Avie laufen die Apotheker davon |
14.11.2007 16:15 Uhr |
<typohead type="3">Avie laufen die Apotheker davon
Von Uta Grossmann
Mit der Übernahme durch die Kohl Medical AG schied der bisherige Avie-Geschäftsführer und -Gesellschafter Joachim Birkle aus - und mit ihm kündigte eine Reihe von Franchise-Apothekern zum Jahresende ihre Partnerschaft. Nun will sich Avie mit Blick auf eine mögliche Aufhebung des Fremdbesitzverbotes neu positionieren.
Im Juni übernahm die Kohl Medical Aktiengesellschaft, die bis dahin 75 Prozent der Anteile an Avie hielt, auch die restlichen 25 Prozent ihres Tochterunternehmens, die bis dato der Avie-Geschäftsführer und -Gesellschafter Joachim Birkle gehalten hatte. Birkle schied mit der Übertragung seiner Anteile aus der Geschäftsführung von Avie aus. Seine Aufgaben übernahm der bis dahin kaufmännische Geschäftsführer Dr. Thomas Kerckhoff.
Kerckhoff war früher Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA). In dieser Eigenschaft sprach er sich schon 2005 für die Zulassung eines Preiswettbewerbs auch bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus. Der Gesetzgeber solle den Arzneimittelmarkt konsequent für den Wettbewerb öffnen, um die Arzneiausgaben zu senken, forderte Kerckhoff.
Mit dem Wechsel in der Geschäftsführung und dem Ausscheiden von Birkle ändert sich auch die Ausrichtung von Avie. Der Systembetreiber rechnet damit, dass das Fremdbesitzeverbot fällt und will sich entsprechend »positionieren«. Wie genau das aussehen soll, wollte Avie-Sprecherin Kerstin Kilian auf Nachfrage noch nicht sagen. Der Apotheken-Systembetreiber Avie hat unter selbstständigen Apothekern, die auf heilberufliche Kompetenz und Unabhängigkeit als Mittelständler setzen, kein gutes Renommee. Ein Geschäftsführer, der für Versandapotheken eintritt, kann den Ruf nur verschlechtern. Avie ist zwar keine Kette, denn die einzelnen Avie-System-Partner sind weiterhin selbstständig und sollen dies nach Angaben von Avie auch bleiben, falls das Fremdbesitzverbot aufgehoben werden sollte.
»Erfinder des Apotheken-Franchise«
Der Systembetreiber nennt sich allerdings selbst den »Erfinder des Apotheken-Franchise« und übernimmt zentral Marketing, Sortimentsgestaltung, Pressearbeit und Einkauf, auf Wunsch auch Personalsuche, Lohnbuchhaltung und Fortbildung. Das gleichförmige Corporate Design der Inneneinrichtung hat einen ähnlichen Wiedererkennungseffekt wie der Einheitsauftritt von DocMorris- oder Easy-Apotheken.
Avie hatte nach eigenen Angaben 54 Franchise-Nehmer, die 2006 insgesamt 100 Millionen Euro umsetzten. Nun kündigten 38 Apotheker ihre Mitgliedschaft - in »nahezu gleichlautenden Schreiben zeitnah«, wie Avie am Dienstag mitteilte. Branchenkenner vermuten, dass viele Apotheker wegen des Ausscheidens des ehemaligen Avie-Geschäftsführers Birkle gekündigt haben. Birkle wurde wegen seiner kompetenten Betreuung geschätzt. Er hatte vor Jahren die Apotheken-Kooperation Sympateam mit Sitz in Beilstein aufgebaut, aus der Avie wurde. Nun hat Birkle Sympateam wieder aufleben lassen und arbeitet als deren Geschäftsführer.
Avie vermutet dagegen, Birkle habe vertragliche Strukturen geschaffen, die die Apotheken »in ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit aktiv einschränken« und lässt das nun juristisch prüfen. Geschäftsführer Kerckhoff hat den Verdacht, »dass diese Apotheker nicht mehr eigenständig agieren, sondern möglicherweise zentral gesteuert werden«.
In einer Mitteilung vom 9. November rechnete Kerckhoff noch »mit einem deutlichen Zuwachs an Systempartnern« im Jahr 2008. Das klingt bereits sehr viel zurückhaltender als die Zielmarke einer Pressemeldung vom 22. Februar, in der von einer Verdoppelung der Apotheken- und Kundenzahl bis Ende des Jahres 2007 die Rede war.
Anfang November ist die Avie Systemzentrale von Beilstein (Baden-Württemberg) nach Perl im Saarland umgezogen. Der neue Standort ist aus strategischen Gründen gewählt worden, teilte Avie mit. In unmittelbarer Nähe hat auch die Avie-Mutter Kohl Medical AG ihren Firmensitz. Vorstandsvorsitzender ist Edwin Kohl, der auch neben Kerckhoff zweiter Geschäftsführer von Avie ist.
Die Kohl Medical AG bezeichnet sich selbst als Europas führendes Unternehmen im Bereich Arzneimittelimport. Zu der Holding gehören neben Avie der Arzneimittelimporteur kohlpharma und 7x4 Pharma (vormals assist Pharma), die im nächsten Jahr eine patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung einführen will.