Beeinflussen GLP-1-Agonisten den Verlauf? |
Brigitte M. Gensthaler |
03.06.2024 11:00 Uhr |
Die medikamentöse Therapie muss im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung immer wieder angepasst werden, verdeutlichte Professor Dr. Holger Stark von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beim Pharmacon in Meran. / Foto: PZ/Alois Müller
»Aufgrund der Progredienz der Parkinson-Erkrankung ist eine kontinuierliche Anpassung der Medikation und deren Dosierung nötig«, informierte Professor Dr. Holger Stark vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beim Pharmacon Meran. »Eine frühe Diagnose und Therapie verschieben den Krankheitsverlauf um sechs bis zwölf Jahre.« Eine Heilung ist nicht möglich.
In der S2k-Leitlinie zur Parkinson-Krankheit vom Oktober 2023 wird nicht mehr vom idiopathischen Morbus Parkinson, sondern von Parkinson-Krankheit gesprochen. Stark beschrieb diese als Polyproteinopathie. Mit dem Untergang von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra des Gehirns verschiebt sich das Neurotransmitter-Gleichgewicht mit Dopamin-Mangel und Überschuss von Acetylcholin und Glutamat.
»Wenn 50 bis 60 Prozent der Neuronen abgestorben sind, zeigen sich erste Symptome.« Bei frühzeitigem Behandlungsbeginn ließen sich die motorischen und nicht motorischen Funktionen noch verbessern. Da abgestorbene Neuronen aber nicht reaktiviert werden können, liegt besonderes Augenmerk auf einer frühzeitigen Diagnostik, meist von spezifischen Proteinablagerungen. Dies gelinge beispielsweise mit einem α-Synuclein-Seed-Amplification-Assay (SAA). Mit Geruchstests wurden bereits gute Erfolge erzielt. Biomarker-Nachweise fehlen laut Stark bislang.
Um das Dopamin-Defizit im Gehirn auszugleichen, werden Dopamin-Agonisten, Dopamin in Form des Prodrugs Levodopa, meist kombiniert mit Decarboxylase-Inhibitoren (Benserazid, Carbidopa) und COMT-Hemmern (Entacapon, Opicapon), sowie selektive MAO-B-Inhibitoren eingesetzt.
Neben den etablierten Arzneiformen für Levodopa und Kombinationen stehen Neuentwicklungen wie eine Levodopa-Inhalation, zum Beispiel bei Bewegungskrisen. »Sinnvoll ist dies aber nur, wenn der Patient in der Basistherapie Decarboxylase-Inhibitoren einnimmt«, erklärte Stark. In Entwicklung seien auch Wirkstoff-freisetzende Sprühpflaster oder Zahnspangen.
Pumpensysteme, die Levodopa-Kombinationen duodenal oder jejunal freisetzen, können Patienten in späten Stadien helfen. Ziemlich neu ist die kontinuierliche subkutane Infusion der »Pro-Prodrugs« Foslevodopa/Foscarbidopa in fester Kombination. Auch Apomorphin kann kontinuierlich zur Reduktion von Off-Phasen und Dyskinesien infundiert werden. Etabliert ist inzwischen die tiefe Hirnstimulation (THS), die die Beweglichkeit enorm verbessere, aber mit Veränderung der Persönlichkeit verbunden sein könne, so der Referent.
Auch bei der Parkinson-Erkrankung sind GLP-1-Agonisten im Gespräch. Diese könnten neuroprotektiv wirken und den Krankheitsverlauf verändern, berichtete Stark. Tatsächlich gibt es auch im Gehirn GLP-1-Rezeptoren. Stark stellte die Phase-II-Studie LIXIPARK vor, in der knapp 160 Patienten mit früher Parkinson-Erkrankung zwölf Monate lang Lixisenatid oder Placebo subkutan injizierten. Unter Verum verschlechterten sich die motorischen Symptome kaum, während sie unter Placebo progredient waren. Allerdings litten 46 Prozent der Patienten in der Lixisenatid-Gruppe an Übelkeit und 13 Prozent an Erbrechen.
Der monoklonale Antikörper Prasinezumab, der aggregiertes α-Synuclein bindet, könnte ebenfalls eine krankheitsmodifizierende Therapie für bestimmte Parkinson-Patienten im Frühstadium sein; er verbesserte motorische Symptome bei jüngeren Patienten. In Phase I der klinischen Prüfung sind laut Stark auch Stammzelltherapien.