omikron-Subvarianten adaptierten Impfstoffe kommuniziert wurden. Diese Aussagen provozieren geradezu Missverständnisse, vor denen ausdrücklich gewarnt werden muss. Denn keine der drei Arbeiten stellt die Wirksamkeit der adaptierten Impfstoffe grundsätzlich infrage. Im Gegenteil: Als Booster steigern alle zugelassenen Impfstoffe die Immunantwort signifikant und in einer Größenordnung, die man auch erwarten kann.
Die Enttäuschung macht sich daran fest, dass die angepassten Impfstoffe nur eine mäßig bessere spezifische Immunantwort gegen die Omikron-Subvarianten BA.1 oder BA.4/5 induzieren als die ursprünglichen mRNA-Impfstoffe Comirnaty® oder Spikevax®. Für dieses tatsächlich so nicht erwartete Ergebnis könnte es mehrere Erklärungen geben.
Zum einen könnte die antigene Prägung, also die Dominanz von Immunzellen gegen das Antigen, mit dem das Immunsystem erstmals konfrontiert wurde, bei SARS-CoV-2 stärker ausgeprägt sein, als viele das bisher erwartet haben. Sollte das der Fall sein, wäre es nicht erforderlich, mit angepassten Impfstoffen das Immunsystem auf einen aktuellen Stand zu bringen.
Zum anderen ist es aber auch denkbar, dass alle drei Studien nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einer an die Omikron-Subvarianten angepassten Immunität dokumentieren. Es ist nicht auszuschließen, dass es eine Weile dauert, bis der Affinitätsreifungsprozess von B-Zellen mit einer höheren und breiteren Affinität zu den neu exponierten Antigenen optimiert ist. Dann wäre eine Boosterimpfung mit den adaptierten Impfstoffen am Ende doch einer Auffrischung mit den monovalenten Ursprungsimpfstoffen überlegen. Viele Experten teilen diese Meinung, weshalb die aktuellen Veröffentlichungen niemanden davon abhalten sollten, sich für eine Auffrischimpfung mit einem der verfügbaren bivalenten Impfstoffe zu entscheiden.
Professor Dr. Theo Dingermann, Senior Editor der PZ
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.