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Coronavirus-Pandemie

Auswirkungen auf die Klinikapotheken

Alle Bereiche des Gesundheitswesens müssen sich wegen der aktuellen Ausnahmesituation umstrukturieren. Der Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg, Professor Dr. Martin J. Hug, gab der PZ eine Einschätzung zur aktuellen und künftigen Lage in Klinikapotheken.
AutorKontaktCarolin Lang
Datum 17.03.2020  15:06 Uhr

PZ: Was erwarten Sie in den kommenden Wochen?

Hug: Die kommenden Wochen werden primär durch eine zunehmende Verunsicherung der Bevölkerung gekennzeichnet sein. Obwohl wir seitens der Apotheke keine Medizinprodukte ausgeben, werden wir von außen mit Fragen zu Mundschutz, Desinfektionsmitteln und anderem Sachbedarf bedrängt. Gleichzeitig ist schon jetzt bemerkbar, dass Menschen bewusst oder unbewusst voneinander Abstand halten, was gewisse Abläufe in der Versorgung, beispielsweise die Abgabe von Betäubungsmitteln und Blutprodukten, zu einer Herausforderung werden lässt. Die bereits erlassenen Maßnahmen auf überregionaler und lokaler Ebene – darunter beispielsweise Versammlungs- und Reiseverbote sowie Besuchsverbot bei stationären Patienten – werden eine Ausbreitung von Infektionen verlangsamen, aber ganz aufhalten lässt sich diese mit Sicherheit nicht. Da die Dynamik der Virusausbreitung offensichtlich von verschiedenen und zum Teil auch nicht verstandenen Faktoren abhängt, wäre es reines Glaskugellesen, eine Prognose für die kommenden Wochen abzugeben. Meine Hoffnung ist, dass wir einen nicht ganz so schweren Verlauf erleben, wie das seit den letzten Tagen in Italien der Fall ist.

PZ: Wie haben Sie sich auf die aktuelle Situation vorbereitet?

Hug: Natürlich haben wir versucht, bei der Lagerhaltung zusätzliche Sicherheitspuffer einzubauen. Leider werden solche Maßnahmen durch ohnehin bestehende Lieferengpässe kompromittiert. Aufgrund unseres sehr begrenzten Lagerplatzes ist es uns auch nicht möglich, beliebige Mengen zu bestellen und zu verwalten. Dennoch haben wir versucht, versorgungsrelevante und besonders für intensivmedizinisch versorgte Patienten notwendige Arzneimittel im Bestand hochzufahren. Gleichzeitig prüfen wir die Optionen der Eigenherstellung, was aber häufig an dem fehlenden Angebot auf dem Roh- beziehungsweise Ausgangsstoffmarkt scheitert.

Um das Infektionsrisiko für mein Personal zu minimieren, haben wir den Publikumsverkehr in und aus der Apotheke stark eingeschränkt. Als zentrale Einrichtung gibt es für uns natürlich kein echtes Ausfallkonzept. Sollte wirklich ein Großteil des Apothekenpersonals ausfallen, werden wir entscheiden, welche Bereiche umgewidmet werden und was für die Basisversorgung zwingend notwendig ist. Da ein Großteil meines Personals in der zentralen Zytostatika-Zubereitung tätig ist, würde das die Versorgung onkologischer Patienten gefährden. Daher ist eine bedarfsorientierte flexible Einsatzplanung, wie wir sie bereits seit einem Jahr etabliert haben, viel wert.

PZ: Sind Notfallpläne im Krankenhaus vorhanden?

Hug: Unser Klinikum hat selbstverständlich Notfallpläne und diese sind bereits in Kraft getreten. Dazu gehört eine dynamische Ressourcen-Allokation und ein Verschieben aller elektiven Eingriffe. Neben einer Covid-19 Task-Force, einer Hotline für alle Mitarbeiter und einer Katastropheneinsatzplanung kümmern sich alle Abteilungen um eine halbwegs reibungslose Patientenversorgung. Wie bei uns in der Apotheke sollen im gesamten Klinikum Zusammenkünfte auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dienstreisen sind bis auf Weiteres untersagt.

PZ: Gibt es bereits Lieferengpässe und haben Sie sich mit bestimmten Medikamenten bevorratet?

