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Gesundheitswirtschaft

Durch die Brille der Ökonomen

17.11.2009  16:17 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / Das Verzweifeln an explodierenden Kosten ist den exponierten Vertretern der Gesundheitswirtschaft fremd. Sie sprechen lieber über eine Wachstumsbranche, der die Zukunft gehört, und finden Gehör im Wirtschaftsministerium.

 

Sicherlich verbinden Philipp Rösler und Rainer Brüderle ihre liberalen Überzeugungen, ihr FDP-Parteibuch und ihre Ministerposten im neuen Bundeskabinett. Wie viel Brüderle am Ende in Röslers Gesundheitspolitik stecken wird, muss sich trotzdem erst noch erweisen.

 

Denn der Blickwinkel auf das Feld der Gesundheit fällt bislang in den beiden Ministerien offenbar recht unterschiedlich aus, wie sich vergangene Woche während einer Diskussion der Initiative Gesundheitswirtschaft (IGW) in Berlin offenbarte. »Hier werden nicht nur Kosten produziert«, sagte mit einem Seitenhieb auf die Kollegen aus dem Gesundheitsministerium Andrea Weinert, Leiterin des Arbeitsstabes Gesundheitswirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium. »Das ist eine eingeschränkte Sicht«, so Weinert weiter. Zum vollständigen Bild gehört aus volkswirtschaftlicher Perspektive unbedingt, dass der Gesundheitssektor mittlerweile etwa ein Zehntel zur in der Bundesrepublik erwirtschafteten Wertschöpfung beiträgt – eine Größenordnung, die Weinert in der Runde bestätigte. Die Zahl von vier Millionen Beschäftigten in der Branche ist aus Sicht der Brüderle-Mitarbeiterin sogar tendenziell zu niedrig angesetzt, weil die Bandbreite der Gesundheitswirtschaft größer sei als gemeinhin angenommen.

 

Enorme wirtschaftliche Bedeutung

 

Einerseits leben die Bundesbürger länger als früher. Die Menschen werden immer älter und deshalb auch öfter krank, was für ausufernde Gesundheitsaufwendungen sorgt. Andererseits entsteht dadurch eine Branche von ökonomischem Gewicht, die sich auch noch als erstaunlich krisenresistent entpuppt.

 

Mag sein, dass viele Deutsche zwar ohne Murren Geld für ihr Auto ausgeben, aber nicht für ihren eigenen Körper – aber diese Haltung scheint doch ins Wanken geraten. Immerhin gibt es starke Anzeichen, dass die beiden Seiten der einen Medaille, die Kosten und die ökonomischen Chancen, künftig stärker zusammengedacht werden als bisher. Weinerts Stab ist vor einigen Monaten noch unter der großen Koalition eingerichtet worden, und allein das darf schon als Signal für einen Bewusstseinswandel der politischen Entscheidungsträger gewertet werden. Zum ersten Mal ist nun die Förderung der Gesundheitswirtschaft als Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden. »Darauf sind wir stolz«, sagte Weinert.

 

Die Veränderung in den Köpfen beschrieb Professor Heinz Lohmann, Gesundheitsunternehmer und IGW-Vorsitzender, mit Anekdoten aus der Vergangenheit. Vor einigen Jahren hätten ihm Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Senatoren aus Hamburg noch Düsseldorfer IT-Türme und den Hamburger Hafen gezeigt und gesagt, das sei die Wirtschaft.

 

Inzwischen sei auch in den Ländern die Bedeutung der Branche erkannt worden. Die Denkweise an der Spitze der Bewegung zeigte sich während der Diskussion, als einem Teilnehmer das Wort »Gesundheitswesen« herausrutschte. Der als verstaubt empfundene Begriff sorgte für Erheiterung.

 

»Die Gesundheitswirtschaft ist auch ein Impulsgeber für andere Branchen«, sagte Dr. Peter Hilbert, Forscher am Institut für Arbeit und Technik der Fachhochschule Gelsenkirchen und Sprecher des Netzwerks der deutschen Gesundheitsregionen. Dieses Spektrum reiche von barrierefreiem Wohnen und dem Einsatz gesundheitsfördernder Baumaterialien bis zur Herstellung altersgerechter Fahrzeuge, vom Gesundheitstourismus in durch Wellness und Kuren profilierte Regionen bis zum Druck und Handel von Büchern und Zeitschriften über Gesundheitsthemen. »Die Chancen werden oft nur plakativ angesprochen«, so Hilbert. Dabei komme es in der inhaltlichen Arbeit auf Details an.

 

Rütteln an bewährten Strukturen

 

So könne sich die Bundesrepublik auch abseits der klassischen Pharmaindustrie und Medizintechnologie als Exportnation im Gesundheitsmarkt profilieren. In Indien gebe es beispielsweise eine große Nachfrage nach herausragenden einheitlichen Versorgungskonzepten. In der Gesundheitsbranche mahnte Hilbert eine stärkere Vernetzung an.

 

In ihrem Eifer rütteln die Vorkämpfer der Gesundheitswirtschaft stark an bewährten Strukturen. Lohmann sagte, der Gesundheitsbereich dürfe nicht länger als »Naturschutzgebiet« betrachtet werden. Die Freiberuflichkeit von Ärzten sei ein »überkommenes Politikum«, so Lohmann weiter in einem Plädoyer für Versorgungszentren mit angestellten Medizinern.

 

Auch Andrea Weinert aus dem Wirtschaftsministerium warb für Nüchternheit etwa in der Diskussion um Standardisierung. Was Ärzte als Eingriff in ihre Souveränität werteten, könne durchaus im Sinne der Patienten sein. Voraussetzung für die Entwicklung des Gesundheitsmarktes sei es, von souveränen und aufgeklärten Konsumenten auszugehen. Sie halte nichts davon, die Bürger aus Fürsorge dumm halten zu wollen, sagte Weinert. /

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