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Noroviren

Rekordepidemie steht bevor

17.12.2007  14:40 Uhr

Noroviren

<typohead type="3">Rekordepidemie steht bevor

Von Hans-Peter Hanssen

 

Nahezu 140.000 gemeldete Infektionen, mindestens 48 Tote - das war die Bilanz der letzten Norovirus-Winterepidemie. Für dieses Jahr zeichnet sich ein erneuter Rekordstand der Magen-Darm-Infektionen ab.

 

Seit Mitte August steigt die Zahl der ans Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Norovirus-Erkrankungen kontinuierlich. Waren es im Sommer etwa 500 Fälle wöchentlich, wurden für die 44. Woche 2796 Erkrankungen gemeldet. Die Infektionen treten im ganzen Jahr auf, sie zeigen jedoch typischerweise einen Höhepunkt in den Herbst- und Wintermonaten. Noroviren sind weltweit verbreitet; auch in Deutschland zählen sie zu den häufigsten Erregern von infektiösen Darmerkrankungen. Bis zu 50 Prozent aller nicht-bakteriellen Gastroenteritiden bei Erwachsenen und etwa 30 Prozent bei größeren Kindern gehen auf sie zurück. Bei Säuglingen und kleineren Kindern sind sie nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache für akute gastrointestinale Infektionen.

 

Noroviren wurden früher als »Norwalk-ähnliche« Viren bezeichnet, da sie erstmals 1972 in Norwalk im US-Bundesstaat Ohio nachgewiesen wurden. Sie zählen zur Familie der Caliciviridae. Ihre genetische Information ist auf einer einzelsträngigen RNA lokalisiert. Aus unterschiedlichen geografischen Regionen werden derzeit die drei Genogruppen I, II und IV sowie eine Vielzahl von Genotypen unterschieden, wobei die Genogruppen I und II das Ausbruchsgeschehen in den vergangenen Jahren in Europa bestimmten. Noroviren gehören zu den unbehüllten Viren, die sehr viel resistenter gegen Desinfektionsmaßnahmen sind als behüllte Viren (wie zum Beispiel Influenzaviren).

 

Bislang ist der Mensch das einzige bekannte epidemiologisch relevante Erregerreservoir. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich fäkal-oral, zum Beispiel durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die beim schwallartigen Erbrechen entstehen. Die Ansteckungsgefahr ist sowohl bei direktem Kontakt mit erkrankten Personen als auch indirekt über gemeinsam genutzte Kontaktflächen (Türklinken oder Wasserhähne) außerordentlich hoch. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist die infektiöse Dosis mit etwa 10 bis 100 Viruspartikeln äußerst gering. Dem steht eine hohe Viruskonzentration im Stuhl und im Erbrochenen von Erkrankten gegenüber. Zum anderen sind die Erreger relativ umweltstabil: auf unbelebten Oberflächen können Noroviren bis zu sieben Tage überdauern. Zudem besteht eine Immunität bei den Betroffenen nur über eine sehr begrenzte Zeit nach Abklingen der Infektion.

 

Nach einer Inkubationszeit von 10 bis 50 Stunden führt die Infektion zu einem charakteristischen Krankheitsbild: starke Übelkeit, plötzlich einsetzendes Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfälle, dazu können eine leicht erhöhte Körpertemperatur, Schüttelfrost und Kopfschmerzen auftreten. Hohes Fieber ist dagegen selten zu beobachten. Die Erkrankung ist selbstlimitierend, nach etwa 12 bis 70 Stunden verschwinden die Symptome. Viruspartikel lassen sich jedoch auch noch nach etwa zwei Wochen im Stuhl nachweisen. Selbst in Speisen, die mehrere Tage nach Abklingen der Symptome zubereitet worden waren, wurden noch infektiöse Partikel gefunden.

 

Da keine kausale Therapie existiert, zielt die Behandlung hauptsächlich darauf ab, die Symptome zu lindern. Im Vordergrund steht hierbei ein Ausgleich des Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlustes. Bei starkem Erbrechen kann die Gabe eines Anti-emetikums nötig sein. Für ältere und geschwächte Menschen kann der hohe Wasserverlust unbehandelt tödlich sein.

 

Meldepflicht und Virennachweis

 

Seit 2001 besteht laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) Meldepflicht für nachgewiesene Norovirus-Infektionen. Auch der Verdacht auf oder die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelerkrankung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis ist meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 IfSG ausübt (zum Beispiel Tätigkeit in Küchen von Gaststätten oder Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung) oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Trotz der Meldepflicht bleiben viele Erkrankungen unerkannt. Die Dunkelziffer übersteigt Experten zufolge die Zahl der gemeldeten Fälle um den Faktor 20. Eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit soll dazu beitragen, dass sich diese Situation ändert.

 

Hygieneregeln

 

Infektionen lassen sich zwar nicht behandeln, aber in begrenztem Maße vermeiden. Wichtig ist vor allem eine konsequente Händehygiene: Nach dem Toilettengang, nach Bus- und Bahnfahrten, vor jedem Essen sollten Hände gewaschen und gegebenenfalls desinfiziert werden. Für Privathaushalte gibt das RKI im »Epidemiologischen Bulletin 46/2007« eine Reihe von möglichen Maßnahmen zum Schutz gegen Norovirus-Infektionen. Dazu gehören neben der Hände- und Toilettenhygiene die Vermeidung von Kontakt zu Erkrankten. Patienten sollten in der akuten Phase der Erkrankung nur zur Betreuungsperson und nicht zu anderen Kontakt haben.

 

Vor allem für Gemeinschaftseinrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen, Kliniken, aber auch Schulen und Kindergärten sind besondere Maßnahmen erforderlich. Als wichtige Empfehlungen zur Eindämmung von Norovirus-Ausbrüchen in solchen Einrichtungen nennt das RKI die Isolierung infizierter Patienten und deren Unterweisung in korrekter Händehygiene. Hierzu gehört auch die Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Desinfektionsmittel. Auch patientennahe Kontaktflächen, Möbel und Fußboden im Patientenzimmer, sollten regelmäßig desinfiziert werden. Zusätzlich sind Kontaktpersonen über die Übertragungswege von Noroviren und korrekte Hygienemaßnahmen aufzuklären.

 

Das Robert-Koch-Institut unterscheidet bei Desinfektionsmitteln seit 2004 zwischen der Wirksamkeit gegenüber behüllten Viren (»begrenzt viruzid«) und der Wirksamkeit gegenüber behüllten und unbehüllten Viren (»viruzid«). Informationen darüber, welche Präparate geeignet sind, gibt eine Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Dieser Auflistung ist zu entnehmen, dass eine wirksame Händedesinfektion einzig mit dem alkoholischen Präparat Sterillium® Virugard und halogenhaltigen Präparaten (Chloramin T® und Trichlorol®) möglich ist, wobei eine zweiminütige Einwirkzeit (bei halogenhaltigen Präparaten abhängig von der Konzentration) notwendig ist, um die Noroviren sicher zu inaktivieren.

 

Dem Apotheker kann bei erstem Auftreten von anfallsartigen Durchfallerkrankungen die wichtige Rolle zukommen, den Angehörigen und gegebenenfalls auch dem Pflegepersonal die geeigneten Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen nahezubringen.

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