BA.2 ansteckender und wohl pathogener als BA.1 |
Christina Hohmann-Jeddi |
18.02.2022 16:32 Uhr |
Die Omikron-Untervariante BA.2 hat begonnen, ihre bislang weltweit dominante Schwester BA.1 abzulösen. / Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media
Kurz nachdem die Omikron-Untervariante BA.1 sich weltweit durchgesetzt hatte, hat ihre »Schwester« BA.2 begonnen, sie zu überholen. In einigen Ländern wie Indien, Dänemark, Österreich und Südafrika ist sie inzwischen die dominante Form von SARS-CoV-2. Auch in Deutschland holt die Untervariante BA.2 deutlich auf, was aus dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 17. Februar hervorgeht. Demnach stieg in Deutschland der Anteil der BA.2-Nachweise von 1,6 Prozent in der ersten Kalenderwoche 2022 auf 14,9 Prozent in der fünften Kalenderwoche an.
Wenn die Ausbreitung von BA.2 so weiterginge wie bisher, wäre sie nach grober Schätzung in Kalenderwoche acht bis zehn die dominante Virusform in Deutschland – also Anfang bis Mitte März, sagte Professor Dr. Sandra Ciesek von der Universität Frankfurt am Main im NDR-Podcast »Coronavirus Update« am 15. Februar. Was bedeutet dies und was ist bisher über BA.2 bekannt?
Während die virologischen Charakteristika von BA.1 bereits recht gut untersucht sind, sind sie für BA.2 weitestgehend unerforscht. Die beiden Unterformen können sich in Eigenschaften wie Immunflucht und Pathogenität durchaus unterscheiden, da sie auch genetisch unterschiedlich sind. So weichen die Virusproteine von BA.1 gegenüber BA.2 in 50 Aminosäure-Positionen ab. Das schreibt ein japanisches Forscherteam um Daichi Yamasoba und Professor Dr. Kei Sato von der Universität Tokio in einer Publikation auf dem Preprint-Server »BioRxiv«. Damit unterscheiden sich die beiden Omikron-Unterformen voneinander doppelt so stark wie der SARS-CoV-2-Wildtyp von den Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta.
Das Team hat sich die Eigenschaften der beiden Omikron-Unterformen genauer angeschaut. Den Ergebnissen zufolge ist die Reproduktionszahl von BA.2 um das 1,4-Fache höher als die von BA.1 – das bedeutet, dass mit BA.2 infizierte Personen etwa 40 Prozent mehr Menschen anstecken. Dass BA.2 im Vergleich zu BA.1 infektiöser ist, hatten auch schon andere Untersuchungen gezeigt, etwa Haushaltsstudien aus Dänemark und Großbritannien. Dies könne bedeuten, dass die Infektionszahlen in der aktuellen Welle durch BA.2 noch einmal ansteigen, schreibt das Team aus Tokio.
Es untersuchte in Neutralisationsexperimenten auch die Fähigkeit der Untervarianten zur Immunflucht. Wie die Forschenden berichten, waren beide Unterformen hochresistent gegen Seren von Geimpften (Spikevax® oder Vaxzevria®) sowie gegen Seren von Genesenen, die zuvor eine Alpha- oder Delta-Infektion durchgemacht hatten.
Mit Blick auf die Immunflucht scheinen sich die Varianten nicht stark zu unterscheiden. Das zeigt auch eine Untersuchung von Forschern um Jingyou Yu vom Beth Israel Deaconess Center in Boston, USA, die auf dem Preprint-Server »MedRxiv« erschienen ist. Diese Autoren folgern, dass der Anstieg des BA.2-Anteils eher auf eine erhöhte Übertragbarkeit als auf eine verstärkte Immunflucht im Vergleich zu BA.1 zurückgeht.
Die japanische Arbeitsgruppe um Sato hat zudem in Neutralisationstests festgestellt, dass BA.2 in gewissem Ausmaß auch einer gegen BA.1 gerichteten Immunantwort ausweichen kann. Daher sollte die Unterform einen eigenen griechischen Buchstaben erhalten und als eigenständige besorgniserregende Variante geführt werden, schreiben die Forscher.
Zellkulturuntersuchungen zeigten zudem, dass BA.2 in menschlichen Epithelzellen der Nase stärker repliziert als BA.1 und auch verstärkt Synzytien bilden kann, also Einzelzellen verschmelzen lässt. Das Team um Sato untersuchte auch die Auswirkungen von BA.2- beziehungsweise BA.1-Infektionen auf Hamster im Vergleich zu einer älteren Corona-Virusvariante (B.1.1). Während die BA.1-infizierten Tiere keine oder nur milde Erkrankungen entwickelten, zeigten die BA.2-infizierten Tiere ähnlich starke Krankheitszeichen in Form von Gewichtsverlust und Sauerstoffmangel wie die Hamster mit der ursprünglichen Virusvariante B.1.1. »Diese Daten lassen vermuten, dass BA.2 pathogener ist als BA.1«, so das Fazit der Forscher.
Das zeigte sich auch in den Lungen der Tiere: Hamster, die mit BA.2 infiziert waren, hatten stärkere Schäden in der Lunge als Tiere mit BA.1-Infektion. Die Unterform BA.2 scheine sich rascher und effizienter im Lungengewebe auszubreiten als BA.1, heißt es in der Publikation. Dabei handelt es sich um erste Ergebnisse aus einem Tiermodell. Ob sich die Pathogenität von BA.1. und BA.2 beim Menschen unterscheiden, ist noch unklar.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.