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Kosten-Nutzen-Bewertung

Transparenz bei Arzneimittelpreisen

03.12.2014  10:19 Uhr

Von Ev Tebroke / In Deutschland verhandeln Hersteller und Krankenkassen im Anschluss an eine frühen Nutzenbewertung die Preise für innovative Medikamente. Kritiker halten dieses Verfahren für wenig transparent. Sie präferieren eine sogenannte Kosten-Nutzen-Bewertung (KNB) durch unabhängige Forscher, wie es sie in vielen Ländern gibt. Diese findet bei uns bislang aber nur wenig Unterstützung – zu Unrecht, wie eine Untersuchung nun zeigt.

Welche Kriterien in die Preisgestaltung innovativer Präparate letztlich hineinspielen, ist hierzulande nicht transparent. Zwar orientieren sich Hersteller und Kassen sowohl am Nutzen des Arzneimittels als auch an Referenzpreisen im Ausland. Aber bei der Berücksichtigung der Kosten geht es lediglich um solche, die die Kasse für besagte neue Arzneimitteltherapie erstatten müsste. Längerfristige Kosten-Nutzen-Erwägungen werden nicht berücksichtigt, so beispielsweise vermiedene Krankenhausaufenthalte, Wegfall von Physiotherapien oder Arztkosten, aber auch eine Zunahme von Begleiterkrankungen, die ein neues Medikament eventuell mit sich bringt.

Rechtlich ist die Kosten-Nutzen-Bewertung auch in Deutschland möglich, sie wird aber praktisch nicht genutzt. Das Verfahren ist in Paragraf 35b des Sozialgesetzbuchs V geregelt und stellt eine der Kernaufgaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) dar.

 

Letztes Mittel

 

Allerdings ist die KNB im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz quasi als letztes Mittel im Preisfindungsprozess vorgesehen: Hersteller oder der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung können im Rahmen einer erfolgten frühen Nutzenbewertung nach abgeschlossenem Schiedsverfahren einen Antrag auf Kosten-Nutzen-Bewertung stellen. Auch wenn der Gemeinsame Bundesauschuss einem Wirkstoff keinen Zusatznutzen attestiert, kann der Hersteller die KNB beim IQWiG beantragen, allerdings auf eigene Kosten.

 

Dass diese Art der Bewertung bei der Bestimmung des Erstattungspreises in Deutschland so gut wie keine Rolle spielt, hat mehrere Gründe. Während die Hersteller Sorge haben, gegebenenfalls durch die KNB einen niedrigeren Preis als vorgesehen zu bekommen, könnte für die Kassen solch eine Bewertung wiederum auch höhere Erstattungspreise, also steigende Ausgaben, mit sich bringen.

 

Und auch die Politik scheut die Wirkung der Kosten-Nutzen-Bewertung. Gerade in Deutschland werde oft befürchtet, dass eine festgelegte Obergrenze, ab der eine Leistung nicht mehr erstattet wird, zu streng umgesetzt würde und dazu führt, dass auch sinnvolle Leistungen mit einem Zusatznutzen nicht mehr erbracht werden dürften, sagt Andreas Gerber-Grote, der das Ressort Gesundheitsökonomie am IQWiG leitet. Er ist Mitherausgeber eines vom IQWiG betreuten Schwerpunktheftes der »Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen«, in dem die Erfahrungen mit der KNB in sieben anderen Ländern ausgewertet und verglichen werden.

 

Der Untersuchung zufolge scheint die Sorge deutscher Politiker unberechtigt. Der Vergleich der Erfahrungen zeigt, dass die Kosten-Nutzen-Bewertung auch in den Ländern, in denen sie zur Erstattungsentscheidung und Preisfindung herangezogen wird, nie unmittelbar in Erstattungsregeln umgesetzt wird. Dafür hat das Verfahren nach Ansicht des IQWiG aber den großen Vorteil, für alle Beteiligten mehr Transparenz zu schaffen.

 

Die Auswahl der einzelnen Länder sollte einen mehrdimensionalen Vergleich ermöglichen. Untersucht wurde nach Angaben der Herausgeber unter anderem Australien als das Land mit der längsten Erfahrung in diesem Bereich. Betrachtet wurden zudem England und die Niederlande aufgrund ihrer international renommierten Forschung zur Kosten-Nutzen-Bewertung sowie Schweden als ein Land, das öffentlich Kriterien der Priorisierung diskutiert.

 

Der Blick auf Brasilien und Thailand wiederum sollte einen Vergleich zwischen Industrienationen und Schwellenländern ermöglichen. Auch die unterschiedlichen Versicherungssysteme sollten abgebildet sein: Die beitrags- beziehungsweise prämienfinanzierten Bismarck-Systeme (Niederlande, Deutschland), sowie die steuerfinanzierten Beveridge-Systeme (Australien, England, Schweden).

 

Unterschiedliche Folgen

 

Die Wirkungen einer KNB sind nach Auswertung der Autoren im Ländervergleich durchaus verschieden. Während in Australien ein nicht kosteneffektives Medikament in der Regel auch nicht auf die sogenannte Positivliste kommt, wurde in den Niederlanden selbst auf Basis noch so ungüns­tiger Kosten-Nutzen-Bewertungen kaum ein Arzneimittel von der Erstattung ausgeschlossen.

 

Und in England und Thailand, wo ein Schwellenwert für die Erstattungsfähigkeit besteht, bedeutet eine Überschreitung dieses Wertes für Patienten dennoch nicht, auf die entsprechenden Therapien verzichten zu müssen. In solchen Fällen erhielten Versicherte in England Zugang über gesonderte Budgets oder über spezielle Patienten-Programme.

 

Auch in Thailand wurde die Schwellenwerte nicht eins zu eins umgesetzt. Das Land ist nach Ansicht der Autoren auch ein gutes Beispiel dafür, wie alle relevanten Akteure an der Kosten-­Nutzen-Bewertung beteiligt werden und darüber hinaus andere Kriterien zur Entscheidungsfindung beitragen können. In Brasilien hingegen fehlt es bislang an ausreichendem Fachpersonal, um die KNB bei allen zu bewertenden Leistungen anwenden zu können.

 

Das Potenzial der Kosten-Nutzen-Bewertung für mehr Transparenz in der Preisfindung zeigt sich besonders in den Niederlanden, England und Schweden. Dort werde die Diskussion um entsprechende Bewertungen und deren Auswirkungen auf die Erstattungsentscheidungen häufig in der breiten Öffentlichkeit diskutiert und sorge regelmäßig für Aufsehen, heißt es im Editorial der Herausgeber. /

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