Von der Biologie zur Klinik |
19.11.2007 16:13 Uhr |
<typohead type="3">Von der Biologie zur Klinik
Von Jan-Peter Kramb, Mainz
Proteinkinasen spielen eine entscheidende Rolle in der Regulation des Zellzyklus. Damit stellen sie ein attraktives Ziel für die Arzneimitteltherapie dar. Auf den aktuellen Stand über Kinase-Inhibitoren brachten sich Wissenschaftler auf dem 15. Mainzer Forum Medizinische Chemie der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz.
Noch bis vor einigen Jahren galten Proteinkinasen als »nondrugable targets«, also als ungeeignete Ziele für die Arzneimitteltherapie, sagte Dr. Bert Klebl, Senior Director Discovery Biology der GPC Biotech Martinsried. Das hatte vor allem drei Gründe:
die große Ähnlichkeit der ATP-Bindetaschen der verschiedenen Kinasen untereinander,
die hohen intrazellulären ATP-Konzentrationen, welche eine sehr hohe Bindungsaffinität des Inhibitors vorausset-zen und
den schwer zugänglichen Angriffsort im Zellinneren.
Dass trotz der hohen Homologie unter den Kinasen eine selektive Hemmung möglich ist, demonstrierte er anhand einiger sich in klinischer Prüfung befindlicher oder bereits zugelassener Kinase-Inhibitoren wie Imatinib und Erlotinib. Beteiligt an dieser selektiven Inhibition einzelner Kinasen sind Bindestellen im aktiven Zentrum: vor allem die hydrophoben Seitentaschen, die sich bei jeder Kinase individuell darstellen, aber auch die von ATP genutzte »Hinge«-Region, die Phosphatbinderegion und die Zuckertasche.
Kinase-Inhibitoren selbst weisen normalerweise nur eine zytostatische, aber keine zytotoxische Wirkung auf, erläuterte Professor Dr. Aleem Gangjee von der Duquesne University Pittsburgh, USA. Deshalb werden sie in aktuellen Therapieschemata überwiegend in Kombination mit einer klassischen Chemotherapie eingesetzt. Durch die Entwicklung von dualen Hemmstoffen sowohl der Dihydrofolatreduktase als auch einzelner Proteinkinasen sei jedoch eine Verknüpfung von zytostatischen und zytotoxischen Wirkungen möglich. Diese Substanzklasse bietet weitere Vorteile wie geringere Toxizität, niedrigere Resistenzgefahr, geringere Kosten und höhere Compliance, da sie in der Monotherapie eingesetzt werden kann.
Strategisch auf der Suche
Die Entwicklung neuer Leitstrukturen mithilfe der fragmentbasierten High throughput Kristallografie, stellte Dr. Gordon Saxty, Astex Therapeutics Cambridge, Großbritannien, vor. Hierbei werden die Bindestellen kleiner Molekülfragmente (120 bis 250 Dalton) mit dem Zielprotein durch Kristallisation identifiziert und schrittweise synthetisch zu neuen Kinase-Inhibitoren erweitert. Die entscheidenden Vorzüge dieses Verfahrens gegenüber dem in der Wirkstoffentwicklung weit verbreiteten Verfahren des High throughput Screenings seien die chemisch einfacheren Strukturen, kleinere Molekülmassen sowie die daraus resultierenden pharmakokinetischen und pharmakoökomischen Vorteile, so Saxty.
Die vielfältigen Strategien zur Entwicklung von Inhibitoren der Proteinkinase B (PKB) standen im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Ian Collins, Institute of Cancer Research in Sutton, Großbritannien. Die PKB ist bei der Kontrolle der Zellproliferation und des Fortbestehens der Zelle maßgeblich beteiligt. High throughput Screening, Kombinatorische Chemie und Fragment-based Screens sind wichtige Instrumente zur Identifizierung neuer Leitstrukturen für PKB-Inhibitoren. Diese konnten Forscher mittels Methoden des »structure-based design« und der Medizinischen Chemie sowohl in ihrer Selektivität als auch in ihren pharmakokinetischen Eigenschaften optimieren. Die Wirksamkeit der entwickelten PKB-Inhibitoren belegen Ergebnisse aus Zell- und Tiermodellen.
Den Naturstoff Radicicol und die daraus entwickelte Strukturklasse der Resorcylide stellte Dr. Nicolas Winssinger, Universität Straßburg, Frankreich, vor. Radicicol ist ein Inhibitor des Hitzeschockproteins 90, das an der Stabilisierung der Proteinkonformation, insbesondere vieler sehr instabiler Onkogene, beteiligt ist. Durch Etablierung und Optimierung der Synthesewege gelang Winssingers Gruppe die Darstellung mehrerer Resorcylsäurederivate wie Pochonin D, Aigilomycin, Radiciol A und Oxoceaenol. Viele dieser Derivate zeigen eine große biologische Aktivität als Kinase- und auch ATPase-Inhibitoren, was sie, so Winssinger, zu interessanten Leitstrukturen mache.
Kinase-Inhibitoren in der Klinik
Ein Beispiel für einen molekularen Resistenzmechanismus gegenüber Kinase-Inhibitoren nannte Professor Dr. Thomas Fischer, Medizinische Klinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. So sind fehlerhafte Genvarianten der Proteinkinase FLT3 (FMS-like tyrosine kinase 3) an der Entstehung der akuten myeloischen Leukämie beteiligt. Die Mutation ist mit einer schlechten Prognose assoziiert. Bei diesen Patienten ist die FLT3-Signalkaskade unkontrolliert und dauerhaft aktiviert. Eine große Anzahl bildet rasch Resistenzen aus, wenn sie mit Kinase-Inhibitoren behandelt werden. Als Ursache nannte Fischer die Ausbildung einer Punktmutation im Gen der FLT3.
Die Vorteile der bereits zugelassenen Kinase-Inhibitoren in der klinischen Anwendung zeigte Privatdozent Dr. Markus Möhler, Medizinische Klinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die signifikante Verlängerung der Überlebensraten bei unterschiedlichen Krebsarten zeichnet jeden neuen Wirkstoff in der Kombination mit der klassischen Chemotherapie aus. Da diese Lebensverlängerung meist nur wenige Monate beträgt, arbeiten Forscher intensiv an der Entwicklung multifunktioneller Inhibitoren unterschiedlicher Signalkaskaden.