Hug: Lieferengpässe gehören zu unserem Alltag. Diese resultieren zum einen aus der Grundproblematik einer verkehrten Preispolitik, Monopolisierung der Rohstoff- und Fertigarzneimittelfertigung und einem nicht mehr durchschaubaren Re- und Parallelimportgeschäft. Erschwerend kommt nun hinzu, dass durch Hamsterkäufe allerorten, wobei ich unsere Klinikapotheke nicht ausschließe, eine abnorm hohe Nachfrage bei den Lieferanten entstanden ist, der jene eben nur durch Kontingentierung begegnen können. Meine Befürchtung ist aber, dass wir durch den eingeschränkten Wirkstoffnachschub aus China und Indien in den kommenden Wochen noch viel ernstere Probleme bekommen werden. Wenn wir Patienten mit bakteriellen Infektionen nicht mehr behandeln können und die anderen Basistherapeutika ausgehen, dann weiß ich nicht, wer die Entscheidung über Leben und Tod treffen wird.

PZ: Setzen Sie in der Klinik experimentelle Substanzen ein? Wie werden diese Substanzen beschafft?

Hug: Es ist erstaunlich, wie dynamisch sich das Gebiet der potenziell bei SARS-CoV-2-Infektionen wirksamen Substanzen entwickelt hat. War vor drei Wochen noch das von Bayer vom Markt genommene Resochin (Chloroquin) der Geheimtipp, scheint zumindest in vitro das noch in Deutschland eingeschränkt verfügbare Hydroxychloroquin (Quensyl® und Generika) die wirksamere Substanz zu sein. Daneben kommen HIV-Protease-Inhibitoren wie Darunavir, Lopinavir und Ritonavir zum Einsatz. Auch wird spekuliert, ob der in Japan unter dem Namen Foipan® zugelassene Wirkstoff Camostat das Eindringen von SARS-CoV-2 in die Pneumozyten hemmt. Hier fehlt uns ebenso wie bei den von der chinesischen National Health Commission bei schwerer Verlaufsform empfohlenen IL-6-Inhibitoren Sarilumab oder Tocilizumab die nötige Erfahrung. Diese beiden Substanzen sind für unsere Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen ohnehin vorrätig.

Der Letzte im Bunde ist Remdesivir; es ist ein Nukleosid-Analogon und RNA-Polymerase-Inhibitor. Remdesivir ist noch nicht zugelassen und kann derzeit nur über ein Notfallprogramm von dem Unternehmen, das dieses Arzneimittel entwickelt, unter behördlicher Erlaubnis bezogen werden. Bei uns wurde dieser Wirkstoff noch nicht verwendet.

Allerdings wurden die Informationen zur potenziellen Wirksamkeit der genannten Substanzen bereits so weit in der Fach- und Laienpresse gestreut, dass auch hier massive Hamsterkäufe stattgefunden haben. So ist Hydroxychloroquin in öffentlichen Apotheken nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr zu bekommen, was für die Patienten, die dieses Präparat aufgrund einer chronisch-rheumatischen Erkrankung dauerhaft einnehmen müssen, ein ernsthaftes Problem darstellt. Ähnlich sieht es bei den Protease-Inhibitoren aus.

PZ: Wie läuft es mit der Beschaffung von Schutzausrüstung?

Hug: Die Beschaffung von Schutzausrüstung, aber auch von anderem Sachbedarf wie den in unserer Zytostatika-Zubereitung zwingend erforderlichen Handschuhen und Mundschutzen verläuft schleppend. Unsere Materialwirtschaft tut, was sie kann, um die klinikinterne Nachfrage zu decken. Auch hier erkennt man, wie durch überdurchschnittliche Bevorratung die Bestände der Hersteller viel schneller weggeschmolzen sind, als ursprünglich zu erwarten war.

PZ: Die Die Arbeitsgemeinschaft Notfall- und Katastrophenpharmazie (AG KatPharm) rät öffentlichen Apotheken dazu, sich mit Krankenhausapotheken zu vernetzen, um Unterstützung bei eventuellen Lieferengpässen zu bekommen. Wie stehen Sie dazu?

Hug: Selbstverständlich bin ich ein großer Befürworter einer Vernetzung zwischen öffentlichen und Krankenhausapotheken. Allerdings warne ich vor zu großen Hoffnungen, dass wir unbegrenzt aushelfen können. Um überhaupt Unterstützung anbieten zu dürfen, erwarte ich eine klare Aussage der Aufsichtsbehörden hinsichtlich des Warenaustausches zwischen den beiden Einrichtungen. Vielleicht sollte in Zeiten von weitgehend geschlossenen Landesgrenzen die vielbeschworene Sektorengrenze zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Bereich etwas geöffnet werden.

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