Bakterielle Vielfalt in aller Munde |
Parodontitis ist keinesfalls eine nur auf den Mund beschränkte Krankheit. So eng verknüpft dürfte etwa das Zusammenspiel zwischen Mund-Mikrobiom und dem darunter liegenden MALT-System (Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe) sein. Immer wenn das entzündete Parodont belastet wird, etwa beim Essen oder Zähneputzen, gelangen die Bakterien durch die kleinen Wunden in den Blutstrom und werden in jeden Winkel des Organismus gespült – und können dort offenbar schwere Schäden hinterlassen. So scheint Rauchen das Immunsystem ähnlich nachhaltig zu stören wie eine latente Infektion mit dem Cytomegalievirus und ein erhöhter Body-Mass-Index.
Laut Hannig ist der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes am längsten bekannt, »und zwar in beide Richtungen«. Diabetiker haben ein im Vergleich zu Gesunden dreifach erhöhtes Risiko, an Parodontitis zu erkranken. Bei Diabetes-Patienten mit schlecht eingestelltem Blutzucker verlaufen Entzündungen im Mundraum schwerer als bei gut kontrollierten Blutzuckerwerten; umgekehrt erschwert eine bestehende Parodontitis eine gute Blutzuckereinstellung. Auch Parodontitis und kardiovaskuläre Erkrankungen scheinen miteinander verknüpft. So geht man unabhängig von anderen Risikofaktoren ein mindestens doppelt so hohes Risiko ein, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, wenn der Zahnhalteapparat entzündet ist. Und erst kürzlich legte eine Studie dar, dass Zähneputzen während eines Klinikaufenthaltes das Risiko für eine stationär erworbene Lungenentzündung zu senken vermag.
Inwiefern das orale Mikrobiom das im Gastrointestinaltrakt beeinflusst, ist derzeit nicht geklärt. »Wir vermuten zwar, dass alle Mikrobiome des menschlichen Organismus in irgendeiner Weise miteinander zusammenhängen. Aber erwiesen ist das nicht. Einzelne Studien haben einige Zusammenhänge aufgezeigt, was derzeit aber nicht an größeren Patientenkollektiven bestätigt ist.« Hannig hofft auf mehr Erkenntnisse durch eine groß angelegte Studie an der Universitätsmedizin des Saarlandes. »Dazu haben wir gemeinsam mit anderen Fachrichtungen wie der Dermatologie und der Inneren Medizin von Gesunden und Kranken Tausende Mikrobiom-Proben aus Mund, Speichel, Darm, Stuhl und Haut genommen und analysiert.« Die Daten seien zur Publikation eingereicht.